Bayerische Impfkommission für Einzelfallentscheidungen

Professor Dr. Jörg Schelling

Die Bayerische Impfkommission nahm am 1. März ihre Arbeit auf. Bürger­innen und Bürger mit seltenen Erkrankungen können bei der Impfkommission prüfen lassen, mit welcher Priorität sie die Impfungen gegen SARS-CoV-2 erhalten können. Die neue Kommission wurde am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München angesiedelt, um medizinisch-fachlich schwierige Impfentscheidungen zu fällen.
Dem fünfköpfigen Gremium gehören an: Professor Dr. Karl-Walter Jauch, emeritierter Ärztlicher Direktor des Klinikums der LMU München (Vorsitzender), Professor Dr. Christian Bogdan, Direktor des mikrobiologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO), Susanne Breit-Keßler, Vorsitzende des Bayerischen Ethikrats, und Edda Huther, ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts München sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Für die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) ist Professor Dr. Jörg Schelling, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, dabei.

Herr Professor Schelling, ist es eine heikle Mission, fundierte Einzelfallentscheidungen zur Impf-Priorisierung zu fällen?
Schelling: Grundsätzlich ist es eine herausfordernde und wichtige Mission. Als heikel empfinde ich sie nicht, da ich als Hausarzt in der Praxis fast jeden Tag Einzelfallentscheidungen fällen darf und fällen muss.

Gibt es Lücken bei der Impf-Priorisierung? Wurden Patientinnen und Patienten mit bestimmten Krankheiten, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf bei einer COVID-19-Erkrankung bergen, vergessen?
Schelling: Dies wird eine zentrale Frage für die Impfkommission sein. Es kann sein, dass wir nicht nur über Einzelfälle beraten, sondern dass uns auch spezielle Lücken auffallen werden. Möglicherweise wird man dann in Bayern auch vereinzelt alternative Wege gehen. Davon gehe ich aber aktuell nicht aus.

Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Schelling: Tatsächlich ist es noch zu früh, darauf konkret zu antworten. Wir würden diese möglichen Lücken auch mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege diskutieren und Lösungsvorschläge erarbeiten. Mit Professor Dr. Christian Bogdan haben wir auch eine erfahrene und besonnene Stimme aus der STIKO mit an Bord.

Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus? Gibt es ärztliche Atteste für einzelne Personen, mit dem sie sich zur Impfung anmelden können?
Schelling: Wir werden uns regelmäßig unter der Leitung von Professor Dr. Karl-Walter Jauch treffen, im Augenblick noch virtuell. Dann wird die Geschäftsstelle Atteste bzw. entsprechende Bescheide im Einzelfall erstellen. Möglicherweise werden wir auch mit einzelnen anonymisierten Fällen oder beim Auffinden von relevanten Lücken an die Öffentlichkeit herantreten.

Wie lange rechnen Sie mit Ihrem Einsatz in der Impfkommission?
Schelling: Sicherlich bis zum Zeitpunkt der Verfügbarkeit von genügenden Impfstoffen für alle Impfwilligen in Bayern. Das wird wohl bis in den Spätsommer oder Herbst hinein sein. Vielleicht gibt es dann aber andere Aufgaben für die Kommission, die sich bis dahin sicherlich gut eingearbeitet hat.

Gibt es eine Informationskampagne, die über die Arbeit und die Aufgaben der neuen Kommission aufklärt?Schelling: Das Staatministerium für Gesundheit und Pflege wird hier sicher regelmäßig informieren. Eine großangelegte Kampagne ist mir aktuell nicht bekannt – wir stehen aber erst am Anfang unserer Arbeit.

Befürchten Sie juristische Auseinandersetzungen was Ihre Entscheidungen betrifft?
Schelling: Offen gesprochen befürchte ich das eher nicht. Wir können ja den Impftermin nur etwas beschleunigen. Wahrscheinlich weisen ja die meisten Antragssteller ohnehin eine gewisse Priorität auf. Aber diese Impfkommission gibt es in dieser Form zum ersten Mal – Überraschungen sind nicht auszuschließen!

Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dagmar Nedbal (BLÄK)

Top