Blickdiagnosen
Die Corona-Pandemie hält die Welt bereits seit vielen Wochen in Atem – das gilt auch für Deutschland und insbesondere für Bayern. Grund genug für die Redaktion des „Bayerischen Ärzteblatts“, in der aktuellen Ausgabe in der Rubrik Blickdiagnose gleich drei Kasuistiken zu COVID-19 zu veröffentlichen. Außergewöhnliche Zeiten – außergewöhnliche Maßnahmen. Wir präsentieren Ihnen Fälle aus dem Klinikum der Universität München-Großhadern, der München Klinik Bogenhausen und dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.
Atemnot und Ultraschall
Ein 69-jähriger Patient wird bei zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustands stationär eingewiesen. Er stellt sich mit seit einer Woche bestehendem Fieber, Dyspnoe und Husten vor. Am Aufnahmetag kommt es zu einer zunehmenden respiratorischen Insuffizienz. Die initiale Sauerstoffsättigung liegt unter Raumluftatmung bei 80 Prozent, eine arterielle Blutgasanalyse (BGA) unter Insufflation von zehn Litern O2 über Maske zeigt eine hochgradige Hypoxämie bei respiratorischer Partialinsuffizienz: pH 7,49, pCO2 32 mmHg, pO2 50 mmHg, Laktat 2,8 mmol/L. Laborchemisch zeigen sich deutlich erhöhte Werte für CRP (11,6 mg/dl; N < 0,5), Leukozyten 17,4 G/l sowie D-Dimer (20,9 µg/ml; N < 0,5) und LDH (1021 U/l; N < 249).
Nach den Klinikums-internen Leitlinien erfolgt eine HR-CT-Untersuchung der Lunge (Abbildung 1). In der CT zeigt sich ein Mischbild aus zum einen COVID-19-typischen triangulären, subpleural orientierten Milchglastrübungen mit beginnenden Konsolidierungen und zum anderen pulmonalvenösen Stauungszeichen. Zusätzlich wird ein Pneumothorax detektiert, der direkt mit einer Bülaudrainage versorgt wird und im Verlauf noch eine geringe Dehiszenz links sowie ein Hautemphysem aufweist.
Abbildung 1: In der CT zeigt sich ein Mischbild aus zum einen COVID-19 typischen triangulären, subpleural orientierten Milchglastrübungen mit beginnenden Konsolidierungen und zum anderen pulmonalvenösen Stauungszeichen. Nebenbefundlich lässt sich ein Pneumothorax (gelber Pfeil) mit noch geringer Dehiszenz sowie begleitendem Weichteilemphysem links nach Thoraxdrainagenanlage von ventral abgrenzen.
Bei zunehmender respiratorischer Erschöpfung (pO2 48 mmHg unter Insufflation von 12 Litern O2 über Sauerstoffmaske mit Reservoirbeutel) wird die Indikation zur Intubation gestellt und der Patient auf die Intensivstation verlegt. Der Abstrich auf SARS-CoV-2 ist positiv. Die Verlaufssonografie auf der Intensivstation erfolgt am nächsten Tag und zeigt folgende Befunde, die gut mit der initialen CT korrelieren (Abbildungen 2 bis 5). Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses befindet sich der Patient noch auf der Intensivstation im fortgeschrittenen Weaning.
Abbildung 2: Bettseitige Verlaufsuntersuchung mittels Ultraschall bei einem COVID-19-Patient auf der Intensivstation, das mobile Ultraschallgerät wurde mit einer Schutzhülle überzogen.
Autoren
Professor Dr. Dr. h. c. (TSM-Univ.) Dirk-André Clevert
Klinik und Poliklinik für Radiologie,
Interdisziplinäres Ultraschall-Zentrum
Dr. Ines Schroeder
Klinik für Anaesthesiologie
Dr. Bastian Sabel
Klinik und Poliklinik für Radiologie
Alle Oberärzte am Klinikum der Universität München-Großhadern
COVID-19-Pneumonie in der Notaufnahme
Im Notfallzentrum stellt sich selbstständig ein 47-jähriger, sonst gesunder Patient mit ausgeprägter Belastungsdyspnoe vor. Seit acht Tagen bestünde ein fieberhafter Infekt bis 39 °C, trockener Husten sowie ein Geschmacksverlust.
