Liberté, égalité, fraternité

Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK

Ende des Monats stehen die Bundestagswahlen an, der Wahlkampf ist in vollem Gange, die Wahlprogramme, die Regierungsprogramme der einzelnen Parteien sind veröffentlicht. An oberster Stelle der gesundheitspolitischen Diskussion steht derzeit die Finanzierung des Gesundheitswesens, also Bürgerversicherung oder Erhalt des Zweisäulenmodells aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Das Ganze wird verbunden mit einer Gerechtigkeitsdebatte, die nicht gerechtfertigt ist, denn in keinem anderen Land der Welt haben alle Patientinnen und Patienten einen so niederschwelligen Zugang zu allen Gesundheitsleistungen wie bei uns in Deutschland. Vielmehr handelt es sich um eine Gleichheitsdiskussion, jedoch auf Kosten des Zugangs, des Leistungsumfangs und der Qualität der medizinischen Versorgung.

Französische Revolution

Die Schlagworte Gleichheit und Gerechtigkeit erinnern mich an die Forderung der Französischen Revolution – „égalité, fraternité, liberté“.

» Ersetzen wir „égalité“ mit „equity“, dann könnten wir diese Forderung auch für die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems und als Wahlprüfsteine für die anstehenden Bundestagswahlen wählen.

» „Fraternité“ bedeutet im Gesundheitswesen Solidarität: Eine Solidarität innerhalb der Gesundheitsberufe, was letztendlich eine engere Kooperation bedeutet, die notwendig ist, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, aber auch eine Solidarität in der Versichertengemeinschaft und eine Solidarität innerhalb der gesamten Gesellschaft, wobei Solidarität ohne Subsidiarität nicht funktioniert. Dies heißt, dass wir wieder mehr Selbstverantwortung übernehmen müssen, Selbstverantwortung für unsere Gesundheit. Dies heißt, dass die Gesundheitskompetenz unserer Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden muss, was ja auch unser Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe (CDU), mit der Gründung der „Allianz für Gesundheitskompetenz“ unterstrichen hat. Hierbei haben sowohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung als auch die Bundesärztekammer (BÄK) ihre Beteiligung und ihre Bereitschaft zur Mitarbeit – gerade im Sinne einer verbesserten Kommunikationskompetenz – signalisiert.

» Schließlich komme ich noch zur „liberté“, zur Freiheit, wobei ich hier den Erhalt des freien Berufes und der Freiberuflichkeit in der Gesundheitsversorgung einfordere. Mit der freien Berufsausübung, der Weisungsungebundenheit und der professionellen Autonomie verbinde ich auch die Forderung nach einer handlungsfähigen ärztlichen Selbstverwaltung. Dies ist auch ein ganz entscheidender Faktor um die Qualität und die Professionalität des Arztberufs zu sichern. Gleichzeitig ist es auch ein Garant dafür, den ärztlichen Sachverstand in die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens einzubringen.

Versorgungsstrukturen

Dabei sind wir uns ja alle einig, dass sich die Versorgungsstrukturen ändern müssen. Die Sektorengrenzen sollen überwunden werden, sektorenübergreifende Versorgung ist angesagt, ebenso sektorenübergreifende Qualitätssicherung. Und sicherlich müssen wir auch innovativ denken und hier wird natürlich die schnelle Entwicklung der Digitalisierung eine große Rolle spielen. Hierbei ist primär ein stärkerer Ausbau der Telemedizin, also der Telediagnostik, der Telekonsultation und des Telemonitorings angedacht, aber auch das Thema Fernbehandlung werden wir in den nächsten Wochen intensiv diskutieren müssen. Dies alles sind Forderungen, die in den Wahlprogrammen enthalten sind und die wir grundsätzlich unterstützen.

Mehr als Finanzierung

Im gegenwärtigen Bundestagswahlkampf geht es also um wesentlich mehr, als um die Finanzierung unserer Gesundheitsversorgung. Deswegen hat der Vorstand der BÄK auch klare Positionen – so genannte Wahlprüfsteine – entwickelt und veröffentlicht. Die Stärkung der ärztlichen Freiberuflichkeit, die Förderung des ärztlichen Nachwuchses, bedarfsgerechte Konzepte für Kooperationen im Gesundheitswesen und die Etablierung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung der gesundheitlichen Versorgung – diese Themen gehören nach Überzeugung der BÄK ebenso dringend auf die gesundheitspolitische Agenda der neuen Bundesregierung, wie das Einfordern einer bedarfsgerechten Finanzierung der Krankenhäuser, einer modernen und transparenten GOÄ oder der Einführung der Gesundheitskarte für alle Geflüchteten. Die Stärkung der ärztlichen Versorgungswerke und die Verhinderung der Normung von Gesundheitsdienstleistungen stehen ebenso auf der BÄK-Forderungsliste (www.bundesaerztekammer.de).

Gerade in der Phase der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl werden wir unsere ärztliche Expertise einbringen und unsere Forderungen mit Nachdruck artikulieren.

Top