Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Dieser Beitrag fasst die zentralen Eigenschaften des menschengemachten Klimawandels inklusive möglicher Zukunftsszenarien zusammen. Am Beispiel von Hitze und Starkregen wird dargelegt, dass der Klimawandel schon heute stark negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Um die Gesundheit der Menschen zu schützen, sind ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen unabdingbar.

1. Der menschengemachte Klimawandel

1.1 Treibhauseffekt und Treibhausgase

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten die US-amerikanische Forscherin Eunice Newton Foote, deren wissenschaftshistorische Bedeutung erst vor wenigen Jahren erkannt wurde [1],
und der irische Physiker John Tyndall die Rolle der Treibhausgase im Treibhauseffekt der Erde. Die kurzwellige Strahlung der Sonne passiert ungehindert die Atmosphäre. Der Großteil dieser Strahlung wird von der Erdoberfläche und den tieferen Luftschichten als langwelligere Wärmestrahlung zurückgestrahlt und von den Treibhausgasen der Atmosphäre zurückgehalten. Ohne diesen Effekt wäre es auf der Erde ungemütliche -18 °C kalt und Leben, wie wir es kennen, wäre nicht entstanden. Seit Aufkommen der industriellen Revolution, die wesentlich von der Kohle befeuert wurde, greift nun der Mensch in die Prozesse ein, die in der Erdgeschichte die Stärke des natürlichen Treibhauseffekts bestimmt haben.

Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2), dem Wichtigsten der Treibhausgase, ist durch menschliche Aktivitäten – allen voran dem Verbrennen von fossilen Treibstoffen und der Abholzung von Wäldern – um knapp 50 Prozent im Vergleich zum vorindustriellen Niveau angestiegen. Heute beträgt sie etwa 416 ppm (Jahresdurchschnitt 2021; ppm steht hier für parts per million übersetzt Teile pro Million), und ist damit höher als der moderne Mensch jemals auf der Erde erlebt hat (Abbildung 1). CO2, mit seinem Anteil von, anders ausgedrückt, 0,04 Prozent an der Zusammensetzung der Atmosphäre, ist ein Spurengas, hat aber enorme Steuerungskraft für das Klima der Erde. Neben CO2 wirken auch andere Gase, wie Methan, Lachgas und troposphärisches Ozon, als Treibhausgase. In der Gesamtschau spielt jedoch CO2 die wichtigste Rolle, insbesondere weil seine Verweildauer in der Atmosphäre sehr viel länger ist, als die der anderen Treibhausgase.


Abbildung 1: Anstieg der CO2-Konzentration der Atmosphäre durch menschliche Aktivitäten (rot) und natürliche Schwankungen entsprechend der Eiszeitzyklen (blau) in den vergangenen 800.000 Jahren. Der moderne Mensch katapultiert den Planeten in ein anderes Klimaregime. Die ältesten bekannten Fossilien von Homo sapiens werden auf vor etwa 300.000 Jahren datiert.

1.2 Globale Erwärmung

Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die globale Mitteltemperatur um etwa 1,2 °C angestiegen. Dieser Anstieg lässt sich vollständig auf menschliche Aktivitäten, allen voran der Emission von Treibhausgasen, zurückführen [2]. Um die Bedeutung der bereits eingetretenen Erwärmung zu erfassen, muss man sich vor Augen führen, dass es mindestens seit der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 125.000 Jahren nicht mehr so warm auf der Erde war wie heute, und dass die gesamte Zivilisation im Holozän der vergangenen 10.000 Jahre unter extrem stabilen, etwas kühleren Klimabedingungen entstanden ist. Eiszeitlich bedingte Temperaturschwankungen, wie der Anstieg der globalen Mitteltemperatur um etwa 6 bis 8 °C nach dem Ende der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren, liefen zudem um ein Vielfaches langsamer ab als die menschengemachte Erwärmung des vergangenen Jahrhunderts [3]. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Erwärmung über Landmassen noch einmal um einen Faktor größer ist als die mittlere globale Erwärmung. Entsprechend hat sich die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts bereits um 2 °C erhöht. Der in erdgeschichtlicher Perspektive extrem rasante Temperaturanstieg hat bereits weitreichende Folgen für natürliche und menschliche Systeme.

