GOÄneu: Transparenz ja, Boykott nein
Am 23. Januar wird in Berlin ein Deutscher Sonder-Ärztetag stattfinden, da drei von 17 Landesärztekammern einen entsprechenden Beschluss gefasst haben. Einziger Tagesordnungspunkt: die „GOÄneu“. Nachdem der Sachstand der streng vertraulich geführten Verhandlungen, soweit das möglich war, durch die Bundesärztekammer (BÄK) veröffentlicht wurde, kritisierten unter anderem ärztliche Berufsverbände und die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften den Entwurf für die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Diskussion wurde weiter angefeuert durch die Kritik der Bundeszahnärztekammer, die die Einrichtung einer Gemeinsamen Kommission, die Gefahr einer Öffnungsklausel und einen unzureichenden Steigerungssatz kritisierte.
Der Vorstand der Bayerischen Landesärztekammer hat nach intensiver Beratung in seiner Sitzung am 28. November 2015 einstimmig beschlossen, die BÄK mit der zügigen Weiterführung und mit dem zeitnahen Abschluss der Verhandlungen über die neue GOÄ zu beauftragen. Das Vorstandsgremium sah keine Notwendigkeit für einen außerordentlichen Deutschen Ärztetag. Zu den Kritikpunkten, die auch der Vorstand diskutierte, zählen:
» Die Einführung einer Gemeinsamen Kommission (GeKo) mit paritätischer Besetzung – vier Vertreter der Ärzte, je zwei PKV und Beihilfe, deren Aufgabe es ist, die GOÄ an aktuelle Entwicklungen anzupassen und diese weiterzuentwickeln. Die GeKo entspricht weitgehend dem früheren Zentralen Konsultationsausschuss. Dieses Gremium ist weiterhin, entgegen der Forderung der PKV, die ein Institut forderte, bei der Selbstverwaltung angesiedelt und hat ein gesetzlich festgeschriebenes Vorschlagsrecht gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
» Öffnungsklausel mit Gefahr des Preisdumpings. Festzustellen ist: Es ist keine Öffnungsklausel vorgesehen. § 11 b Bundesärzteordnung-Entwurf (BÄO-E) regelt jedoch, dass einvernehmlich Lösungen zur modellhaften Erprobung und Evaluation von Elementen zur Verbesserung der Versorgungsstruktur und Versorgungsqualität entwickelt werden können. Ohne Zustimmung der BÄK sind keine Modellprojekte möglich und der betriebswirtschaftlich berechnete Gebührensatz ist auch bei einem Modellprojekt nicht unterschreitbar.
» Unzureichende Steigerungssätze: Eine Steigerung des Gebührensatzes auf das Zweifache ist mit Verweis auf die Positivliste ohne weitere Begründung möglich. Abweichende Honorarvereinbarungen sind gemäß § 11 BÄO-E zulässig, wenn der Zahlungspflichtige vorab persönlich informiert und aufgeklärt wird (§ 2 Abs. 2 GOÄ).
» Nicht unterschreitbare Gebührensätze: Auf Basis der betriebswirtschaftlichen Berechnungen wurde ein einfacher Gebührensatz festgeschrieben, der dem durchschnittlichen Steigerungssatz von ca. 2,5 entspricht. In 93 Prozent der Privatliquidationen niedergelassener Ärzte wurde bisher ein Steigerungssatz von 2,3 ausgewiesen.
» Positivliste/Negativliste: Das ist eindeutig eine Einschränkung – besonders die Erstellung der Negativliste. Dies muss jedoch in der Gesamtheit der Steigerungsmöglichkeiten und der Höhe des robusten Einfachsatzes gesehen werden.
» Vorwurf der „EBM-isierung“: Dem ist zu widersprechen, da es in der novellierten Gebührenordnung weder ein Individual- noch ein Gesamtbudget gibt, es handelt sich weiterhin um eine Einzelleistungsvergütung. Es gibt keine festgelegte Gesamtvergütung, keine Regelleistungsvolumina und keine mengenbedingten Abstaffelungen. Das Morbiditätsrisiko bleibt in vollem Umfang bei den Versicherungen. Ein systematisches Monitoring von Leistungen und Kostenentwicklungen nach Novellierung einer GOÄ ist verständlich und nachvollziehbar.
Die GOÄ ist eine Rechtsverordnung, die von der Bundesregierung mit der Zustimmung des Bundesrates verabschiedet wird und nicht auf der Basis einer Einigung zwischen BÄK und PKV zustande kommt. Dies unterscheidet sie vom EBM, der eine Vertragsgebührenordnung ist, die von KBV und GKV-Spitzenverband vereinbart wird. Das BMG hat eine Novellierung von einer Einigung zwischen BÄK und PKV abhängig gemacht. Wer der BÄK jetzt die Legitimation für die GOÄ-Verhandlungen abspricht, verkennt die Rechtslage und übersieht, dass bereits 2008 der Deutsche Ärztetag (DÄT) beschlossen hat, eine moderne Gebührenordnung auf Basis betriebswirtschaftlicher Kalkulationen aufzubauen. Alle wichtigen Schritte sind im Einklang mit den Beschlüssen der DÄT erfolgt. Gerade beim DÄT 2015 in Frankfurt wurde dem Vorsitzenden der Verhandlungskommission ohne Diskussion das volle Vertrauen ausgesprochen. Schädlich wäre, wenn der Sonder-Ärztetag dazu führte, dass die Verhandlungen aufgekündigt bzw. die Verhandlungsführer der BÄK in ihren Bewegungsspielräumen eingeschränkt würden. Die Chancen für eine neue und moderne Gebührenordnung waren noch nie so gut wie heute. Bei einer Ablehnung werden wir diese so schnell nicht mehr bekommen. In der Großen Koalition hat die SPD bereits signalisiert, dass mit dem Start des Vorwahlkampfes im Herbst 2016 jede Unterstützung eines BMG-Projektes unter Leitung der CDU hinfällig sei. Die sozialdemokratischen Präferenzen gehen klar in Richtung Bürgerversicherung. Wollen wir wirklich die Systemfrage stellen?
Nach jahrelangen Kalkulationen und schwierigen Verhandlungen, geprägt von herben Rückschlägen, aber auch großen Fortschritten, haben wir nun ein Ergebnis, mit dem wir Ärztinnen und Ärzte meines Erachtens leben können. Das eine oder andere, wie die Beschreibung der Aufgabenpflichten und Arbeitsweisen der GeKo oder die Erarbeitung der Positiv- bzw. Negativlisten, verlangt sicherlich noch viel Verhandlungstaktik und -geschick. Umso nötiger ist es, dass der Sonder-Ärztetag der BÄK den Rücken stärkt. Klar ist, dass das Ergebnis immer geprägt sein wird von Kompromissen auf allen Seiten: BÄK, PKV, Beihilfe und BMG. Alles andere – seien wir ehrlich – wäre realitätsfern, oder?
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