Korruption im Gesundheitswesen: Strafrecht – aber nicht nur …
Mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“, das seit Juni 2016 in Kraft ist, verbinden viele Ärztinnen und Ärzte Unsicherheit. Was ist künftig erlaubt, was fällt unter die neuen Strafrechtsparagrafen 299a ff.? Aufklärung sollte dabei eine Veranstaltung der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) Ende April mit dem Titel „Antikorruptionsgesetz – Der neue Straftatbestand der §§ 299a ff. Strafgesetzbuch (StGB)“, bieten.
In seiner Begrüßung hob BLÄK-Präsident Dr. Max Kaplan hervor, dass mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen als Straftatbestände im StGB verankert wurden, was bisher schon im Vertragsarztrecht und in der Berufsordnung (§§ 30 – 33) geregelt war. Allerdings sei die konkrete Umsetzung des Gesetzes, vor allem dessen Auswirkungen auf die Tätigkeit von Haus- und Fachärzten in Praxis und Klinik, unklar und habe zu massiven Verunsicherungen in der Ärzteschaft geführt. „Mit der heutigen Veranstaltung wollen wir zu mehr Aufklärung beitragen“, betonte Kaplan. Der Gesetzgeber begründet seine Maßnahmen damit, dass a) der besonderen Verantwortung der im Gesundheitswesen tätigen Heilberufsgruppen – insbesondere von Ärztinnen und Ärzten – Rechnung getragen und b) gewährleistet wird, dass heilberufliche Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden. Den Vorschlag, anstelle einer Lösung im Strafrecht im ärztlichen Berufsrecht einen „Untersuchungsführer“ nach dem Muster Schleswig-Holsteins mit Ermittlungsbefugnissen zu etablieren, habe die BLÄK nicht durchsetzen können. „Immerhin können wir für uns verbuchen, dass das neue Gesetz nicht ein ‚lex medici‘ ist und die entsprechenden Berufsordnungs-Paragrafen nicht ins StGB reingeschrieben wurden“, so Kaplan. Bereits während der Entstehung dieses Gesetzes wurde deutlich, dass die Absicht des Gesetzgebers, korruptive Strukturen im Gesundheitswesen zu bekämpfen ohne wünschenswerte Kooperationen infrage zu stellen, nicht ganz einfach werde. Kaplan stellte ganz konkrete Fragen, wie beispielsweise „Gibt es Geringwertigkeits- und Bagatellgrenzen?“, „Was versteht man unter Vorteilsnahme durch unlautere Bevorzugung im Wettbewerb?“, „Wann wird Kooperation zu Korruption?“, „Wie müssen Belegarzt-, Honorararzt- und Konsiliararzt-Verträge gestaltet werden?“ oder „Wie ist eine Zusammenarbeit mit Heilmittelerbringern weiterhin möglich?“, die im Laufe der Tagung diskutiert wurden.
Thematische Einführung
Peter Kalb, Rechtsreferent der BLÄK, gab in seinem Vortrag eine thematische Einführung in die Strafbarkeit der Korruption im Gesundheitswesen. Er erläuterte die Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs (BGH), dessen Beweggründe den Gesetzgeber zur Nachbesserung aufzufordern sowie die Auswirkungen auf die Ärzteschaft. Mit Vorlage des ersten Entwurfs für ein Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen habe der Gesetzgeber mehr Unsicherheit denn Klarheit innerhalb der einzelnen Berufsgruppen geschaffen, so Kalb. Durch die Schaffung entsprechender Straftatbestände sei eine effektive strafrechtliche Ahndung nun möglich. Kalb verwies auf vier Prinzipien, die bei einer Prüfung auf korruptes Verhalten Anwendung finden sollten: Das Äquivalenzprinzip, das Trennungsprinzip, das Transparenzprinzip und das Dokumentationsprinzip. Unter dem Äquivalenzprinzip verstehe man die Frage, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Mit dem Trennungsprinzip werde geprüft, ob bei Interaktionen auf jede (auch mittelbare) Koppelung von Zuwendung und etwaigen Umsatzgeschäften verzichtet wird. Das Transparenzprinzip schreibe die Offenlegung von Zuwendungen fest, was insbesondere im öffentlichen Dienst zu beachten sei. Nach dem Dokumentationsprinzip sei zu prüfen, ob Vorteilszuwendungen schriftlich fixiert und dadurch nachvollziehbar gemacht wurden. Abschließend ging Kalb noch auf die Problematik „unlauterer Wettbewerb“ ein.
Sicht der Staatsanwaltschaft
Dr. jur. Michael Nunner, Staatsanwalt als Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft München I, sprach in seinem Referat über den neuen Straftatbestand der §§ 299a ff. StGB – Strafbarkeits- und Strafverfolgungsrisiken für Ärztinnen und Ärzte aus Sicht der Staatsanwaltschaften. Im Zentrum von möglichem korruptem Verhalten stehe die unlautere Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung. Nunner nannte Beispiele, bei denen eine Unrechtsvereinbarung und strafbares Verhalten nahe lägen, nämlich bei Zuweisungen gegen Entgelt, bei verdeckten Rückvergütungen für die Verordnung bestimmter Medikamente, durch unangemessen honorierte „Anwendungsbeobachtungen“ oder „Beraterverträge“ mit Pharmafirmen oder bei „Luxus-Fortbildungen“, womit zum Beispiel Veranstaltungen an Urlaubsorten unter Mitnahme von Begleitpersonen sowie mit Rahmenprogramm gemeint seien. Hierdurch könne es zu einer Beeinflussung beispielsweise des Verschreibungsverhaltens kommen, so Nunner. Auch verwies der Staatsanwalt darauf, dass die Ärzteschaft es hier mit keiner grundlegenden Änderung der materiellen Rechtslage zu tun habe. „Die strafbewehrten Verhaltensweisen waren im Wesentlichen auch bisher verboten“, stellte er klar. „Die verbotenen Verhaltensweisen werden – bei Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung – in Zukunft nun auch strafbar sein“, erklärte Nunner.
