Geriatrie – highlighted

Geriatrie - highlighted

Mit steigender Lebenserwartung gewinnt die Altersmedizin an Bedeutung. Um den besonderen Bedürfnissen des alten Menschen mit Multimorbidität und erhöhtem Risiko von Funktions- und Fähigkeitsstörung mit der Gefahr bleibender Behinderung und Pflegebedürftigkeit gerecht zu werden, wurden in Bayern zahlreiche Akutgeriatrien eröffnet.

Zentren für Akutgeriatrie und Frührehabilitation übernehmen geriatrische Patienten (älter als 70 Jahre und multimorbid, oder älter als 80 Jahre) direkt aus dem Notfallzentrum, nach Einweisung vom Hausarzt oder zur Weiterbehandlung, Diagnostik und Frührehabilitation nach Intensivaufenthalten oder Operationen. Ziel der Behandlung ist neben einer altersgerechten Therapie der bestmögliche Erhalt der Selbstständigkeit und die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit.

Fall 1: Ausgeprägte (112 mmol/l), symptomatische Hyponatriämie – ein typisch geriatrischer Notfall

Anamnese

Ein 87-jähriger Patient wurde vom Notarzt wegen Verschlechterung des Allgemeinzustandes in die Notaufnahme gebracht. Der Patient war mehrfach gestürzt und seit einigen Tagen nicht mehr gehfähig. Er sei müde, verlangsamt, verwirrt und desorientiert, außerdem klagte er über Rückenschmerzen, Schwindel und Übelkeit.

Fremdanamnestisch sei der Patient bis vor drei bis vier Wochen kognitiv voll leistungsfähig, selbstständig ohne Hilfsmittel mobil gewesen und eigenständig in die Stadt gefahren. Er lebt mit seiner Ehefrau im Eigenheim, ohne fremde Unterstützung, ohne Pflegegrad.

An Vorerkrankungen sind eine chronische Niereninsuffizienz, paroxysmales Vorhofflimmern (keine Antikoagulation), eine Sigmadivertikulose sowie eine Motilitätsstörung des Ösophagus bekannt.

Medikation bei Aufnahme: Metoprolol succinat 47,5 mg 1-0-1, Amiodaron 100 mg 1-0-1; Hydrochlorothiazid 12,5 mg 1-0-0, Acetylsalicylsäure 100 mg 1-0-0; Eplerenon 25 mg 1-0-0, Bisacodyl 10 mg 1-0-0.

Diagnostik, Therapie und Verlauf

Bei Aufnahme zeigte sich ein schwacher, 87-jähriger, wacher, unscharf orientierter Patient mit milden Exsikkosezeichen (gefurchte Zunge, rissige Lippen, trockene Haut), sonst unauffälligem internistischem Untersuchungsbefund ohne Hinweis auf periphere Ödeme. Puls 96/min, Temperatur 36,4 °C, Atemfrequenz 12/min, Sättigung bei Raumluft 96 Prozent. EKG: Sinusrhythmus, AV-Block 1. Grades, keine Erregungsrückbildungsstörungen.

Laborchemisch fand sich eine ausgeprägte Hyponatriämie (112 mmol/l; Norm 136 bis 145 mmol/l), bei grenzwertigem Serum Creatinin (1,3 mg/dl; Normwert: 0,7 bis 1,2 mg/dl) und leicht reduzierter GFR (50 ml/min; Norm > 60 ml/min), ein leicht erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) (20 mg/l; Norm bis 5 mg/l) und eine milde, normochrome, makrozytäre Anämie (Hb 12,8 g/dl; Norm 13,5 bis 17,5 g/dl).

Das cranielle Computertomogramm (CT) ergab bis auf eine globale Substanzminderung keinen Hinweis auf eine akute cerebrale Affektion.

Bei zunehmender Vigilanzminderung erfolgte eine intensivmedizinische Überwachung. Unter kontrollierter intravenöser Substitution von Natrium zeigte sich eine sukzessive Verbesserung des Allgemeinzustandes mit adäquatem Anstieg des Serumnatriums, sodass der Patient nach drei Tagen mit einem Serumnatrium von 124 mmol/l auf Normalstation in die Akutgeriatrie verlegt werden konnte.

Bei Übernahme war der Patient wach, hatte aber eine Amnesie für die letzten Tage vor und während des Krankenhausaufenthaltes. Er war insgesamt sehr schwach (Barthel-Index 15/100), nicht gehfähig (Timed-up-and-go-Test [TUG] nicht durchführbar), niedergestimmt (Geriatric-depression-Scale [GDS] 7) und zeigte kognitive Einschränkungen (Mini Mental Status [MMS] 23/30). Die Bereiche des geriatrischen Assessments sind in Tabelle 1 dargestellt. In der logopädischen Schluckdiagnostik fand sich ein auffälliger Wasserschlucktest mit Verdacht auf laryngeale Penetration und ein Verschlucken mit Husten bei Nahrungsaufnahme.

Bei ansteigenden Entzündungsparametern (CRP bis 41 mg/l; Norm < 5 mg/l) und röntgenologischem Verdacht auf pneumonisches Infiltrat wurde eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Ampicillin/Sulbactam intravenös begonnen, hierunter waren die Entzündungsparameter rasch rückläufig.

Bei erniedrigter Osmolalität im Serum (248 mosm/kg; Norm 275 bis 300 mosm/kg), Hypourikämie (2,9 mg/dl; Norm 3,5 bis 7,2 mg/dl), Hypo- bis Euvolämie, einer mit 325 mosm/kg normalen Urin-Osmolalität (Norm 300 bis 1.400 mosm/kg) und mit 70,8 mmol/l normalem Natrium im Urin (Norm 64 bis 172 mmol/l) lag der Verdacht auf ein Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) nahe. Cortisol, ACTH, TSH basal sowie fT3 und fT4 waren normwertig.

Bei massiv erhöhtem Ferritin (3.409 µg/l; Norm 22 bis 275 µg/l) und erhöhter LDH (366 U/l; Norm 125 bis 220) erfolgte zum Ausschuss einer paraneoplastischen Hyponatriämie ein Tumorscreening. Erfreulicherweise ergaben sich weder im Thorax-CT, noch in der Abdomensonografie, der Gastroskopie oder der partiellen Koloskopie Hinweise auf eine Neoplasie. Das erhöhte Ferritin war im Verlauf rückläufig.

Unter der Annahme einer HCT- (Hydrochlorothiazid) und Eplerenon-assoziierten Hyponatriämie wurde die bestehende Medikation pausiert. Bei unauffälliger Echokardiografie mit intakter linksventrikulärer Pumpfunktion bestand formal keine Indikation für eine Herzinsuffizienztherapie. Es wurde auf die Gabe von Diuretika verzichtet und die Trinkmenge auf 1,5 Liter pro Tag beschränkt sowie oral Natrium zugeführt. Damit konnte unter engmaschiger Kontrolle das Serumnatrium über zwei Wochen bis auf 130 mmol/l gesteigert werden. Die Vigilanz, die kognitive Leistungsfähigkeit, Stimmung und Motorik besserten sich zusammen mit dem Allgemeinzustand darunter kontinuierlich.

Die, bei immobilisierenden Rückenschmerzen und Zustand nach häuslichen Stürzen durchgeführte CT von Brust- und Lendenwirbelsäule zeigte, neben einer alten, vorbekannten BWK 12 Fraktur eine subakute Deckplattensinterung LWK 3 ohne Hinterkantenbeteiligung oder Spinalkanaleinengung (Abbildung 1). Nach dem WHO-Stufenschema wurde die Schmerztherapie mit Metamizol um Tapentadol ergänzt, dadurch kam es zu einer Schmerzlinderung und der Patient konnte aktiv an den Therapien teilnehmen.

Im Rahmen des multimodalen frührehabilitativen Behandlungskonzeptes erhielt der Patient regelmäßig Krankengymnastik, physikalische Maßnahmen, Ergotherapie und Logopädie. Dadurch konnte eine deutliche Verbesserung von Kraft und Beweglichkeit erreicht werden. Das Schlucken war wieder sicher und die Nahrungsaufnahme eigenständig möglich. Vor Entlassung war der Patient in der Lage, ohne Hilfe aus dem Bett aufzustehen und selbstständig im Zimmer und auf dem Gang sicher am Rollator zu gehen. Er konnte in deutlich gebessertem Allgemeinzustand (Barthel 70, TUG 40 s), nach Hilfsmittelanpassung, in sein gewohntes häusliches Umfeld entlassen werden. Die Entlassmedikation bestand aus Metoprolol, Amiodaron, Nitrendipin, ASS 100 (auf Patientenwunsch keine Antikoagulation) sowie Metamizol, Tapentadol und Magnesium.

Diskussion

Höheres Lebensalter ist ein unabhängiger Risikofaktor für Hyponatriämie, der häufigsten Elektrolytstörung. Während in der Allgemeinbevölkerung die Prävalenz der milden Hyponatriämie bei 1,7 bis 7,7 Prozent liegt, nimmt sie bei den > 75-Jährigen auf 11,6 Prozent zu [1]. Für Altenheimbewohner ist sogar eine Prävalenz von bis zu 18 Prozent und für Krankenhauspatienten von 16 bis 35 Prozent beschrieben [2, 3]. Hyponatriämie ist mit höherer Morbidität, Mortalität und längeren Krankenhausverweildauern assoziiert.

Die klinischen Symptome der Hyponatriämie reichen von leichten Aufmerksamkeitsstörungen bis hin zu Koma und Tod durch Atemstillstand oder Hirnödem mit Einklemmung. Der vorgestellte Patient präsentierte sich mit einer ausgeprägten, mittelschweren, chronischen Hyponatriämie (vergleiche Tabelle 2). Die im Rahmen der Stürze aufgetretene Wirbelfraktur ist als direkte Folge der Hyponatriämie zu sehen ebenso wie die beginnende Pneumonie am ehesten durch Aspiration bei muskulärer Schwäche und Vigilanzstörung entstanden ist.

Für die Diagnostik der Hyponatriämie ist die Beurteilung des Volumenstatus (Hypo-, Eu- oder Hypervolämie) sowie die genaue Anamnese der Begleiterkrankungen und der Medikamente (vergleiche Tabelle 5) wichtig. Laborchemisch müssen Natrium und Osmolalität im Serum und Urin bestimmt werden, Serum-Kreatinin, Harnstoff, Blutzucker sowie Serum-Kortisol und TSH nützen differenzialdiagnostisch (vergleiche Tabelle 3 und 4).


 

 

Der vorgestellte Patient präsentierte sich klinisch mit milden Exsikkosezeichen ohne periphere Ödeme, sodass er wegen der Schwere der Befunde notfallmäßig mit 0,9 prozentiger NaCl-Infusion behandelt wurde. Der initiale Anstieg des Serumnatriums nach Gabe von 0,9 prozentiger NaCl-Lösung spricht für eine (mit-)verursachende Hypovolämie. Der niedrige Serumnatriumwert bei niedriger Serumosmolalität und gleichzeitig normalen Natriumwerten und normaler Osmolalität im Urin legen jedoch den Verdacht auf eine Hyponatriämie im Rahmen eines Schwartz-Bartter-Syndroms (SIADH, Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) nahe (vergleiche Tabelle 4). Für einen entgleisten Diabetes, eine Nieren- oder Nebenniereninsuffizienz oder eine Hypothyreose ergab sich differenzialdiagnostisch kein Anhalt.

Das SIADH ist die häufigste Ursache der Hyponatriämie. Als Erstlinientherapie gilt die gezielte Suche und das Ausschalten des Auslösers – sehr häufig Medikamente (Tabelle 5). Thiazid-Diuretika sind, wie auch im beschriebenen Fall, die häufigste medikamentöse Ursache eines SIADH. Die Prävalenz wird auf 79 Prozent aller Frauen mit Hyponatriämie im Alter von 70 bis 74 Jahren geschätzt [4]. Absetzen oder reduzieren des verursachenden Medikaments können bereits hilfreich sein. In zweiter Linie wird eine Trinkmengenrestriktion und eine Kochsalzzulage (Brühe, Salzgebäck, gesalzene Nüsse) empfohlen. Auch wenn evidenzbasierte Daten zur Reduktion der Trinkmenge auf 0,8 bis 1,5 Liter/Tag fehlen, wird dieses Vorgehen in der Praxis häufig erfolgreich angewendet.

Bei Therapieversagen, wenn hyponatriämie-induzierende Medikamente unverzichtbar oder Trinkmengenbeschränkungen nicht umsetzbar sind, kommen als Drittlinientherapie Vaptane (Vasopressin-Antagonist – in Deutschland nur bei SIADH zugelassen) zum Einsatz. Damit können Natriumspiegel rasch korrigiert werden. Laut Leitlinie sollte der Natriumspiegel innerhalb von 24 Stunden um nicht mehr als 6 bis 8 mmol/l angehoben werden (Limit maximal 10 mmol/l) [5], bei zu schnellem Anstieg des Serumnatriums droht die Gefahr der zentralen pontinen Myelinolyse. Bei Älteren wird sogar nur eine Korrektur des Natriumspiegels um 5 mmol/l in 24 Stunden empfohlen [7, 8]. Deswegen muss die Einleitung einer Vaptantherapie unter stationären Bedingungen (sechsstündlichen Natriumkontrollen) erfolgen.

Im Jahr 2006 fand ein Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung der Hyponatriämie statt [8]. Es wurde gezeigt, dass bereits leichte, scheinbar asymptomatische Hyponatriämien (< 135 mmol/l) messbare Einschränkungen der Kognition und der Mobilität bewirken können [9]. Schon leichte Hyponatriämien begünstigen Stürze und Frakturen signifikant, und funktionelle Einschränkungen im geriatrischen Assessment sind belegt [10, 11]. Nach aktueller Literatur ist, vor allem beim SIADH, die vollständige Korrektur einer auch nur leichten Hyponatriämie anzuraten.

Fall 2: Somnolenz bei Überdosierung von transdermalem Fentanyl – ein abwendbarer gefährlicher Verlauf

Eine 96-jährige Frau wurde zuhause von ihrem Lebensgefährten somnolent aufgefunden. Beim Eintreffen des Notarztes war die Patientin tief komatös, hatte lichtstarre enge Pupillen und eine Atemfrequenz von 8/min (Sauerstoffsättigung initial 84 Prozent). Seit einer mit Gammanagel versorgten Hüftfraktur vor sechs Monaten, erhalte sie Fentanylpflaster (37,5 µg alle drei Tage), am Abend vorher sei ein 75 µg Pflaster am Rücken neu geklebt worden. Außerdem nehme sie Metamizol, Mirtazapin und Vitamine. Seit zwei Tagen bestünden unklare abdominelle Schmerzen und erhöhte Temperaturen, die mit Metamizol-Tropfen behandelt wurden. Nach Gabe von Naloxon durch den Notarzt zeigte sich die Patientin wacher und wurde in die Klinik gebracht.

