Der TI-Messenger

Der TI-Messenger

Revolution für die Arzt-Patienten-Kommunikation?


Über Kurznachrichten schnell und ortsunabhängig miteinander kommunizieren – das soll der TI-Messenger (TI-M) der gematik GmbH auch für den medizinischen Alltag ermöglichen. Bereits seit April 2024 können sich Heilberufler und Kostenträger anbieter- und sektoren­übergreifend über den TI-M miteinander austauschen. Und künftig ist eine Echtzeitkommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten und Versicherten über den TI-M geplant. Doch wie kann die Anwendung eigentlich in die Arbeitsprozesse von Praxen und Kliniken integriert werden? Welchen Mehrwert hat der TI-M für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte? Und welche Auswirkungen wird er auf die Patientensteuerung und die Arzt-Patienten-Kommunikation haben? Diese Fragen beantworten Timo Frank und Marie Ruddeck, Produktmanager bei der gematik GmbH, im Interview.

Welche Ziele verfolgt die gematik mit dem TI-M?

Marie Ruddeck: Die TI-M werden die Kommunikation im Gesundheitswesen vereinfachen. Das betrifft vor allem Abstimmungsprozesse zwischen den Sektoren, beispielsweise bei Aufnahme, Überweisung oder Entlassung einer Patientin oder eines Patienten. So können mit Hilfe des TI-M die Grenzen beispielsweise zwischen ambulant und stationär relativ einfach überwunden werden. Und das Fax könnte schon bald der Vergangenheit angehören.

Welche Anwendungen stehen über den TI-M aktuell schon zur Verfügung?

Timo Frank: Der TI-M ist eine freiwillige Anwendung und bietet noch keine Standard-(Pflicht)-Anwendung, anders als KIM mit der eAU oder dem eArztbrief. Zum Start ermöglicht TI-M den schnellen Austausch von Nachrichten, Bildern und Videos. Für uns ist durchaus vorstellbar, dass zukünftig auch Anwendungen über den TI-M etabliert werden – beispielsweise Videosprechstunde, eKonsil oder eAnamnese. Uns ist wichtig, dass diese Anwendungen die Abläufe im Alltag von Ärztinnen und Ärzten vereinfachen.

Wie funktioniert der TI-M? Und wie können Praxen und Kliniken ihn in ihre jeweiligen Arbeitsprozesse integrieren?  

Marie Ruddeck: Der TI-M sieht aus wie andere bekannte Kurznachrichtendienste, die wir täglich nutzen. Anders als andere Messenger basiert er mit dem Matrix-Protokoll auf einem technischen Standard, der ein Chatten zwischen anderen Messengern erlaubt. Im Unterschied zu KIM besteht beim TI-M keine Abhängigkeit zu Konnektoren. Nach der Einrichtung eines Accounts funktioniert die Übermittlung der Nachrichten vollständig über das Internet.

Die Integration in Arbeitsprozesse ist höchst individuell und sollte unbedingt innerhalb des jeweiligen Praxisteams bzw. Abteilungen oder Stationen besprochen werden. Dazu macht die gematik keine Vorgaben. Allerdings machen wir aus dem Fachteam auf unseren Hospitationen die Erfahrung, dass sich ein Messenger einfacher in die Arbeitsprozesse integrieren lässt, wenn er in das jeweilige Praxisverwaltungs- bzw. Krankenhausinformationssystem eingebunden ist.

Ist der Austausch vertraulicher Patientendaten über den TI-M sicher?

Timo Frank: Ja, der Austausch von Patientendaten über den TI-M ist sicher. Selbst die Bundeswehr nutzt übrigens die dem TI-M zugrundeliegende Technik. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung macht den vertraulichen Versand möglich. Zudem sind alle Nutzerinnen und Nutzer des TI-M vollständig authentifiziert. Wir als gematik stellen außerdem im Rahmen des Zulassungsprozesses an alle Anbieter sehr hohe Sicherheitsanforderungen, welche die Vertraulichkeit von Patientendaten gewährleisten. Damit ist der TI-M schon wesentlich besser für die Übermittlung von sensiblen Angaben geeignet als Telefon, Fax, DVDs oder herkömmliche E-Mails. Man munkelt, dass hier und da auch andere Messenger zum Austausch von Patientendaten genutzt werden, die keine der oben genannten Sicherheitsanforderungen erfüllen. Ich bin überzeugt, dass wir mit dem TI-M in puncto Vertraulichkeit bestens aufgestellt sind.

Welche konkreten Vorteile hat die Nutzung des TI-M für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte?

Marie Ruddeck: Der größte Vorteil ist aus meiner Sicht, dass der TI-M unglaublich einfach zu nutzen ist. Bisher gab es keine Anwendung der TI, die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte mobil nutzen können, beispielsweise von zuhause aus oder während eines Hausbesuchs. Das ändert sich durch den TI-M. Neben dem mobilen Zugriff bietet er zudem einen handlicheren Umgang mit dem TI-Adressbuch, als es noch bei KIM der Fall war. Dort gab es mit dem „Verzeichnisdienst“ beim Versand von eArztbriefen oder Befunden über KIM ein erhebliches Problem. Wir haben aus diesen Erfahrungen gelernt. Zum einen ist die Handhabung über ein Smartphone wesentlich intuitiver. Kontakte lassen sich schneller finden. Zum anderen können Nutzerinnen und Nutzer durch individuelle Postfächer ihre Erreichbarkeit besser steuern. Darüber hinaus sind Funktionen wie Filteroptionen und eine geografische Suchfunktion anvisiert.