1.3 CO2-Budget

Zentral für das Klimageschehen ist, dass jede Tonne CO2, welche die Atmosphäre erreicht, zu einem weiteren Anstieg der globalen Mitteltemperatur der Erde führt. Und sogar, wenn die CO2 Emissionen auf null reduziert würden, bliebe das einmal erreichte Temperaturniveau für hunderte bis tausende Jahre in etwa konstant [4]. Deswegen spricht man auch von der Irreversibilität der CO2-bedingten Erwärmung, zumindest, wenn man annimmt, dass negative Emissionen, das heißt das künstliche Absenken der atmosphärischen CO2-Konzentrationen mit geeigneten Technologien, nicht im benötigten Maßstab umsetzbar sind. Aufgrund dieser Eigenschaften des Klimasystems beruht jede ernstgemeinte Klimapolitik auf dem Prinzip des CO2-Budgets. Um eine bestimmte Schwelle der globalen Erwärmung, wie zum Beispiel die im Paris-Abkommen festgeschriebene Grenze von 1,5 °C über vorindustriellem Niveau, nicht zu überschreiten, darf nur noch eine festgelegte Gesamtmenge an CO2 die Atmosphäre erreichen. Daraus folgt dann auch, dass eine heute zögerlich umgesetzte Reduzierung von CO2 dazu führt, dass in der Zukunft radikalere Emissions­minderungen umgesetzt werden müssen, um das CO2-Gesamtbudget nicht zu sprengen. Im Übrigen war diese Tatsache einer der Dreh- und Angelpunkte im Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der unzureichenden Regelungen des deutschen Klimaschutzgesetzes zur Minderung von Treibhausgasen nach 2030 [5]. Es bleibt zu hoffen, dass eine zunehmende Anzahl von politischen und gesellschaftlichen Akteuren die Bedeutung des CO2-Budgets, inklusive der Notwendigkeit die CO2-Emissionen so rasch wie möglich auf (Netto-)Null zu bringen, in ihre Entscheidungen einfließen lassen.


2. Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit

2.1 Hitzewellen und hitzebedingte Sterblichkeit

Direkte Folge der globalen Erwärmung ist eine Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen. Inzwischen lässt sich dieser Anstieg von Hitzeextremen in fast allen Weltregionen relativ zuverlässig – in sogenannten Zuschreibungsstudien (englisch „attribution“) – auf den menschengemachten Klimawandel zurückführen. Ausgeführt wird dies zum Beispiel im Bericht des Weltklimarats zu den physikalischen Grundlagen des Klimawandels vom August 2021 [4]. Häufigere und intensivere Hitzewellen stellen ein enormes Risiko für die menschliche Gesundheit dar, wie der weltweit gut dokumentierte Zusammenhang zwischen Hitze und Übersterblichkeit exemplarisch zeigt [6, 7]. Auf Basis von Daten im Zeitraum 1993 bis 2015 für deutsche Großstädte wurde abgeschätzt, dass etwa knapp ein Prozent der jährlichen Todesfälle auf Hitze zurückzuführen sind [8]. In Bayern konnte desgleichen ein Anstieg der Herzkreislauf-Sterblichkeit um zehn Prozent aufgrund von heißen Tagen dokumentiert werden [9]. Die extremen Hitzesommer der Jahre 2018 und 2019 haben nach Abschätzungen des Robert Koch-Instituts zu etwa 9.200 bzw. 7.200 hitzebedingten Sterbefällen deutschlandweit geführt [10]. Entsprechend einer aktuellen Studie wäre ein signifikanter Anteil dieser Übersterblichkeit ohne den menschengemachten Klimawandel nicht aufgetreten [11]. Diese Autoren schätzen, dass die durchschnittliche hitzebedingte Mortalität der vergangenen drei Jahrzehnte (1991 bis 2018) zu etwa 37 Prozent global und 29 Prozent in Deutschland dem menschengemachten Klimawandel zuzuschreiben ist.

2.2 Starkregenereignisse und Überflutungen

Dass der Klimawandel mehr Starkregenereignisse mit sich bringen würde, wurde auf Basis von theoretischen Überlegungen und dynamischen Modellstudien schon vor mehreren Jahrzehnten prognostiziert [12]. Inzwischen lässt sich die Zunahme von Starkregenereignissen in den globalen Messdaten nachweisen und auf den menschengemachten Klimawandel zurückführen [13]. Die Überflutungen im Westen Deutschlands vom Juli 2021, bei denen 184 Menschen starben, sind trauriges Beispiel der Folge dieser Zunahme an extremen Niederschlagsereignissen. Eine Studie unter Anleitung des Deutschen Wetterdienstes kam jüngst zu dem Schluss, dass der menschengemachte Klimawandel das Auftreten der extremen täglichen Niederschlagssummen, wie sie im Juli 2021 gemessen wurden, in der betroffenen Großregion bis zu neunmal wahrscheinlicher gemacht hat [14]. Wie außergewöhnlich die Flut an den besonders betroffenen Flüssen Ahr und Erft war, zeigt auch, dass die erreichten Durchflussmengen die „Extremszenarien mit geringer Wahrscheinlichkeit“ in den bestehenden Hochwasserschutzkartierungen weit übertroffen haben [14]. Die von der Wissenschaft lange vorhergesagten Folgen des Klimawandels, mit katastrophalen Auswirkungen für das menschliche Wohl, spielen sich also inzwischen vor unseren Augen ab und machen auch vor einem reichen, hochtechnologisierten Land wie Deutschland nicht halt.