Schnittstelle ambulant-stationär
Nach der Halbzeitpause nahmen Dr. jur. Herbert Schiller, Justitiar der BLÄK und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sowie Leiter der Rechtsabteilung der KVB und Dr. jur. Ronny Rudi Richter, Rechtsabteilung der KVB, den thematischen Faden mit ihrem Gemeinschaftsreferat zur „Strafbarkeit der Korruption im Gesundheitswesen. Der ambulante Bereich – Schnittstelle ambulant-stationär“ wieder auf. Darin gingen sie besonders auf den Wortlaut des Gesetzes „besonders schwere Fälle“ ein und erläuterten die Begriffe „Vorteil“ und „Unrechtsvereinbarung“. Schiller konnte die „Korruption in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung“ grundsätzlich darstellen und Richter zeigte anschließend die Problematik sehr plakativ anhand konkreter Beispiele wie Überweisung/Einweisung, Praxisgemeinschaft, Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bzw. Teilberufsausübungsgemeinschaft auf. Auch die Themen „Belegarzt“, „Honorararzt“, „im Krankenhaus angestellter Vertragsarzt“ oder „vor- und nachstationäre Behandlung“ sprach Richter an. In der anschließenden Fragerunde gab Schiller zu bedenken, dass viele Akteure im Gesundheitswesen mehr oder weniger ratlos vor dem neuen Gesetz stünden aber allgemein festgestellt werde, dass nichts enthalten sei, was bisher nicht schon durch Berufs- und Vertragsarztrecht verboten sei und Richter mahnte, dass ein „vermeintlich ‚mildes Ergebnis‘ im Strafverfahren gleichwohl verheerende Folgen zum Beispiel für die Zulassung und die Approbation haben kann“.
Stationärer Bereich
Das thematische Pendant zum KVB-Referat lieferte anschließend mit „Strafbarkeit der Korruption im Gesundheitswesen. Der stationäre Bereich – Schnittstelle stationär-ambulant“ Christoph Heppekausen, Leiter Stabsstelle Recht der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). Diskutiert wurden im Plenum vor allem die Möglichkeiten von ambulant-stationären Kooperationen, beispielsweise Anstellung, Honorararztwesen etc. sowie die Berechnungsansätze zur Angemessenheit der Vergütung im Rahmen von ambulant-stationären Kooperationen. Doch zuvor stellte Heppekausen die geltende Rechtslage für Krankenhausmitarbeiter vor, ging auf die „angemessenen Entgelte für die in diesem Rahmen erbrachten heilberuflichen Leistungen“ und auf den „Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung in wirtschaftlich angemessener Höhe“ laut Gesetzesbegründung ein. Der BKG-Jurist gab Hinweise für existierende und zukünftige Kooperationen – Kooperationsformen und brachte ein Beispiel für die „Kosten ärztlicher Dienst, Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), Kalkulation“. Literaturhinweise und ein Verweis auf die „Gemeinsame sektor-übergreifende Clearingstelle Rechtskonformität zwischen der BLÄK, KVB und der BKG“, deren Geschäftsstelle bei der BLÄK eingerichtet ist, rundeten sein Referat ab.
Christoph Heppekausen, Dr. jur. Ronny Rudi Richter, Dr. Max Kaplan, Dr. jur. Herbert Schiller, Marie-Luise Hof, Dr. jur. Michael Nunner und Peter Kalb (v. li.) referierten und diskutierten mit dem Publikum.
Berufsrechtliche Aspekte
Den Schlusspunkt der Tagung setzte Marie-Luise Hof, Leiterin des Referats Berufsordnung I, mit ihrem Vortrag „Auswirkungen auf die ärztliche Berufsausübung und Herausforderungen für die Beratungspraxis in der BLÄK“. Darin ging sie zunächst auf die „Unrechtsvereinbarung/Vorteilsgewährung in der Schnittstelle der Rechtsgebiete“ ein und diskutierte vor allem die „Schnittstelle Strafrecht/Berufsrecht“. Hof wies auf § 24 der Berufsordnung hin, der die Ärzte auffordert, Verträge vor Abschluss der Kammer vorzulegen. Dies grenzte sie von einer Prüfung nach Abschluss des Vertrages ab, die auch zu einem berufsaufsichtlichen Verfahren führen könne. Hier komme es besonders darauf an, wie der Vertrag gelebt werde. Anknüpfend an Heppekausens Erwähnung der „Clearingstelle Rechtskonformität“ wies sie darauf hin, dass dessen Tätigwerden das Einverständnis aller Vertragsbeteiligten voraussetze. Die BLÄK-Assessorin brachte Beispiele wie Mietkostenzuschuss, Blutzuckermessgeräte, Einladungen/Geschenke oder Anwendungsbeobachtungen. Besonders die angebotene Linkliste stieß im Plenum auf Interesse.
In der Abschlussdiskussion mit dem Präsidenten nutzten die über 70 Tagungsteilnehmer nochmals ausgiebig die Gelegenheit, Fragen zu stellen und gemeinsam zu diskutieren, wobei die Themen „Angemessenheit der Vergütung“ und „Eingriff in den Wettbewerb“ wohl die meist gefallenen Schlagwörter waren.
Vorträge gibt es auf der Homepage der BLÄK unter www.blaek.de im „Meine BLÄK“-Portal.
Teilen:
Das könnte Sie auch interessieren: