Gesundheitliche Gefahren durch Extremwetterereignisse für Kinder und Jugendliche

Extremwetterereignisse

Der Klimawandel stellt laut dem Präsidenten Detlev Ganten in Einklang mit anderen Experten des World Health Summit 2019 die bedeutendste gesundheitliche Bedrohung der Menschheit des 21. Jahrhunderts dar [1]. Für die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zählen Kinder und Jugendliche zu einer besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe [2].

Hintergrund

Der Klimawandel sollte uns allen mittlerweile ein Begriff sein, aber was genau sind Extremwetterereignisse (EWE)? Unter EWE werden Ereignisse zusammengefasst, die für die jeweilige Jahreszeit außergewöhnlich sind und sich regional unterscheiden können [3]. In Deutschland werden hauptsächlich Stürme und Überschwemmungen beobachtet, aber auch eine Zunahme von Hitzewellen und Dürreperioden ist in den vergangenen Jahren zu verzeichnen [4]. Die prognostizierten Klimawandelmodelle lassen das vermehrte Auftreten von EWE erwarten [5].

Körperliche Auswirkungen

Neben Verletzungen zum Beispiel in Folge von Überschwemmungen oder Stürmen, können auch andere körperliche Auswirkungen beobachtet werden. Dabei werden im Folgenden zwei Krankheitsbilder als Beispiele dargestellt: Hitzebelastung und Gewitterasthma.

Hitzebelastung

In den vergangenen Jahren waren die Sommer für alle Menschen spürbar wärmer. Resultat der Hitzewellen ist ein vermehrtes Auftreten von hitzeassoziierten Erkrankungen, wie beispielsweise Hitzschlag oder Sonnenstich. Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder sind von der Hitzebelastung besonders betroffen [6]. Ihr Stoffwechsel kann sich an hohe Temperaturen schlechter anpassen, sie schwitzen weniger und können somit ihre Körpertemperatur schlechter regulieren [7]. Durch ihre hohe Aktivität und den vermehrten Aufenthalt im Freien sind deshalb bei Hitzewellen vermehrt Dehydratation und Exsikkose zu beobachten [7].

Die Übersterblichkeit der Erwachsenen während Hitzewellen konnte in Deutschland in den vergangenen Jahren gezeigt werden [8]. Bei Kindern lässt sich dieser Zusammenhang noch nicht eindeutig feststellen [7]. Jedoch liefern auch hier verschiedene Studien schon Hinweise, dass insbesondere junge Kinder eine höhere Sterblichkeit bei Hitzewellen aufweisen [7].

Zudem haben Kinder durch ihren vermehrten Aufenthalt im Freien eine höhere UV-Exposition. Sind sie vor den Strahlen ungeschützt, kann es akut zu Sonnenbränden kommen und sie haben ein höheres Risiko im Laufe ihres Lebens an Hautkrebs zu erkranken [9]. Zum aktuellen Zeitpunkt kann der Einfluss des Klimawandels auf die Zunahme an Hautkrebserkrankungen noch nicht quantifiziert werden [10]. Zur Risikoreduktion ist hier insbesondere der UV-Schutz durch Cremes oder angemessene Kleidung unerlässlich [11].

Gewitterasthma

Insgesamt ist eine Zunahme von allergischem Asthma durch die klimawandelassoziierte erhöhte Pollenbelastung und die Addition neuer Allergene, wie beispielsweise Ambrosia, zu beobachten [12].

Ein besonderes EWE-assoziiertes Phänomen, welches auch in Europa immer häufiger zu beobachten ist, ist das Gewitterasthma. Im Zusammenhang und direkten Umfeld eines Gewitters treten dabei vermehrt schwere Asthmaanfälle auf [13]. Aeroallergene werden aufgewirbelt, durch den Einfluss des Gewitters aufgespalten und können somit tiefer in die Lunge vordringen [13]. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene sind von diesem Krankheitsbild betroffen [14].

In einer australischen Fallstudie konnten Risikofaktoren, wie eine asthmatische oder allergische Vorerkrankung sowie der Aufenthalt im Freien, ausgemacht werden [15]. Die adäquate medikamentöse Therapie des Asthmas sowie eine Immuntherapie bei Allergie gelten als protektive Faktoren [16].