3. Szenarien zukünftiger Entwicklung

3.1 Die Szenarien des Weltklimarats

Was ist für die Zukunft zu erwarten? Hier lassen sich als erstes die Szenarien des Weltklimarats Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) anführen. In seinem jüngsten Bericht sind fünf illustrative Szenarien enthalten, denen detaillierte Annahmen zur möglichen zukünftigen ökonomischen, demografischen und technologischen Entwicklung zu Grunde liegen. Im besten Fall, bei rascher Reduzierung der globalen Treib­hausgasemissionen, würden die im Paris-Abkommen festgelegten Schwellen von 1,5 °C beziehungsweise 2 °C nicht überschritten. Im schlechtesten Fall würde die Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts im Mittel 4,4 °C über vorindustriellem Niveau betragen [4]. Würde dieses Szenario eintreten, könnten einige der heute stark bevölkerten Gebiete der Tropen und Subtropen der Gefahr extremer lebensbedrohlicher Hitzeereignisse ausgesetzt sein und im Extremfall sogar zu unbewohnbaren Regionen werden [15, 16].

3.2 Absichtserklärungen und Emissionsrealität

Sollten die momentanen Absichtserklärungen der Staaten zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2030 umgesetzt werden, bewegt sich die Welt derzeit auf eine Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts von etwa 2,5 °C zu [17]. Nur unter der optimistischen Annahme, dass alle Reduktionsziele, inklusive der langfristigen Ziele die Emissionen auf (Netto-)Null zu bringen, umgesetzt würden, ließe sich die Erwärmung nach aktuellen Analysen noch unter 2 °C halten. Zur Einschätzung dieser Zahlen ist es wichtig, nicht aus den Augen zu verlieren, dass die globalen CO2-Emissionen bisher trotz aller Bemühungen und Absichtserklärungen nur in Zeiten globaler Krisen, wie zuletzt während die Finanzkrise von 2008 und unter dem COVID-19 bedingten Lockdown von 2020, signifikant gefallen sind. Nach Beendigung der Krisen kehrten die Emissionen auf den Wachstumspfad zurück. Strukturell hängt die Welt immer noch am Tropf der fossilen Energiegewinnung mit einem Anteil von über 80 Prozent von Öl, Erdgas und Kohle am globalen Primärenergieverbrauch. Welche gefährliche Machtkonzentration und geopolitischen Auswirkungen diese Abhängigkeit mit sich bringt, zeigt der tief erschütternde Krieg in der Ukraine.

3.3 Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Gleichzeitig gibt es auch hoffnungsvolle Signale. Angefangen mit „Fridays for Future“ gibt es eine immer stärker werdende zivilgesellschaftliche Bewegung, die ambitionierten Klimaschutz einfordert. Auch im Gesundheitswesen, in den medizinischen Fakultäten und Gesellschaften, den Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, gibt es immer mehr Akteure, die das Thema auf die Tagesordnung setzen und Klimaschutzmaßnahmen initiieren. Diesen Akteuren kommt eine zentrale Rolle zu, denn sie können überzeugend vermitteln, dass Klimaschutz Gesundheitsschutz ist – sowohl auf individueller, regionaler und globaler Ebene. Neben Abwendung ernsthafter Gefahren für die menschliche Gesundheit als Folge der Erderhitzung, würden viele Klimaschutzmaßnahmen auch einen direkten gesundheitlichen Nutzen mit sich bringen. Eine Verringerung der Luftverschmutzung, eine Umstellung auf eine hauptsächlich pflanzlich basierte Ernährungsweise und eine aktivere Form der Fortbewegung (Laufen und Fahrradfahren) könnten nach einer aktuellen Studie im Jahr 2040 allein in Deutschland vorzeitige Todesfälle in der Größenordnung von 250 pro 100.000 Einwohner vermeiden [18]. Um die Gesundheit der Menschen zu schützen, sind ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen unabdingbar.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Autorinnen


Dr. Veronika Huber
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Epidemiologie an der LMU München


Professorin Dr. Annette Peters
Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München

 

 

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