Ambulant wurde eine kalkulierte Antibiose mit Amoxicillin und Clavulansäure begonnen, jedoch ohne subjektive Besserung zu erzielen. Klinisch zeigt sich bei der Triage eine Atemfrequenz von 25/min, eine Temperatur von 38,3 °C tympanal, eine Sauerstoffsättigung von 96 Prozent bei 2 l O2/min per Nasenbrille, bei ansonsten normwertigen Vitalparametern. Laborchemisch sind lediglich das CRP mit 100 mg/l (< 5 mg/l) und die LDH mit 311 U/L (125–220 U/l) erhöht, die Leukozyten, das PCT und das D-Dimer normwertig. Ein weiteres Organversagen besteht nicht. Der Abstrich auf SARS-CoV-2 ist positiv.
Im initialen Lungenultraschall mit dem Linearschallkopf lassen sich linksseitig oben anterior (Areal 1) bei vorhandenem Lungengleiten fokal konfluierende B-Linien mit klarer „Abbruchkante“ – dem sogenannten „Wasserfall-Zeichen“ – und eine unruhige Pleuralinie mit kleinsten Konsolidierungen nachweisen (Abbildung 1).
Abbildung 1: Links oben anterior zeigen sich zwei verschiedene Lungensonomuster. Einerseits eine normale Pleuralinie mit A-Linie (rote Pfeile), andererseits konfluierende B-Linien – dem sog. „Wasserfall-Zeichen“ – mit einer unruhigen Pleuralinie und einzelnen kleinen Konsolidierungen (gelber Pfeil).
Im Low-Dose-Lungen-CT, welches zum Ausschluss einer Superinfektion durchgeführt wurde, korrelieren die dargestellten fokalen Milchglastrübungen und noch wenigen pleuralen Konsolidierungen (Abbildung 2, Kreis rot) mit dem sonografisch erhobenen Befund. Rechts unten dorsal (costophrenischer Winkel, Areal 6) zeigen sich mit dem Konvexschallkopf ein kleiner Pleuraerguss, weiterhin eine unruhige Pleuralinie mit Konsolidierungen und einzelne B-Linien. Die Pleura ist auch hier atemvariabel (Abbildung 3). Im Lungen-CT kann auch dieser rechtsseitige sonografische Befund untermauert werden (Abbildung 4, Kreis rot). Die Bezeichnung der Lungenareale beziehen sich auf das Lungenultraschall-Protokoll der DEGUM (Abbildung 5).
Der Patient wird im Verlauf ohne Antibiose auf die Normalstation aufgenommen. Zwei Tage nach Aufnahme hat er sich respiratorisch stabilisiert und kann in die häusliche Quarantäne entlassen werden. 17 Tage nach Aufnahme ist er nur noch minimal leistungseingeschränkt, Dyspnoe besteht nicht mehr.
Im Notfall soll die Point-of-Care-Sonografie die diagnostische Sicherheit erhöhen und eine rasche, bettseitige Diagnose ermöglichen. Bei Dyspnoe ist die Multiorgansonografie vor allem zur raschen Einschätzung des Volumenstatus und der Pumpfunktion sowie Abklärung von Differenzialdiagnosen (zum Beispiel Rechtsherzbelastung, Perikarderguss, Pneumothorax, kardiales Lungenödem, Pleuraergüsse) geeignet. Bei Verdacht auf COVID-19-Pneumonie kann sie vielleicht in Zukunft CT-Thoraxes, gerade bei jungen Patienten, vermeiden. Hierzu fehlen jedoch noch die notwendigen Erfahrungen.