In der Notaufnahme war die Patientin wieder schläfrig, der körperliche Untersuchungsbefund war bis auf einen abdominellen Druckschmerz unauffällig. Am Rücken der Patientin fanden sich noch zwei weitere 75 µg Fentanylpflaster. EKG: Schrittmacherrhythmus, durchgehend ventrikuläre Stimulation, Frequenz 97/min. Im Labor zeigten sich bis auf ein CRP von 28 mg/l (Norm > 5 mg/l) und ein erhöhtes BNP von 588 ng/l (Norm < 100 ng/l) keine Auffälligkeiten. Die unmittelbar veranlasste CT-Diagnostik lieferte keinen Hinweis auf eine akute cerebrale Pathologie, thorakal und abdominell ergaben sich, abgesehen von degenerativen Wirbelsäulenveränderungen (Abbildung 2) und einem geringen Pleuraerguss, keine wesentlichen Auffälligkeiten. Bei negativem COVID-19-Abstrich wurde die Patientin zur weiteren Überwachung auf die Intensivstation verlegt.


Abbildung 2: Aufnahmetag CT-Polytrauma – Degenerative Veränderungen BWK 10-SWK 1 mit älteren Grund- und Deckplatteneinbrüchen, erosive Osteochondrose mit Vakuumphänomen lumbosakral.

Dort war ein weiteres Mal die Gabe von Naloxon nötig, zur Analgesie erhielt die Patientin Metamizol. Darunter zeigte sich die Patientin kreislaufstabil und wurde am nächsten Tag zur weiteren Diagnostik und Frührehabilitation in die Akutgeriatrie verlegt.

Die Patientin präsentierte sich dort noch fluktuierend vigilant, in sehr schlechtem Ernährungs- (BMI 16,5) und stark hilfebedürftigem Allgemeinzustand (Barthel-Index 20/100). Die Kognition war nicht beeinträchtigt (MMS 27/30), die Stimmung ausgeglichen (GDS 3). Im logopädischen Schluckscreening zeigten sich keinerlei Einschränkungen. Die Patientin lebt allein zuhause (ihr Lebensgefährte wohnt in der Nachbarschaft) mit einer 24-Stunden-Hilfe, es besteht Pflegegrad 3.

Wegen erneut aufgetretener Somnolenz musste die Patientin noch für eine weitere Nacht auf der Intensivstation überwacht werden, konnte aber bereits am Folgetag in wachem Zustand auf die Normalstation verlegt werden. Sie setzte einmalig blutige Koagel auf geformtem Stuhl ab. In der mikrobiologischen Stuhluntersuchung wurde ein Shiga-1-Toxin produzierender enterohämorrhagischer Escherichia coli (EHEC) asserviert und die Patientin isoliert. Die Infektionsquelle war nicht eruierbar. Einige Tage später entwickelte die Patientin einen Harnwegsinfekt bzw. eine beginnende Urosepsis mit laborchemisch stark erhöhten Infekt- und Nierenretentionswerten sowie erhöhtem Procalcitonin. Bei signifikantem Nachweis von EHEC im Urin wurde sie testgerecht mit Piperacillin/Tazobactam behandelt. Hierunter besserte sich der Allgemeinzustand und die veränderten Laborparameter waren regredient. Auch im Stuhl wurden keine Keime mehr nachgewiesen, sodass die Isolationsmaßnahmen aufgehoben werden konnten.

Im Rahmen der multimodalen geriatrischen Behandlung mit Physiotherapie, physikalischen Maßnahmen und Ergotherapie gelang bei chronischem muskuloskelettalem Schmerzsyndrom (vergleiche Abbildung 2) eine befriedigende analgetische Neueinstellung mit Metamizol (500 mg 4 x tgl.) zusammen mit Hydromorphon hydrochlorid (2 mg retard 1 x tgl.) sowie eine Verbesserung der alltagsrelevanten Fähigkeiten, Gangbild, Gehstrecke und allgemeinen Kraft (Barthel-Index 45/100). Die Patientin war wieder selbstständig am Rollator gehfähig (TUG 20 Sekunden), sodass sie in deutlich gebessertem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden konnte.

Diskussion

Fentanyl ist ein synthetisches Opioid zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen. Die Verschreibung von Opioiden steigt mit zunehmendem Patientenalter in Häufigkeit, Ausmaß und Dauer [12]. Bei hochaltrigen Patienten (> 85 Jahre) wurde zwischen 2005 bis 2017 ein deutlicher Anstieg der Verordnung sehr starker Opioide, insbesondere Fentanyl, beobachtet. Wie bei der beschriebenen Patientin werden starke Opioide in der Gruppe der Hochaltrigen (> 85 Jahre) vor allem zur Behandlung muskuloskelettaler Schmerzsyndrome eingesetzt, für Tumorschmerzen in der jüngeren Subgruppe (65 bis 74 Jahre). In Deutschland sind Fentanylpflaster zum stark wirksamen Opioid der ersten Wahl geworden.

Fentanyl besitzt als synthetisches Opioid eine mehr als 100-fach stärkere Potenz als Morphin, ist sehr wirksam und wegen der hohen Lipophilie bestens für die transdermale Applikation geeignet. Nachteilig ist die sehr geringe therapeutische Breite. So sind Intoxikationen aufgrund von Anwendungsfehlern, wie falscher Dosierung oder unzweckmäßigem Einsatz, häufig und bei hochaltrigen Patienten besonders schwerwiegend.

