Krankenhaus-Reform? So nicht!

Tausende demonstrierten in Nürnberg gegen die Krankenhausreform, darunter auch BLÄK-Vizepräsidentin Dr. Heidemarie Lux (rechts).

Die Krankenhäuser machten gegen die geplante Klinikreform mobil. Am Aktionstag, 23. September, protestierten unter dem Motto „Krankenhaus-Reform? So nicht!“ die Krankenhaus-Beschäftigten bundesweit gegen das geplante Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) der Regierungskoalition, wobei Bayern einen Schwerpunkt bildete. Über 60 Protestveranstaltungen an Klinikstandorten fanden allein im Freistaat statt und rund 1.600 Mitarbeiter traten den Weg von Bayern nach Berlin an, um bei einer zentralen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor ihrem Ärger Luft zu machen. In Nürnberg marschierten über 2.500 Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vom Opernhaus zum Kornmarkt, wo eine Abschlusskundgebung stattfand.

Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg und Vorsitzender des Bayerischen Städtetages, befürchtete, dass „am Ende das KHSG mehr Probleme schafft und weniger Geld zur Verfügung steht“. Gesundheitsversorgung sei vor allem auch „Beziehungsarbeit“ und dafür brauche es zahlenmäßig genügend und insbesondere motiviertes Personal.

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) berichtete von einer großen Verärgerung in den Kliniken. Die Krankenhäuser, unabhängig von Trägerschaft und Größe, seien sich bei der Bewertung des KHSG einig. Die Aussage der Bundesregierung, mit der Reform würde die Qualität der Behandlungen verbessert, bezeichnete BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein als „weltfremd“. „Für gute Qualität brauchen die Krankenhäuser ausreichend Personal und eine moderne Ausstattung. Aber mehr Qualität fordern und gleichzeitig die finanziellen Mittel dafür kürzen, diese Formel kann nicht aufgehen.“ Hasenbein geht seit vielen Monaten gegen die wesentlichen Inhalte der Reform an. Seine Kritik an dem 126 Seiten starken KHSG: Man wolle den Kliniken zwar finanzielle Anreize bieten, wenn diese ihre Versorgungsqualität erhöhen, plane jedoch auch Abschläge – etwa dann, wenn eine Klinik das zuvor vereinbarte Leistungsangebot ausbaue.

Peter Krappmann, Vorstand des Klinikums Fürth, sprach für die kommunalen Kliniken in Mittelfranken und kritisierte vor allem die geplante Einführung des „Fixkostendegressionsabschlags“. Dieser sei ein glatter „Fehlanreiz“ und führe zu „Risikoselektion“ in den Häusern. Als „No-Go“ bezeichnete er auch die sogenannten „unabhängigen und unangemeldeten Prüfungen“ durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Wörtlich: „Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) hat viel versprochen und wenig gehalten“.

Harald Raab-Chrobok, Pflegedienstleiter am Nürnberger Krankenhaus Martha-Maria, habe so eine Reform noch nie gesehen, obwohl er bereits viele Gesundheitsreformen erlebt habe. Für ihn war klar: „Die Krankenhäuser kämpfen jetzt schon ums Überleben“. In Zahlen bedeute dies, dass über die Hälfte der Krankenhäuser in Bayern 2015 ein Defizit erwirtschaften werde. Unter dem finanziellen Druck habe in den Kliniken längst eine Arbeitsverdichtung stattgefunden, die auch den Patienten nicht entgehen könne: Das Pflegepersonal habe kaum Zeit für Gespräche und sei oft gehetzt. Der Personalschlüssel in der Pflege liege bereits jetzt bei 13 zu 1 (Patienten pro Pflegekraft). „Unter sich verschärfenden Arbeitsbedingungen droht am Ende die eigene Gesundheit Schaden zu nehmen“.

„Was wir brauchen sind klare und einklagbare Investitionsverpflichtungen der Länder“, forderte Dr. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK). Insbesondere im Hinblick auf die Patientensicherheit sei eine deutlich stärkere Berücksichtigung der notwendigen Personalausstattung und -finanzierung erforderlich. Lux vermisse Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, zur Reduktion der Arbeitsverdichtung, zur Refinanzierung der Tarifabschlüsse sowie zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade beim Punkt Investitionskosten stehe Bayern „nicht gerade mustergültig“ da, denn die Entwicklung der Krankenhausförderung in Bayern zeige ganz deutlich, dass das Niveau des Jahres 2002 mit 613 Millionen Euro bei Weitem nicht erreicht werde. Derzeit betragen die Investitionskosten 500 Millionen Euro. Zum Thema „Qualitätsoffensive“ sagte Lux: „Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von „Pay for Performance“-Ansätzen im Gesundheitswesen ist bisher nicht nachgewiesen und es besteht große Gefahr, dass eine Risikoselektion einsetzt. Zu- und Abschläge für die Qualität medizinischer Versorgung zu zahlen, sehe ich daher kritisch“.

Peter Schmitt-Moritz, ver.di-Gewerkschaftssekretär für Gesundheit, Wohlfahrtspflege, soziale Dienste, Bezirk Mittelfranken, schloss mit den Worten, dass die Reform völlig die Realität in den Kliniken verkenne, den wenigen punktuellen Verbesserungen stünden massive finanzielle Kürzungen gegenüber. Wird der Bundestag den vorliegenden Gesetzentwurf so beschließen, werde die Qualität in den Krankenhäusern leiden und die Belastung der Mitarbeiter weiter ansteigen.

 

 

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