Facettenreiche Fortbildung beim BFK 2015

Reanimationstraining

Anfang Dezember fand in Nürnberg der Bayerische Fortbildungskongress (BFK) 2015 statt. Angeboten wurden Seminare und Workshops zu den Themen Organspende, Krankenhaushygiene, Notfalltraining für Praxisteams, Fahrerlaubnisverordnung, Sonografie und das Suchtforum „Essstörungen“. Beim „Forum Medizin“ wurden weitere aktuelle Medizinthemen diskutiert.


Organspende für Transplantationsbeauftragte

Rund 25 Ärztinnen und Ärzte, vor allem Chirurgen, Anästhesisten und Intensivmediziner, besuchten das Seminar für den Transplantationsbeauftragten Arzt. Seit Novellierung des Transplantationsgesetzes im Jahr 2012 muss jedes Entnahmekrankenhaus einen Transplantationsbeauftragten als professionell Verantwortlichen bestellen. Dr. Dipl.-Biol. Thomas Breidenbach, Geschäftsführender Arzt der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), sprach über die aktuelle Situation der Organspende. Im Vergleich zum vergangenen Jahr gebe es einen leichten Anstieg bei den Organspenden. Trotzdem stünden immer noch zu wenige Spender zur Verfügung. Derzeit warten etwa 11.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Breidenbach erläuterte die Rolle der DSO, die für die Klärung der Spendereignung, die Unterstützung der jeweiligen Krankenhäuser und für die gesamte Begleitung des Organspendeprozesses zuständig sei. „Aufgabe der DSO ist es dabei nicht, Werbung für die Organspende zu machen“, machte Breidenbach klar. Hierfür sieht er die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in der Pflicht. Die DSO begleite die gesamte Organ- und Spendercharakterisierung mit dem Ziel, die gesundheitlichen Risiken für Empfänger zu minimieren. „Die Spender sind heute immer älter und sind unter Umständen auch kränker, was mehr Untersuchungen erforderlich macht“, erläuterte er. Mit den neuen Richtlinien zur Hirntoddiagnostik (HTD), die seit März 2015 gelten, seien die diagnostischen Anforderungen im Kontext einer postmortalen Organ- oder Gewebespende verschärft worden. Dies trage zu einer erhöhten Sicherheit bei, allerdings seien die geforderten Qualifikationen, die Ärztinnen und Ärzte im Zuge der HTD und einer möglichen Organentnahme vorweisen müssten, nicht von allen Krankenhäusern zu leisten.

Breidenbach betonte die Wichtigkeit des Angehörigengespräches. Hierbei gehe es darum, den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen herauszuarbeiten und die entscheidungsbefugten Personen bei einer stabilen Entscheidungsfindung zu begleiten. Alexandra Greser, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Ärztliche Koordinatorin der DSO in Nürnberg, berichtete über die Erfahrungen mit Angehörigengesprächen. Die DSO bietet für solche Gespräche Koordinatoren an, die diese Gespräche mit den Familien übernehmen. Angehörigengespräche seien bei Ärztinnen und Ärzten häufig nicht so beliebt. Es gebe andererseits immer öfter Angehörige, die ein solches Gespräch führen möchten, da zum Beispiel über eine Organspende innerhalb der Familie schon gesprochen wurde. Nach einer Umfrage der BZgA aus dem Jahr 2013 ist in über 60 Prozent der Fälle der Wille des Verstorbenen zum Thema Organspende nicht bekannt. Ein wichtiges Ziel bei einem Entscheidungsgespräch mit Angehörigen müsse sein, dass sich die Angehörigen mit der getroffenen Entscheidung „gut“ fühlen. Es gebe keinen „richtigen“ Zeitpunkt, um mit den Angehörigen über eine Organspende zu reden. Viele Familien würden gerne bereits vor einem festgestellten Hirntod darüber sprechen. Entscheidend sei die Art und Weise, wie man das Gespräch gestaltet. Dabei herrsche beim Thema Hirntod viel Unsicherheit. Die Angehörigengespräche sollten offen und ohne Zeitdruck geführt werden. Es sei ratsam, ein schnelles „Ja“ oder „Nein“ der Angehörigen zu hinterfragen. Wut und Aggressionen seien im Rahmen des Trauerprozesses normal. Das sollte man zulassen und nicht persönlich nehmen. Selbstverständlich seien auch eigene Emotionen erlaubt. Empathie und Respekt seien für solche Gespräche unerlässlich. Am Gesprächsende sollte eine stabile Entscheidung stehen. Die DSO-Koordinatoren stehen den Angehörigen auch nach einer Organtransplantation auf Wunsch zur Seite.