Fentanylpflaster bilden in den oberen Hautschichten ein Wirkstoffdepot, charakteristisch ist der verzögerte Wirkungseintritt (12 bis 24 Stunden), aber auch die fortgesetzte Wirksamkeit nach Entfernen des Pflasters, denn das kutane Depot setzt den Wirkstoff weiter frei. Die Plasmakonzentration des Fentanyls nimmt langsam, mit einer Halbwertszeit von 12 bis 24 Stunden, ab. Deswegen müssen Patienten nach Überdosierung, auch wenn die Pflaster entfernt sind, lange genug (in unserem Fall drei Tage) überwacht werden.

Des Weiteren ist dringend zu beachten, dass Fentanylpflaster nach abgelaufener Anwendung noch über eine erhebliche Menge (bis zu 84 Prozent) [13] an Wirkstoff verfügen. Im beschriebenen Fall waren nach Gebrauch nicht entfernte Fentanylpflaster neben der zu hohen Dosis für die Intoxikation mit Somnolenz und Atemdepression verantwortlich. Die hohe Restwirkstoffmenge in den Pflastern ist ein Grund für Unglücksfälle, deswegen warnte 2014 ein „Rote-Hand-Brief“ vor einer „versehentlichen Übertragung des Fentanylpflasters auf die Haut einer anderen (opioidnaiven) Person (zum Beispiel während der gemeinsamen Nutzung eines Bettes oder bei engem Körperkontakt)“. Die hohe Restwirkstoffmenge bedingt leider auch die nicht seltene missbräuchliche Anwendung. So spielte Fentanyl 2013 bei 52 Prozent aller in München untersuchten Drogentoten durch Opioide eine Rolle [14].

Wegen der hohen Rate an schweren Nebenwirkungen und Todesfällen in Zusammenhang mit transdermalem Fentanyl gibt es zahlreiche Warnungen der U.S. Food and Drug Administration (FDA) und auch der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) [15], die Indikation für fentanylhaltige Pflaster streng zu stellen. Sie sollten nur bei opioidtoleranten Patienten mit bekanntem, stabilem Opioidbedarf eingesetzt werden, wenn ein orales Opioid nicht eingenommen werden kann. Transdermale Opioide sind nur bei Patienten mit Schluckstörungen, Passagehindernissen oder Resorptionsstörungen im Gastrointestinaltrakt oder bei therapieresistentem Erbrechen indiziert [16]. Im Gegensatz dazu zeigen Studien, dass nur bei einem Viertel der Patienten Erkrankungen (zum Beispiel Schluckstörungen) vorliegen, die eine transdermale Schmerzmittelgabe erforderlich machen. Bei 72,5 Prozent der Patienten gab es keinen Hinweis auf mögliche Probleme bei einer oralen Einnahme [17], ebenso wie bei der beschriebenen Patientin.

Bei der transdermalen Applikation von Fentanyl ist zu beachten, dass erhöhte Hauttemperaturen, wie zum Beispiel bei Fieber, aber auch bei Wärmeanwendungen (heiße Bäder, Sauna, Heizdecken, Sonnenexposition) zu einer beschleunigten und verstärkten Fentanylresorption und zu tödlichen Überdosierungen führen können. Patienten und ihre Angehörigen müssen darüber aufgeklärt und Patienten mit Fieber entsprechend engmaschig überwacht werden.

Da Fentanyl hauptsächlich über das Zytochrom-P450-(CYP) 3A4 metabolisiert wird, kann die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Inhibitoren zu einem gefährlichen Anstieg der Fentanylplasmakonzentration führen. Beispiele für CYP3A4-Inhibitoren sind: Amiodaron, Diltiazem, Verapamil, Cimetidin, Clarithromycin, Erythromycin, Fluconazol, Itraconazol, Ketoconazol, Voriconazol, Nefazodon, Ritonavir. Auch Grapefruitsaft kann zu einer Inhibition von CYP3A4 führen, vor übermäßigem Genuss sollte gewarnt werden.

Generell muss die Dosisfindung vor allem bei älteren Patienten mit eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion unter Beachtung der Laborparameter und des Körpergewichtes (BMI, der beschriebenen Patientin sehr niedrig) erfolgen und in Abhängigkeit von der Stärke der Schmerzen im Verlauf immer wieder angepasst werden. Studien zeigen, dass vor allem bei älteren Patienten die Dosierungen der Schmerzmedikamente nach akuten Ereignissen im Verlauf nicht überwacht und entsprechend reduziert werden [18]. So war bei der beschriebenen Patientin bereits mit 2 mg Hydromorphon oral, einem Sechstel der verordneten und einem Zwölftel der verabreichten Fentanyldosis, eine ausreichende Schmerzkontrolle zu erzielen. 

Fall 3: Patientin mit Harnwegsinfekt, Urosepsis und Spondylodiszitis – der alltägliche Fall mit kompliziertem Verlauf

Eine 81-jährige Patientin wurde vom Hausarzt wegen akuter, vor vier Tagen aufgetretener Rücken- und rechtsseitiger Flankenschmerzen in die Klinik geschickt. Die Schmerzen würden in beide Beine ausstrahlen, sich im Liegen bessern und bei Bewegung oder im Sitzen zunehmen. Außerdem bestünde seit vier Tagen eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Dysurie, Inappetenz und postprandialer Übelkeit. Fieber, Schüttelfrost, abdominelle Schmerzen oder Diarrhöen wurden verneint. Die Patientin lebte bisher selbstständig zuhause mit einmal täglich Pflegedienst zur Medikamenteneinnahme (Pflegegrad 2).