Mitte 2025 ist die Integration des TI-M in die elektronische Patientenakte (ePA) geplant. Versicherte sollen sich dann über den TI-M mit Heilberuflern und Kostenträgern austauschen können. Ebenso sollen Videosprechstunden über den TI-M möglich werden. Welche Auswirkungen wird dies auf die Patientensteuerung und die Arzt-Patienten-Kommunikation haben?

Timo Frank: In der Arzt-Patienten-Kommunikation kommt Zeit leider häufig zu kurz. Um Zeit freizuräumen, ist es aus meiner Sicht dringend nötig, dass Patientinnen und Patienten zielgerichteter durch die Versorgungsprozesse geleitet werden. Bislang wird versucht, durch ökonomische Anreize zu steuern, etwa mittels Praxis­gebühr, Neupatientenregelung oder Hausarztvermittlungsfälle. Solche Anreize führen entweder zu Frust bei Patientinnen und Patienten oder gar zu gegenteiligen Effekten – beispielsweise, wenn die Menschen dann keinen Termin erhalten und eine Notaufnahme aufsuchen.

Marie Ruddeck: Der TI-M könnte zukünftig ein geeignetes und einfaches Werkzeug zur Unterstützung der Patientensteuerung sein. Die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten ist dank eines Messengers sehr flexibel und zeitsparend. So können Praxen beispielsweise Broadcast-Nachrichten zu Öffnungszeiten oder Urlaubszeiten versenden. Patientinnen und Patienten können individuell an Vorsorge-Termine, eine Verlaufskontrolle oder das Vorbeibringen der Versichertenkarte erinnert werden. Eine niedrigschwellige Erreichbarkeit der Praxis per Messenger kann auch unnötige Praxisbesuche und Warteschlangen reduzieren.

Der Deutsche Ärztetag hat in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert, dass Anwendungen der gematik ohne ausreichende Erprobung in die Versorgung überführt worden seien. Wie wollen Sie eine reibungslose Integration des TI-M in die ePA und den Praxisbetrieb sicherstellen?

Timo Frank: Eine konstruktive Auseinandersetzung zu den TI-Anwendungen mit den Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, ist auch uns in der gematik wichtig. Wir stehen deshalb im ständigen Austausch nicht nur, aber gerade auch mit der Ärzteschaft. Inzwischen hat die gematik in Hamburg und Franken Modellregionen etabliert. In diesen wird die Weiterentwicklung bestehender und die Einführung neuer Anwendungen unter realen Bedingungen erprobt. Daran sind unter anderem auch etliche Arztpraxen und Krankenhäuser beteiligt. Auch den TI-M erproben wir natürlich dort vor Ort. Erfahrungsberichte aus Hamburg liegen bereits vor (Stand: November 2024). Die Rückmeldungen der Teilnehmenden hatten sogar sehr kurzfristig Einfluss auf das Produkt, da der entsprechende Hersteller des getesteten TI-M eng eingebunden worden ist. Wir werden auf unserer Webseite auch den Abschlussbericht öffentlich zur Verfügung stellen. Eine Besonderheit für uns als Produktmanagende war es, dass wir im Rahmen der Erprobung direkte Rückmeldungen von einzelnen Praxen, Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Apotheken und weiteren Heilberufen erhalten konnten. Die Haupterkenntnis für mich ist, dass die Überführung des TI-M in die Versorgung nicht durch eine Verpflichtung der Nutzerinnen und Nutzer möglich ist.

Marie Ruddeck: Die reibungslose Integration in den Praxisbetrieb funktioniert nur dann, wenn der TI-M in der ePA einen konkreten Mehrwert für die Arbeitsabläufe stiftet. Interessanterweise sehen wir diese Mehrwerte bereits heute vereinzelt bei Patienten-Apps, die einige Praxisverwaltungssysteme für Ärztinnen und Ärzte anbieten. Über diese Apps werden per Messenger bereits heute Medikamente bestellt, Termine gebucht oder Videosprechstunden durchgeführt. Solche Angebote können die Praxisorganisation enorm erleichtern, vor allem eingehende Telefonate durch eine asynchrone Kommunikation reduzieren.

Last but not least: Die freiwillige Nutzung ist eine Chance, da TI-M durch seine Mehrwerte überzeugen kann. Aus unserer Sicht wären zusätzliche finanzielle Anreize für die Nutzung wünschenswert, denn der Erfolg des TI-M hängt von seiner Verbreitung ab. Schließlich wäre das Faxgerät ohne seine hohe Verbreitung auch nicht so erfolgreich. Erst durch die Erreichbarkeit aller Kommunikationspartner im direkten Einzugs­gebiet wird der Mehrwert erfahrbar. Unser Credo ist: Probieren Sie TI-M einfach aus. Am besten in Ihrem Netzwerk.

Die Fragen stellte Florian Wagle (BLÄK)

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