Weitere Schwerpunkte dieses Seminars waren unter anderem die Spendererkennung und Fallbeispiele, ethische Aspekte der Organspende sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Organspende und die Rolle der Transplantationsbeauftragten.

Essstörungen, Komorbiditäten und Stigmata


Viele interessierte Zuhörer beim 14. Suchtforum zum Thema „Essstörungen“.

Das 14. Suchtforum stand unter dem Motto „Zwischen Genuss, Frust und Kontrollverlust – Essstörungen als ‚gewichtige‘ Herausforderung einer Konsumgesellschaft?!“ Professor Dr. Dr. phil. Dr. rer. pol. Felix Tretter, Vorstand der Bayerischen Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis BAS e. V., kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost, verwies auf die zunehmenden Komorbiditäten, wie zum Beispiel Diabetes oder Hypertonie, die Essgestörte aufwiesen. So griffen Suchterkrankungen und Essstörungen häufig ineinander. Entscheidend sei, über welche Kontrollmechanismen eine Person verfüge. Wichtig sei es, Essgestörte gesamtheitlich zu untersuchen, also ihre jeweiligen Lebensbedingungen, das soziale Umfeld, den physischen und psychischen Gesundheitszustand zu analysieren.

Dr. Christoph Gruber, Psychosomatische Klinik Windach, referierte über die „süchtige Essstörung“, worunter er Bulimie und Magersucht zusammenfasste. Die Prävalenz dieser Essstörungen habe sich in den vergangenen Jahren nicht verändert, vielmehr würden derartige Erkrankungen in der Gesellschaft bewusster wahrgenommen, identifiziert und behandelt. Beiden eigen sei eine verminderte Kontrollfähigkeit, die Vernachlässigung anderer Interessen, Verheimlichen und Leugnen bestimmter Gewohnheiten. Ernst zu nehmen sei auch die steigende Anzahl von Adipösen in Deutschland. „Fast ein Viertel aller Männer und Frauen in Deutschland sind adipös“, so Gruber. Problematisch sei auch die zunehmende Stigmatisierung, mit der Übergewichtige heute konfrontiert seien. Gruber warnte davor, Menschen mit Übergewicht leichtfertig zu verurteilen und allein einen nachlässigen Lebensstil ursächlich für Adipositas zu sehen.

Margit Schlenk, Fachapothekerin für Offizinpharmazie aus Neumarkt in der Oberpfalz, hielt einen Vortrag über Schlankheitspillen. Sie warnte vor einem leichtfertigen Umgang mit den Medikamenten, vor Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Universitätsprofessor Dr. Hans Hauner, Klinikum rechts der Isar, Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin München, sprach in seinem Referat über Adipositas und Binge-Eating. Er warnte vor einem zunehmenden Anstieg von Adipositas, vor Komorbidität und steigenden Kosten für das Gesundheitssystem.

Professor Dr. rer. nat. Tanja Legenbauer, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, LWL Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Uni-Bochum, referierte über psychotherapeutische Ansätze bei Essstörungen. Neben der Wissensvermittlung über günstige Ernährungsweisen betonte Legenbauer wie wichtig es sei, impulsives Essverhalten kontrollieren zu lernen. Mit Achtsamkeitsübungen, Selbstbeobachtungen und einem Training der Impulskontrolle könne man die Auslösefaktoren für das Essverhalten erkennen.

 
Dr. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der BLÄK, sprach über die Bedeutung der Prävention beim 14. Suchtforum in Nürnberg.

Die Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), Dr. Heidemarie Lux, betonte in ihrem Schlusswort die Bedeutung der Prävention. Das Präventionsgesetz sei ein Ansatz, Prävention mehr in Lebenswelten wie Schule und Familie zu verankern, so Lux.

Forum Medizin

Einen bunten Strauß an Themen hörten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Medizinforums, das am zweiten Kongresstag stattfand. Dr. Elisabeth Wentzlaff, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin aus Nürnberg, sprach über psychosomatische Störungen. Sie mahnte zu einem ganzheitlichen Blick auf Patienten, verwies auf die Wichtigkeit einer genauen Anamnese und körperlichen Untersuchung, um die Ursachen von psychosomatischen Beschwerden herauszufinden. In 80 Prozent der Fälle sei eine Diagnosestellung hierdurch möglich. Langfristig müsse man die Patientinnen und Patienten dazu bringen, ihre Lebensgewohnheiten verändern zu wollen. So seien die gemeinsame Suche nach Bewältigungsstrategien und die Stärkung von persönlichen Ressourcen die geeigneten Therapieansätze. Auch sollten Belastungen durch Arbeit oder durch das soziale Umfeld nach Möglichkeit eingedämmt werden. Bei schweren Verläufen psychosomatischer Beschwerden seien weitere Behandler und gegebenenfalls ein Aufenthalt in einer Tagesklinik denkbar. „Den Fokus gilt es nicht auf die Beseitigung der Schmerzen zu legen, sondern auf die Bewältigung“, so Wentzlaff.