In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine wache, vollständig orientierte Patientin in reduziertem Allgemein- und kachektischem Ernährungszustand (BMI: 14,8), Blutdruck 130/60 mmHg, Puls 74/min, Temperatur 36,5 °C, Atemfrequenz 16/min, Sättigung bei Raumluft 98 Prozent, Herz und Lunge unauffällig, Abdomen: weich, Druckschmerz links und mittlerer Unterbauch, spärliche Darmgeräusche, rektale Untersuchung unauffällig. Klopfschmerz im rechten Nierenlager und im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Beinödeme beidseits, Pulse tastbar, kein fokalneurologisches Defizit. Gang und Stand schwächebedingt nicht beurteilbar (TUG nicht durchführbar). Stark eingeschränkte Selbsthilfefähigkeit (Barthel-Index 25/100), kein Hinweis auf Depression (GDS 4/15), leichte kognitive Beeinträchtigung (MMS 22/30), kein kognitives Defizit vorbekannt.

Laborchemisch zeigte sich eine Infektkonstellation mit deutlich erhöhten humoralen Entzündungsparametern CRP 157,3 mg/l (Norm < 5 mg/l); Procalcitonin 9,55 µg/l (Norm < 0,5 µg/l), Leukozytose 11,2/nl (Norm 3,5-9,8/nl), Hb 10,6 g/dl; (Norm 12,0-16,0 g/dl).

Als Fokus ergab sich eine Urosepsis bei nitrit-negativem Harnwegsinfekt mit E. coli (Multiresistente gramnegative Bakterien [MRGN] 3) sowie Nachweis dieses Keims in mehreren Blutkulturen. Die Flankenschmerzen wurden initial im Rahmen einer Pyelonephritis gewertet. Sonografisch bestand kein Anhalt für einen Nieren- Harnstau, Abszessbildung oder signifikante Restharnbildung. Eine antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam in nierenadaptierter Dosis bei akut auf chronischem Nierenversagen (Serumkreatinin 2,1 mg/dl, Norm 0,6-1,1 mg/dl; GFR 22 ml/min, Norm > 60 ml/min) wurde begonnen. Nach Erhalt des Antibiogramms erfolgte aufgrund der Resistenzlage die testgerechte Umstellung auf Meropenem i.v. Hierunter kam es zu einer Regredienz der Infektparameter (CRP 78,1 mg/l, Norm < 5 mg/l; Procalcitonin 1,5 µg/l, Norm < 0,5 µg/l) und Besserung des Allgemeinzustandes. Unter bilanzierter i.v.-Flüssigkeitszufuhr besserten sich die Nierenwerte im Verlauf (Serum­kreatinin 1,0 mg/dl, GFR 50 ml/min).

Konventionell radiologisch bestand kein Anhalt für eine Fraktur im LWS-Bereich (Abbildung 3). Ergänzend erfolgte eine Computertomografie (CT) des thorakolumbalen Übergangs, welche neben ausgeprägten skoliotischen und degenerativen Veränderungen ebenfalls keinen Anhalt für eine akute Pathologie erbrachte (Abbildung 4).

Bei weiterbestehenden Schmerzen und erhöhten, erneut steigenden Entzündungsparametern wurde ein MRT des Abdomens durchgeführt. Hier zeigte sich eine Spondylodiszitis BWK 12/LWK 1 mit partiell liquifiziertem Bandscheibenfach sowie tubulärem Senkungsabszess im Bereich des rechten Musculus psoas von 5 x 1,2 cm (Abbildung 5). Im ergänzenden MRT der LWS zeigte sich zudem ein intraspinaler rechtsbetonter epiduraler Abszess mit geringer Spinalkanalstenose (Abbildung 6 a).

 

Sowohl Unfall- als auch Neurochirurgen empfahlen erst ein konservatives Vorgehen. Zur Sicherung des Erregers erfolgte eine CT-gesteuerte Punktion des Psoas-Abszesses. In dem gewonnenen Material zeigte sich ein 3MRGN E. coli wie in Urin und Blutkulturen. Die testgerechte antibiotische Therapie wurde beibehalten.

Zum Ausschluss einer Endokarditis führten wir eine transthorakale Echokardiographie und eine transösophageale Echokardiografie durch, zudem bei suspektem Befund an der Mitralklappe noch ein PET-CT. Darin ergab sich kein Hinweis auf eine Endokarditis, der Befund der Spondylodiszitis auf Höhe BWK 12/LWK 1 mit entzündlicher Infiltration im rechten Musculus psoas und entsprechend großflächiger Tracermehrbelegung in den angrenzenden Grund- und Deckplatten, dem Zwischenwirbelraum und perivertebral wurde bestätigt (Abbildung 7).