Psychische Auswirkungen

Im Gegensatz zu den schon gut erforschten physischen Krankheitsbildern, die mit EWE assoziiert sind, werden im Folgenden die weniger erforschten psychischen Auswirkungen von EWE dargestellt.

Direkte Auswirkungen

Insbesondere nach dem Erleben plötzlich auftretender EWEs, wie Stürmen und Starkregen, ist eine große Anzahl an Erkrankten mit Posttraumatischen Stresssymptomen (PTSS) und Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) unter Kinder und Jugendlichen festzustellen. Betroffene erleben dabei das Geschehene wieder, sind übererregbar und weisen ein Vermeidungsverhalten auf [17]. Bei Naturkatastrophen zählen insbesondere Kinder unter acht Jahren zu der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe [18].
Dabei ist zu beachten, dass insbesondere junge Kinder aufgrund ihrer fehlenden sprachlichen Ausdrucksfähigkeit anstelle psychischer Symptome Verhaltensänderungen oder andere physische Symptome, wie beispielsweise Bauchschmerzen, ausbilden [19].

Prävalenzzahlen für Deutschland liegen noch nicht vor. In Studien werden Prävalenzen von PTBS zwischen 5 und 43 Prozent beschrieben [20]. Auch in Deutschland sind vermutlich schon heute 5 bis 6 Prozent der kindlichen Traumatisierungen auf das Erleben eines EWEs zurückzuführen [21].

Als eine mögliche Ursache für die hohe Vulnerabilität von Kindern und Jugendlichen wird angenommen, dass diese aufgrund geringerer Lebenserfahrung weniger Bewältigungsstrategien erlernt haben [22]. Auch eine gewisse Macht­losigkeit und ein geringes Kontrollempfinden können eine Ursache für die hohe Vulnerabilität der jungen Bevölkerungsgruppe sein [18].

Zu den Risikofaktoren zählen die direkte Betroffenheit durch das EWE meist mit dem erzwungenen Verlassen der gewohnten Umgebung und die Verletzung bzw. psychische Beeinträchtigung von Bezugspersonen [20, 23]. Im Gegensatz dazu gelten eine adäquate soziale Unterstützung durch erwachsene Bezugspersonen und erlernte Bewältigungsstrategien als protektive Faktoren [22].

Indirekte Auswirkungen

Auch ohne die direkte Betroffenheit durch ein EWE reagieren Menschen auf die Veränderungen durch den Klimawandel mit der Ausbildung von Angst, Depression oder Wut [24]. Ein Symptomkomplex, Klimaangst (englisch: eco-anxiety), ist aktuell Gegenstand vieler Forschungsarbeiten. Für die sogenannten Klimaemotionen gelten insbesondere Jugendliche aus einkommensstarken Ländern, wie Deutschland, als besonders vulnerabel [25]. Klimaemotionen, insbesondere die Klimaangst, sind zwar beeinträchtigend für das Wohlbefinden, regen aber zu einem klimafreundlicheren Verhalten an [26].

Fazit: Was können wir tun?

Insgesamt kann man zusammenfassen, dass EWE eine große Bandbreite an Erkrankungen und Symp­tomen hervorrufen können. Zu achten sind bei diesen klimawandelassoziierten Krankheitsbildern insbesondere auf die vulnerablen Gruppen, wie beispielsweise Kinder und Jugendliche.

Das deutsche Gesundheitssystem ist jedoch auf die Zunahme der Krankheitslast durch den Klimawandel zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vorbereitet. Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind aber lange kein Problem mehr des Globalen Südens. Auch in Deutschland sollte die Forschung zu klimawandelassoziierten Krankheiten ausgeweitet werden und Methoden zur Prävention und Versorgung erarbeitet werden.

Zudem ist es wichtig, dass auch wir uns als Ärztinnen und Ärzte mit der Klimafreundlichkeit unseres Arbeitsplatzes auseinandersetzen und diesen nachhaltiger gestalten. Als Teil der Gesellschaft haben auch wir die Aufgabe die Progression des Klimawandels zu verlangsamen, denn Klimaschutz ist gleichzeitig auch Gesundheitsschutz.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Autoren
Annika Hieronimi 1
Professor Dr. Stephan Böse-O’Reilly 1, 2

1 Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, LMU München
2 Department für Public Health, Versorgungsforschung und Health Technology Assessment, UMIT Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik GmbH, Hall in Tirol, Österreich


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