Dr. Viktor Herlitz, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Klinikum Nürnberg Nord, hielt einen Vortrag über Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter. Krankheiten bei Kindern sollten nicht als statische Momentaufnahme gesehen werden. Hingegen sei die Familienhistorie jeweils in die Anamnese miteinzubeziehen. Er berichtete, dass Eltern oftmals Schwierigkeiten hätten zu akzeptieren, dass ihre Kinder psychische oder körperliche Störungen hätten, weil das perfektionistische Denken in der heutigen Gesellschaft immer verbreiteter sei.


Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK, referierte über die Ärztliche Schweigepflicht beim Forum Medizin.

Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK, hielt einen Vortrag über die Ärztliche Schweigepflicht und ging dabei auf aktuelle Ereignisse und Gesetzesvorlagen des Jahres 2015 ein. Hierzu stellte er zunächst die gesetzlichen Regelungen zur ärztlichen Schweigepflicht vor, wonach § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) die Verletzung von Privatgeheimnissen und § 9 der Berufsordnung (BO) die Schweigepflicht regelt und Angehörigen eines Heilberufs das Offenbaren von Geheimnissen verbietet. Die BO erlaubt dem Arzt jedoch die Offenbarung von Privatgeheimnissen, sofern dies zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist. Auch bei meldepflichtigen Krankheiten gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz oder gemäß Artikel 14 des Gesundheits- und Verbraucherschutzgesetzes, zum Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie bei Kindeswohlgefährdung, § 4 Kinderschutzgesetz, kann die Schweigepflicht aufgehoben werden. Insbesondere verwies er auf § 34 StGB (rechtfertigender Notstand), der ebenso eine Aufhebung der Schweigepflicht erlaubt. Kaplan sieht trotz der Diskussion über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht angesichts des Absturzes der Germanwings-Maschine im März 2015 keinen rechtlichen Handlungsbedarf. So erlaubten die bisherigen Regelungen bereits eine Auskunft an Dritte, sofern es um die Gefahrenabwehr bei Leben, Leib oder Eigentum geht. „Das vertrauensvolle Patienten-Arzt-Verhältnis ist ein hohes Gut, das nicht durch eine weitere gesetzliche Regelung angegriffen werden darf“, betonte Kaplan. Zum geplanten E-Health-Gesetz, das voraussichtlich zum 1. Januar 2016 in Kraft tritt, äußerte Kaplan Kritikpunkte, insbesondere bezüglich des Datenschutzes. So müsse die elektronische Signatur Voraussetzung für eine rechtssichere und elektronische Kommunikation sein. Auch müsse es Nachbesserungen bezüglich der Zugriffsrechte auf den Notfalldatensatz geben sowie bei der Einführung einer elektronischen Patientenakte. Beim Punkt Telemedizin, die einen ebenso sensiblen Umgang mit Patientendaten erfordere, mahnte Kaplan, dass bei aller Kooperation mit Gesundheitsberufen die Indikationsstellung, die Diagnose und Therapieverordnung beim Arzt bleiben müsse. „Der technisch-medizinische Fortschritt ermöglicht uns einen immer größeren Austausch“, begrüßte Kaplan, betonte jedoch: „Im Kern sollte es bei jeder medizinischen Behandlung darum gehen, der Achtung der Persönlichkeit, des Willens und den Rechten des Patienten nachzukommen.“

Weitere medizinische Themen des Forums waren das Restless-Legs-Syndrom und Neues in der Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Professor Dr. Michael Pfeifer, Facharzt für Innere Medizin, Chefarzt der Klinik Donaustauf, warnte davor, bei einer COPD Inhalationsgeräte aus der Apotheke zu verwenden, ohne sich vorher gezielt von einem Arzt beraten zu lassen. Dr. Rainer Stange, Internist, Leitender Arzt der Abteilung für Naturheilkunde, Immanuel Krankenhaus Berlin, sprach in seinem Vortrag über Naturheilverfahren. Er erläuterte, welche Rolle eine gesunde Ernährung zur Vorbeugung von Krankheiten spielen kann, sprach über Achtsamkeitsübungen und der positiven Wirkung der Mittagsruhe. Dr. Florian Schuch, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, hielt einen viel beachteten Vortrag über rheumatoide Beschwerden. Anhand von vier Fällen aus dem Alltag zeigte er die diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen auf. Schuch ging insbesondere auf den Einsatz von Steroiden und Biologika ein.