Unter Antibiose mit Meropenem gingen die Infektparameter zurück und es kam klinisch zu einer deutlichen Besserung. Mit intensiver Physiotherapie, physikalischen Maßnahmen und Ergotherapie erlangte die Patientin wieder die Gehfähigkeit am Rollator. Die Schmerzen im Lumbalbereich blieben jedoch trotz Medikamenten (Metamizol, Tilidin) bestehen.

Bei im weiteren stagnierendem CRP (50 bis 60 mg/l) imponierte im MRT-Verlauf nach vier Wochen (Abbildung 6 b) eine progrediente Spondylodiszitis BWK 12/LWK 1 mit progredienter perivertebraler Weichteilaffektion und an Ausdehnung unveränderten Abszessen im rechten Musculus psoas und intraspinal Höhe BWK 12/LWK 1 (Abbildung 6 b).

Nachdem die Patientin einer operativen Sanierung ablehnend gegenüberstand, erfolgte in Rücksprache mit den Mikrobiologen eine Erweiterung der bestehenden Antibiose mit Meropenem um Cotrimoxazol, das neben Meropenem im Antibiogramm als einziges Antibiotikum sensibel für den Keim getestet worden war.

Hierunter war der CRP-Wert gut rückläufig (13,7 mg/l; Norm < 5 mg/l) und die Blutkulturen steril. Die Patientin klagte jedoch weiterhin über deutliche lumbale Schmerzen. Korrelierend fand sich in der erneuten MRT-Kontrolle (Abbildung 6 c) eine Verschlechterung in Form eines zunehmenden Ödems und Entzündungsreaktionen in den Wirbelkörpern BWK 12 und LWK 1 sowie im Bandscheibenfach mit nun zunehmenden und beginnend destruierenden Abschlussplattenveränderungen.

Bei beginnender Destruktion der Grund- und Deckplatten bestand nun die Notwendigkeit einer stabilisierenden Operation. Die Patientin stimmte zu und wurde in der Unfallchirurgie komplikationslos von TH 11 bis LWK 2 mit einem Fixateur interne versorgt und das Bandscheibenfach entsprechend entlastet (Abbildung 8). Im Abstrich aus dem Bandscheibenfach TH 12/LWK 1 war kein Keimwachstum nachweisbar. Die pathologische Aufarbeitung ergab keinen Hinweis auf Malignität.

Die Patientin erholte sich postoperativ gut, die Schmerzen waren binnen weniger Tage deutlich geringer und die Funktion besserte sich kontinuierlich. Nach sechswöchiger postoperativer Antibiose wurde die Patientin in deutlich gebessertem Allgemeinzustand (Barthel-Index 85/100, TUG 21 s, MMS 25/30) wieder mobil nachhause entlassen.

Diskussion

Die Spondylodiszitis, eine Knochenentzündung der Wirbelkörper (vertebrale Osteomyelitis) und der angrenzenden Bandscheibe, ist eine seltene (Inzidenz 1 bis 7/100.000), im Alter zunehmende Erkrankung mit einer Gesamtmortalität bis zu 20 Prozent [19, 20]. Bei steigender Fallzahl sind Patienten > 65 Jahre bis zu 3,5 Mal häufiger betroffen [21]. Die Spondylodiszitis ist, wie im beschriebenen Fall, meist Folge einer hämatogenen Streuung (endogen), kann aber auch durch direkte Inokulation bei Wirbelkörperoperationen (exogen) oder durch Weiterleitung eines infektiösen Fokus (per continuitatem) entstehen.  Neben dem Alter gelten Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen, Immunsuppression, Niereninsuffizienz, Alkohol- und Drogenabusus, vor­angegangene systemische Infektionen sowie invasive Eingriffe an der Wirbelsäule als Risikofaktoren.

Die klinische Symptomatik der Spondylodiszitis beginnt unspezifisch, subakut bis schleichend, Leitsymptom sind Rückenschmerzen (86 Prozent), die typischerweise konstant auch in Ruhe vorhanden sind. Zweithäufigstes Symptom ist Fieber (35 bis 60 Prozent) [22], wobei zu beachten ist, dass Patienten wegen der gleichzeitigen Einnahme von Analgetika oft afebril sind (wie auch die beschriebene Patientin). In einem Drittel der Fälle bestehen zusätzlich neurologische Symptome wie Sensibilitätsstörungen, Paresen und Blasen-Mastdarmstörungen. Diese treten jedoch meist erst im Rahmen von Komplikationen wie Epiduralabszessen auf. Bei hämatogener Streuung dominieren, wie im beschriebenen Fall, häufig die Symptome des primären Infektionsherdes, hier des Harnwegsinfektes.

Bei unklaren Rückenschmerzen steht die konventionelle Röntgenaufnahme an erster Stelle, wobei diese in der Frühphase der Spondylodiszitis nicht aussagekräftig ist (Abbildung 3). Ein unauffälliger nativradiologischer Befund schließt eine Spondylodiszitis nicht aus. Die CT ist der Kernspin-
tomografie bei der Spondylodiszitis, insbesondere in der Frühphase der Erkrankung (vergleiche Abbildung 4), unterlegen. Die kontrastmittelverstärkte Magnetresonanztomografie (MRT) gilt als Bildgebung der Wahl bei Spondylodiszitis. Entzündliche Veränderungen finden sich im Diskus, den angrenzenden Grund- und Deckplatten, sowie im paravertebralen Weichteilgewebe (vergleiche Abbildung 5 bis 6). Im Verlauf kann mittels MRT die ossäre Destruktion der End- und Deckplatten sowie der Wirbelkörper detektiert werden (Abbildung 6 c).