Autor
Dr. Mathias Schmid
Oberarzt, München Klinik Bogenhausen,Notfallzentrum
Diagnose mit dem „Ultraschall-Stethoskop“
Eine 84-jährige Patientin mit chronischem Vorhofflimmern und Aortenklappenersatz stellt sich mit Fieber und Abgeschlagenheit beim Hausarzt telefonisch vor. Der Abstrich auf SARS-CoV-2 ist positiv. Die Patientin wird bei zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustands stationär eingewiesen. Bei Aufnahme zeigt die Patientin bei 2 l O2 über die Nasenbrille eine pulsoximetrische Sauerstoffsättigung von über 90 Prozent. Laborchemisch CRP 6,8 mg/dl (N < 0,5), Leukozyten 7,27 G/l sowie stark erhöhte D-Dimer-Werte (1.100 µg/l; N < 500) und eine erhöhte LDH (344 U/l; N < 244). Nach Klinikums-internem Algorithmus erfolgt eine Low-Dose-Lungen-CT-Untersuchung, in der sich multiple Infiltrate in beiden Lungenlappen mit milchglasartig-konsolidiertem Charakter sowie eine Kardiomegalie bei Zustand nach TAVI (katheterbasierte Aortenklappenimplantation) erkennen lassen. In der Verlaufssonografie auf Station zeigen sich die Befunde aus Abbildung 1, die gut mit der initialen CT korrespondieren mit den größten Befunden im Bereich der linksseitig posterioren Lungenabschnitte, ein größerer Pleuraerguss lässt sich nicht darstellen. Die Schallkopfpositionen mit den größten Konsolidationen mit Aerobronchogramm werden mit Filzstift für Verlaufsuntersuchungen markiert.
Unter symptomatischer Therapie mit Sauerstoff und Inhalationen mit NaCl 0,9 Prozent bessert sich die respiratorische Symptomatik der Patientin, der Sauerstoff über die Nasenbrille konnte reduziert werden. Geplant ist nun eine Anschlussheilbehandlung zur Stabilisierung des Allgemeinzustands.
Zusammenfassung:
Bildgebende Verfahren sind nicht dazu geeignet sicher die spezifische Diagnose einer COVID-19-Pneumonie zu stellen, sondern zeigen nur die Zeichen und die Ausdehnung einer pulmonalen Erkrankung. Für die Diagnosestellung ist die Zusammenschau aus Klinik des Patienten, Vitalparametern, Bildgebung sowie laborchemischer und virologischer Diagnostik entscheidend. Die Rolle des Ultraschalls in der Diagnostik und Verlaufskontrolle von COVID-19-Pneumonien wurde – wie auch die CT-Diagnostik – aufgrund der Kürze der Krankheitserstbeschreibung noch nicht abschließend bewertet. Größere klinische Studien fehlen bislang. Dennoch erscheint bei peripherer Lage die Ultraschalldiagnostik die meisten CT-Kriterien ebenso gut aufzeigen zu können, sodass die Ultraschalldiagnostik zur Verlaufsbildgebung von Patienten auf der Intensivstation zum Einsatz kommen kann. Mittels Ultraschall können im Verlauf Konsolidierungen des Lungenparenchyms und Aerobronchogramme (zum Beispiel auch bei Superinfektionen) dargestellt werden, ebenso wie neu auftretende oder zunehmende Pleuraergüsse oder andere Lungenpathologien, wie etwa ein Pneumothorax. Die Ultraschalluntersuchung der Lunge sollte unter größtmöglichem Eigenschutz und unter strenger Beachtung der klinikinternen Hygieneauflagen durchgeführt werden. Wir empfehlen standardisierte Untersuchungsbögen für die Durchführung und Dokumentation des Lungenultraschalls (zum Beispiel der gemeinsame Bogen der deutschsprachigen Ultraschallfachgesellschaften unter www.degum.de).
Ferner könnte der Ultraschalluntersuchung mit Taschenultraschallgeräten im Rahmen der täglichen Routineuntersuchungen auf der Intensivstation eine zunehmend wichtige und therapiemodifizierende Funktion zukommen, gerade als Alternative bzw. rasch verfügbare bildgebende Ergänzung zum sonst verwendeten Stethoskop.
Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
Autoren
Privatdozent Dr. Konrad Friedrich Stock
Dr. Matthias Treiber
Privatdozent Dr. Rickmer Braren
Abteilung für Nephrologie und II. Medizinische Klinik, Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, alle Oberärzte am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universtität München
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