Spannende Themen gab es ebenso in der Nachmittags-Session. So referierte Dr. Christiane Groß, M. A., Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, zu Aspekten zur Gender-Medizin mit „Männer leiden – Frauen sterben“ und Dr. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borrelien, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), hielt einen aktuellen Vortrag mit dem Titel: „Wenig bekannte, bedeutende Erkrankungen bei Asylbewerbern – Läuserückfallfieber“.

Fahrerlaubnisverordnung

In einem ganztägigen Workshop berichteten Experten über aktuelle Entwicklungen bei Begutachtungen gemäß der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Das ärztliche Gutachten soll in diesem Fall klären, ob ein Verkehrsteilnehmer trotz einer bestehenden Erkrankung oder eines Mangels ein Fahrzeug noch sicher führen kann. Aufklärungsbedarf gebe es beim Umfang eines Gutachtens. Hier sei genau darauf zu achten, welche Fragen der Auftraggeber, zum Beispiel die Führerscheinbehörde, stelle. Es bestehe sonst die Gefahr, ein sogenanntes „überschießendes Gutachten“ zu erstellen, wenn Fragen beantwortet werden, die gar nicht gestellt wurden. Der Gutachter soll immer daran denken, dass er nicht der behandelnde Arzt ist. Ein Gutachter benötige solide fachmedizinische Kenntnisse und rechtliche Grundkenntnisse. Das Gutachten müsse medizinischen Laien eine Entscheidungsgrundlage bieten, gefordert sei ein hohes Maß an gedanklicher und sprachlicher Disziplin.

Professor Dr. Norbert Wodarz, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinik für Psychiatrie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg, referierte über Neuerungen und Schwierigkeiten im Hinblick auf die Begutachtung der Fahreignung bei Konsum von Drogen, Alkohol und psychotropen Medikamenten. Gutachter seien nicht die Fürsprecher der Probanden und sollten sich immer vor Augen halten, dass sie „Anwälte der Allgemeinheit“ seien. Begründete Zweifel gingen deshalb zu Lasten der Probanden. Bei einer Alkoholabhängigkeit müsse nach einer stationären oder ambulanten Entwöhnungstherapie eine Abstinenzzeit von einem Jahr eingehalten werden. Nur in besonders günstigen Fällen könne die Therapiephase, mit einer Dauer bis zu sechs Monaten, mit eingerechnet werden. Dies müsse im Gutachten begründet werden. Diese einjährige Abstinenzzeit sei vorgeschrieben, da die Rückfallquote im ersten Jahr am höchsten sei. Die meisten Rückfälle gebe es bereits innerhalb der ersten vier Monate. Bei Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG), außer Cannabis, führe bereits der erstmalige und einmalige Konsum zum Entzug der Fahrerlaubnis. Zur Wiedererlangung ist eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) notwendig. Ärztlich verordnete Medikamente, wie zum Beispiel Antidepressiva, erhöhten in der Regel die Verkehrssicherheit. Damit sollen krankheitsbedingte Beeinträchtigungen ausgeglichen werden. Das gelte nicht für die Einstellungsphase. Probleme können der unsachgemäße Gebrauch und eine falsche Dosierung durch den Patienten sein.

Workshop Notfalltraining

Theoretisches Wissen und praktische Übungen gab es in zwei Workshops zum Thema Notfalltraining für Praxisteams, Ärzte und Medizinische Fachangestellte (MFA). Besonderer Wert wurde von den Notärzten Privatdozent Dr. Michael Reng von der Goldberg-Klinik Kelheim, Klaus Friedrich vom Arbeitsmedizinischen Dienst der Bereitschaftspolizei Nürnberg und Dr. Rainer Schua, Leitender Medizinaldirektor bei der Regierung von Unterfranken, darauf gelegt, dass sich Notärzte und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auf Augenhöhe begegnen. Ein Notarzt denke anders als ein Hausarzt. Probleme träten weniger in der Patientenversorgung, sondern bei der Aufgabenverteilung auf. Ein weiteres Problem sei der Einsatz von Notärzten in Fällen, die eigentlich vom Hausarzt bzw. vom Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) erledigt werden könnten. Mit ca. 230 Notarztstandorten in Bayern wird das Rettungswesen, das eine öffentliche Aufgabe ist, organisiert. Die erste Integrierte Leistelle (ILS) in Bayern wurde 2007 eröffnet. 26 ILS sorgen heute bayernweit für eine Abdeckung in der Fläche. Der Notarzt sei jederzeit zur Unterstützung des Hausarztes da. Er sei aber kein Ersatz für den Hausarzt oder einen Hausbesuch. Der Hausarzt sei eine hervorragende Hilfe für den Notarzt, da er die Patienten und das persönliche Umfeld kenne. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat einen Indikationskatalog für den Notarzteinsatz veröffentlicht (www.baek.de). Unter Bezug auf den Patientenzustand und notfallbezogen werde damit Klarheit bezüglich der ärztlichen Kompetenzen in der prästationären Notfallversorgung geschaffen.