Gleichwertig zum MRT wird die Fluor-18-Fluorodesoyglucose Positronenemissionstomografie (18F-FDG-PET-CT) gesehen, wobei die PET bei der Unterscheidung zwischen degenerativen und entzündlichen Veränderungen Vorteile aufweist. Physiologisch reichert sich die entsprechend markierte Glukose nicht im Knochenmark und an den knöchernen Strukturen der Wirbelsäule an, sodass sich entzündliche Prozesse mit erhöhter Glukoseaktivität im PET-CT als „hot spots“ (Abbildung 7) darstellen. Im vorgestellten Fall konnten mittels PET-CT weitere Entzündungsherde (zum Beispiel Endokarditis) als mögliche Quellen der Spondylodiszitis ausgeschlossen werden.
 
Laborchemisch sind bei Spondylodiszitis typischerweise (90 bis 98 Prozent) das C-reaktive Protein (CRP) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSR) erhöht [23, 24], eine Leukozytose ist nicht obligat. Zusätzlich sollten mindestens zwei Blutkulturenpaare (aerob/anaerob) gewonnen werden. Dabei lässt sich bei antibiotisch nicht vorbehandelten Patienten in 70 Prozent der Fälle [25, 26] ein Erreger nachweisen. Die Spondylodiszitis liegt meist als monobakterielle Infektion vor und wird in Europa zu mehr als 50 Prozent durch Staphylococcus (S.) aureus verursacht, gefolgt von gramnegativen Erregern wie E. coli [27].

Bei der vorgestellten Patientin gelang in mehreren Blutkulturen und in dem durch CT-gesteuerte Feinnadelpunktion gewonnenen Material eindeutig der Nachweis eines multiresistenten (3MRGN) E. coli, der gegen Carbapeneme sensibel war (3MRGN). Carbapeneme entsprechen nicht den Empfehlungen zur Behandlung der Spondylodiszitis [28], waren aber die einzige Antibiogrammgerechte Therapiemöglichkeit. Bezüglich der Dauer der antibiotischen Therapie gibt es für die Spondylodiszitis keine einheitlichen Empfehlungen, mindestens vier bis sechs Wochen bis zu zwölf Wochen werden beschrieben. Die konservative Therapie umfasst, neben der gezielten Antibiose, eine Schmerztherapie und Entlastung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts; lang andauernde Bettruhe ist obsolet [29].

Im beschriebenen Fall war wegen Wirbelkörperdestruktionen unter Einbeziehung der Deckplatten und damit drohender Instabilität, trotz erfolgreicher Infektsanierung (Punktat des OP-Materials steril), und dem Fehlen neurologischer Ausfälle, die operative Therapie indiziert. Postoperativ waren Schmerzen und Funktion signifikant gebessert.

Das Wichtigste in Kürze

Der erste Fall verdeutlicht, dass bei jeder Verschlechterung des Allgemeinzustandes an eine Hyponatriämie als Risikofaktor für Schwindel, Schwäche, Depression, schlechtere Kognition, verminderte Vigilanz und Stürze zu denken ist. Hyponatriämie-begünstigende Medikamente sollten bei älteren Patienten nur restriktiv, unter engmaschiger Kontrolle des Serumnatriumspiegels, angewendet werden.

Fall 1 bis 3 zeigen, dass Opioide in der Schmerztherapie geriatrischer Patienten eine wichtige Rolle spielen. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, sollte, wenn immer möglich, eine orale Gabe angestrebt, die Dosis individuell titriert und kontrolliert der Schmerzintensität angepasst werden. Fall 2 unterstreicht, dass transdermale Opioide ausschließlich bei Patienten mit Schluckstörungen oder gastrointestinalen Hindernissen eingesetzt werden sollen. Patienten, Angehörige und Pflegende sind über mögliche Nebenwirkungen, Gebrauchsfehler und Gegenmaßnahmen ausreichend aufzuklären.

Der dritte Fall verdeutlicht, dass bei Patienten mit starken Rückenschmerzen und CRP-Erhöhung, vor allem nach durchgemachter systemischer Infektion wie einem Harnwegsinfekt, an das Vorliegen einer Spondylodiszitis gedacht werden soll. Die frühzeitige Diagnosestellung mittels kontrastverstärktem MRT (bei Kontraindikationen alternativ PET-CT) und Therapieeinleitung sind wichtig, um neurologische Komplikationen und damit bleibende Schäden zu vermeiden.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autorin erklärt, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten hat, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autorin


Privatdozentin Dr. Brigitte Buchwald-Lancaster, Chefärztin, Zentrum für Akutgeriatrie und
Frührehabilitation, Akademische Lehreinrichtung der LMU München für Geriatrie,
München Klinik gGmbH, Klinikum Neuperlach, Oskar-Maria-Graf-Ring 51, 81737 München

 

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