Gesetzentwurf für ein Bayerisches Krebsregistergesetz

Gesetzentwurf Bayerisches Krebsregistergesetz

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen über den Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung für ein Bayerisches Krebsregistergesetz (BayKRegG) hat die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) gemeinsam mit führenden bayerischen Onkologen ein Papier erarbeitet. Das Papier wurde Anfang November der Bayerischen Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml sowie der Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, Kathrin Sonnenholzner (SPD, MdL), zugeleitet.

Auch der Bayerische Landesdatenschutzbeauftragte, Professor Dr. Thomas Petri, hatte seine Einwände zum Gesetzentwurf geäußert, und zwar hinsichtlich der Organisationsstruktur des zentralen Registers, was den Grundsatz der Transparenz, der Normbestimmtheit und Normenklarheit betrifft sowie in Bezug auf die Sicherstellung der Datenqualität.

Das Onkologen-Papier lesen Sie nachfolgend.

Stellungnahme aus onkologischer Sicht

Eine hochkarätig besetzte Gesprächsrunde bei der BLÄK mit Repräsentanten aus mehreren Comprehensive Cancer Centers1, zertifizierten Organkrebszentren2 und niedergelassenen Onkologen3 hat einige wichtige Anforderungen an das BayKRegG herausgearbeitet:

1.
Entscheidende Parameter der Ergebnisqualität der onkologischen Behandlung, nämlich Rezidiv­freies Intervall, Metastasen­freies Intervall und die Gesamtüberlebenszeit, müssen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zeitnah personenbezogen zurückgespiegelt werden. Dies ist für die Qualitätssicherung im Rahmen einer onkologischen Zertifizierung eine zwingende Erfordernis. In Deutschland werden je nach Krebsart zwischen 30 und 75 Prozent der Patienten in zertifizierten Zentren versorgt. Wird das Instrument der Zertifizierung durch zeitnahe Rückmeldungen aus dem klinischen Krebsregister gestärkt, kann dieses Qualitätssicherungssystem weitere flächendeckende Verbreitung finden.

2.
Die onkologische Versorgung ist in besonderer Weise gekennzeichnet durch den häufigen Wechsel zwischen verschiedenen Versorgungsformen und „medizinischen Einheiten“, um einen Terminus aus dem Gesetzentwurf zu verwenden. Deshalb ist die Qualität in der Onkologie nicht alleine definiert über die Qualität der zertifizierten Zentren, sondern ebenso durch das Zusammenspiel der „medizinischen Einheiten“, dem evidenzbasierte Leitlinien zugrunde liegen müssen und das durch Qualitätsindikatoren überprüft werden muss. Diese Interaktion ist in ständigem Fluss, da Ergebnisse aus der Krebsregistrierung zeitnah zurück in die Leitlinien gespiegelt werden und nach Veränderung der Leitlinien in angepasster Form in den zertifizierten Zentren wieder umgesetzt werden sollten.

3.
Ein wesentlicher Teil dieses erwähnten Zusammenspiels in der onkologischen Versorgung ist die Nachsorge im ambulanten Bereich. Das klinische Krebsregister kann die Nachsorge bei onkologischen Erkrankungen durch eine Verbesserung der Follow-up-Dokumentation nachhaltig stärken. Zeitgerechte Einforderung, Meldung, Erfassung und Evaluation der Nachsorgebefunde über das einzurichtende elektronische Meldeportal müssen besondere Beachtung finden. Eine Nachsorge in spezialisierten Einheiten ist notwendig, um ein Rezidiv oder eine Progression der Tumorerkrankung möglichst frühzeitig zu erkennen und um die leitliniengerechte effiziente onkologische Behandlung möglichst frühzeitig auf den Weg zu bringen. Ziel ist es, zumindest bei einigen rezidivierten Tumorerkrankungen, die Patienten durch eine frühzeitige Diagnose und adäquate Therapie erneut einem kurativen Ansatz zuführen zu können.

Entsprechend der jeweils aktuellen, durch das Krebsregister wesentlich zu befördernden Kenntnislage, muss die onkologische Nachsorge risikoadaptiert, das heißt auf die individuelle Krankheitssituation des Patienten zugeschnitten werden. Hier liegt großes Potenzial für eine verstärkte Patientenorientierung, eine verbesserte Patienteninformation und die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung im Sinne einer Sekundär- und Tertiärprävention. Für eine effiziente Nachsorge ist der zeitnahe Zugang der Leistungserbringer zu den Follow-up-Daten der Krebsregister erforderlich.

4.
Die künftig zu erfüllenden Anforderungen an die Meldungen an das klinische Krebsregister in formaler und inhaltlicher Sicht werden an allen betroffenen Stellen einen nicht unerheblichen personellen Mehraufwand erfordern, gegebenenfalls auch Investitionen in die IT­Infrastruktur. Dies ergibt sich schon daraus, dass bislang vielerorts die Meldung an das regionale Krebsregister durch Übersendung einer Kopie des Arztbriefes erfolgt ist.

Dies ist aus datenschutzrechtlicher Sicht sicher kritikwürdig und nicht mehr zeitgemäß. Nunmehr soll die Meldung durch die Leistungserbringer elektronisch erfolgen. Damit wird Dokumentationsarbeit von den Registern weggenommen und auf die Leistungserbringer verlagert. Diese müssen hinfort eine flächendeckende elektronische Datenerfassung der von ihnen behandelten Tumorpatienten vorhalten. Mit dieser Qualitätssteigerung der Dokumentation im Bereich der Leistungserbringer ist ein erheblicher Personalaufwand verbunden, dem im aktuellen Gesetzestext nicht in angemessener Weise Rechnung getragen wird. Hier muss ein Gleichgewicht zwischen zusätzlichem Arbeitsaufwand und Rückvergütung bei den Leistungserbringern geschaffen werden.

Bevor die Meldewege für alle Meldeanlässe nicht „scharfgeschaltet“ und als praxistauglich evaluiert sind, sollte die Bußgeldandrohung für unterlassene Meldungen ausgesetzt werden. Wie die im gegenwärtig praktizierten System erreichten hohen Erfassungsquoten zeigen, gibt es eine hohe intrinsische Motivation der an der Behandlung krebskranker Patientinnen und Patienten engagierten Ärzte, ihr Handeln durch Meldungen an das Krebsregister zu dokumentieren. Um diese Motivation aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls noch zu stärken, sind praktikable Meldewege und ein schneller und umfassender Datenrücklauf wesentlich besser geeignet als eine – immer noch absurd hohe – Bußgeldandrohung.

5.
Eine Gefahr der im Gesetzentwurf vorgesehenen Zentralisierung der Führung der Krebsregister besteht darin, dass aus einem medizinisch geführten lokalen Krebsregister ein zentral behördlich geführtes Krebsregister wird, das den Bedürfnissen der täglichen Versorgung von Krebspatienten nicht mehr gerecht wird. Der im Gesetzentwurf vorgesehene Beirat soll die klinische und wissenschaftliche Nutzung der Krebsregisterdaten sicherstellen. Wir fordern daher einen Beirat, der mit einer angemessenen Kompetenz der regulativen Einflussnahme ausgestattet ist.

Sollte der Bayerische Landtag den grundsätzlichen Weg des Gesetzentwurfes der Staatsregierung mitgehen, wäre aufgrund des oben Ausgeführten im Gesetzgebungsverfahren zu ergänzen:

» ein expliziter Auftrag an das klinische Krebsregister zur zeitnahen Datenrückmeldung an die behandelnden medizinischen Einheiten an prominenter Stelle des Gesetzes (vergleichbar § 1 Abs. 3 des Landeskrebsregistergesetzes Baden­Württemberg),

» eine genaue Vorgabe für den Beirat mit einer Stärkung seiner Einflussmöglichkeit (zum Beispiel vorgeschriebene Sitzungsfrequenz und Begründungspflicht des StMGP, wenn von Vorschlägen abgewichen wird) zusammen mit einer Schaffung regionaler Beiräte und deren Vertretung im Landesbeirat,

» eine Zielvorgabe im Gesetz für die Verordnungsermächtigung, Form, Inhalt und Adressat der Meldungen festzulegen im Sinne einer Verpflichtung zu nutzerfreundlichen und effizienten Regelungen verbunden mit einer obligatorischen Evaluation,

» die Aufhebung der Bußgeldandrohung für Verstöße gegen die Meldepflicht, mindestens deren Aussetzung bis die Meldewege positiv evaluiert sind und

» die adäquate Finanzierung der Tumordokumentation durch die Leistungserbringer.

Gleichzeitig hatte der 75. Bayerische Ärztetag mehrere Beschlüsse zum BayKReG gefasst, die in der November-Ausgabe des „Bayerischen Ärzteblattes“ (Seite 576 ff.) veröffentlicht wurden bzw. unter www.bayerisches-ärzteblatt.de nachzulesen sind.

Sophia Pelzer (BLÄK)

Fußnoten:
1
Professor Dr. Matthias Beckmann (Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen), Professor Dr. Volker Heinemann (Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München – Campus Großhadern), Professor Dr. Peter Herschbach (Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München)

2
Dr. Martin Fuchs (Städtisches Klinikum München GmbH – Klinikum Bogenhausen)

3
Professor Dr. Günter Schlimok (Zentrum für Pneu-mologie, Onkologie und Schlafmedizin Augsburg, ehemaliger Chefarzt des Medizinischen Klinikums II in Augsburg, amtierender Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft), Professor Dr. Christoph Clemm (Praxis für Hämatologie und Onkologie im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München)

 

 

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