Gerade in einer Arztpraxis sollte man gut auf einen medizinischen Notfall vorbereitet sein. Eine professionelle Abwicklung werde von den Patienten erwartet. Bereits bei der Meldung eines Notfalls an die Notrufnummer 112 sollten die fünf „W“´s berücksichtig werden: Wer ruft an? Was ist passiert? Wo ist es passiert? Wie viele sind betroffen? Warten, bis die Leitstelle den Anruf beendet. Tipp für die Praxis: Einen Notruftext mit individuellen Adressdaten vorbereiten und beim Telefon für den Notfall deponieren. Bei großen oder unübersichtlichen Gebäuden sollte ein Mitarbeiter den Rettungsdienst bei der Eingangstür erwarten und einweisen. Die anderen Patienten im Wartezimmer kurz über die Notfallsituation und etwaige Verzögerungen informieren und möglichst die Wartezimmertür schließen. Idealerweise sollte eine Notfallsituation in der Arztpraxis mit allen Mitarbeitern geübt werden. Wichtig sei auch eine klare Rollenverteilung, wer welche Aufgaben im Notfall übernimmt. Eine Mitarbeiterin könnte zum Beispiel bis zum Eintreffen des Notarztes bereits relevante Krankenunterlagen des Patienten kopieren.


Reanimationstraining beim Workshop „Notfalltraining für Praxisteams, Ärzte und MFA“.

Der Notfallpatient sollte möglichst an einer vorher vereinbarten Stelle in der Praxis in eine stabile Seitenlage gebracht werden. Studien haben belegt, dass bei einer Reanimation eine Herzdruckmassage am effektivsten sei. Eine zusätzliche Beatmung bringe in der ersten Phase keine größeren Erfolgsaussichten. Bei einem reaktionslosen Patienten sollte man das Bewusstsein prüfen, zum Beispiel durch einen Schmerzreiz, die Atemwege und die Atmung prüfen und dann mit der kardiopulmonalen Reanimation beginnen. Mit dem Rhythmus „30 mal drücken und dann zwei mal beatmen“ (30:2) solange fortsetzen, bis ein Defibrillator eingesetzt werden kann oder der Notarzt kommt. Nach fünf Durchgängen soll der Herzrhythmus kontrolliert werden. Die Herzdruckmassage nicht unterbrechen, bis das Herz wieder eigenständig schlägt. Die Druckfrequenz soll 100 pro Minute betragen, wobei der Brustkorb ca. fünf Zentimeter eingedrückt werden soll. Mit dem Rhythmus von „Highway to Hell“ der Rockgruppe AC/DC oder etwas softer mit „Stayin‘ Alive“ von den Bee Gees liegt man bei rund 100 pro Minute. Nach fünf Durchgängen sollte man sich abwechseln.

Aggressive Patienten oder Angehörige können in einer Praxis unangenehme und gefährliche Situationen schaffen. 98 Prozent aller Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen erlebten 2012 laut einer Umfrage mindestens einmal im Jahr Formen verbaler Gewalt. Bei 59 Prozent kam es zu Gewalt gegenüber den Rettungskräften. Der Schritt zu körperlicher Gewalt mit Spucken, Beißen, Kratzen, Schlagen, Treten oder Wegschubsen sei schnell getan. Bei Hausbesuchen sollte das persönliche „Gefahrenradar“ eingeschaltet und die Lage vor Ort kurz abgecheckt werden. Bei Aggressionen sollte man versuchen, den Angreifer zu beruhigen, selbst die Ruhe bewahren, eine gewisse körperliche Distanz aufbauen und seine Hände offen zeigen. Hilfreich sei auch, den Aggressor mit Namen anzusprechen. Keinesfalls sollte man auf die Person zugehen oder nach der Täterwaffe greifen. Für spätere Gerichtsverfahren sei eine möglichst detaillierte Dokumentation hilfreich.

 

 

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