Medizinische Versorgung rund um den G7-Gipfel
Am 7. und 8. Juni 2015 fand in Bayern auf Schloss Elmau das Gipfeltreffen der sieben großen Industriestaaten (G7) statt. Gastgeber war die Bundesregierung, wobei Bayern den Bund in der Vorbereitung und Abwicklung des Gipfels tatkräftig unterstützte. Wie stand es um die medizinische Versorgung des kompletten G7, das heißt der Gipfelteilnehmer, der Mitarbeiter, der Einsatzkräfte, der weiteren Dienstleister und nicht zuletzt der Demonstranten? Eine Herkulesaufgabe galt es zu bewältigen, die über ein Jahr Vorlaufzeit in Anspruch nahm und sowohl ein umfassendes Rettungskonzept als auch den ärztlichen Dienst der Polizei umfasste. Während der ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei in erster Linie die Polizeieinsatzkräfte zu versorgen hatte, war das Bayerische Staatsministerium des Inneren für die medizinische Versorgung der Bevölkerung einschließlich der Gipfelteilnehmer verantwortlich. Dieser Job wurde maßgeblich von den Rettungsdiensten, der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Hilfsorganisationen, unter der Federführung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), übernommen. Mit eingebunden waren sie alle: Kräfte der Johanniter, des Technischen Hilfswerks, des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Malteser und natürlich die Retter des BRK.
Rettungskette
Bei der medizinischen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger während des G7-Gipfels griff man auf die übliche Rettungskette – über die integrierte Rettungsleitstelle Weilheim/Oberland – zurück. Diese wurde personell verstärkt und auch technisch besser ausgestattet, das heißt es wurde der Digitalfunk für Polizei, Feuerwehr und Rettung eingeführt, was sukzessive künftig in ganz Bayern vollzogen werden soll. „Da sich jedoch nicht alle Beteiligten im unmittelbaren Kernbereich, im sogenannten ‚Retreat‘ von Schloss Elmau befanden, sich viele Veranstaltungen in Garmisch-Partenkirchen oder in München abspielten, galt es ein räumlich sehr großes Areal zu versorgen“, sagte Hans-Peter Kammerer, Polizei-Pressesprecher vom Planungsstab des G7. So hielten sich etwa zahlreiche „Outreach-Gäste“ während des G7 in München auf. Dazu zählten beispielsweise Staats- und Regierungschefs aus afrikanischen Staaten oder Chefs internationaler Organisationen, wie etwa der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Grundsätzlich sicherte das Bundeskriminalamt den geschlossenen Kernbereich von Schloss Elmau. Doch auch der erweiterte Sicherheitsbereich, etwa in einer Ellipse um das Schloss Elmau herum bis zur Mautstelle in Klais, war während des G7 für die Bevölkerung tabu. „Unser Einsatzraum war riesig und begann eigentlich am Flughafen München, umfasste die Landeshauptstadt München und reichte von Garmisch-Partenkirchen bis hin zum Schloss“, so Kammerer, der von einer großen Belastung und immensen Kraftanstrengung für alle Polizeikräfte sprach. Damit meinte der Polizeibeamte nicht nur die allseits verhängte Urlaubssperre. „Eine große Herausforderung für uns alle war es, eine gute Atmosphäre zu schaffen, Bürgernähe zu signalisieren und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten.“
Hochtal
Eingerichtet waren im näheren Umfeld des Schlosses zwei Rettungszenten „Nord“ und „Süd“ sowie mobile Komponenten die dorthin verlagert wurden, wo Veranstaltungen bzw. Ereignisse stattfanden. Verletzte oder Erkrankte wurden – falls nötig – in die Krankenhäuser gebracht, die freie Kapazitäten meldeten, wie beispielsweise in des Klinikum Garmisch-Partenkirchen, die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau (BGU) oder auch in das Landeskrankenhaus – Universitätskliniken Innsbruck. Doch auch im Schloss Elmau selbst existierte eine gewisse medizinische Grundversorgung, denn wie bei jeder Großveranstaltung auch, hatte man eine „Sanitätskomponente vor Ort“.
Mobile Sanitätskomponenten und Sanitätsstellen wurden rund um das Schloss errichtet.
Polizei
„Uns spielt der Zufall auch glücklich rein“, sagte Dr. Christian Kühl, Medizinaldirektor, stellvertretender Leiter der I. Bereitschaftspolizeiabteilung, Ärztlicher Dienst der Bayerischen Polizei, „denn die BGU verfügt aufgrund eines Neubaus derzeit über gewisse Bettenkapazitäten“. Die medizinische Versorgung der Polizeikräfte war Kühls oberste Aufgabe vor und während des Gipfels. Rund 15.000 bis 17.000 Polizeibeamtinnen und -beamte aus dem gesamten Bundesgebiet hatte der polizeiärztliche Dienst mit seinen 25 Ärzten, drei Zahnärzten, einem Apotheker, 35 Sanitätsbeamten und 34 Medizinischen Fachangestellen (teilweise in Teilzeit) zu übernehmen. „Da die Polizeibeamten an den Gipfel-Tagen und bereits schon Tage bzw. Wochen zuvor 24 Stunden im Einsatz waren und dann beispielsweise auch keine Vertragsarztpraxis aufsuchen konnten, galt es hier eine Art hausärztliche Versorgung sicherzustellen“, sagte Kühl. Untergebracht waren die Polizeikräfte in umliegenden Gasthöfen, Pensionen und Ferienwohnungen. Die Erkrankungen reichten von Halsschmerzen bis hin zum Harnwegsinfekt oder Verstauchungen und Prellungen. Selbstverständlich unterstützte man auch die Versorgung der Bevölkerung – falls nötig – mit.
Hilfsorganisationen
Der G7-Gipfel war für die Bayerischen Hilfsorganisationen einer der größten Einsätze – keine Frage. Leonhard Stärk, BRK-Landesgeschäftsführer wertete die Unterstützung für die rund 1.500 Helferinnen und Helfer, darunter viele Ärztinnen und Ärzte, durch die Politik als „durchaus ausreichend“. Die Sanitätsdienste traten ab dem 2. Juni in die „heiße Phase ein“ und waren schon besonders angespannt, da sich auch die Gipfel-Gegner mit Großdemonstrationen angekündigt hatten, kommentierte Stärk die Situation vor dem Ereignis. „Die medizinische Versorgung der Menschen in Bayern war wegen des G7 jedoch zu keiner Zeit in Gefahr“, so der BRK-Landesgeschäftsführer. „Wir ziehen keinen einzigen Rettungswagen aus dem Tagesgeschäft ab.“ Die meist ehrenamtlichen Helfer im Einsatz – sofern sie von ihrem Arbeitgeber freigestellt waren – konnten meist die Lohnfortzahlung in Anspruch nehmen; die Fahrtkosten sowie die Kosten für Unterbringung und Verpflegung wurden übernommen. Alles in allem kalkulierte der Freistaat Bayern im Doppelhaushalt die Kosten für die weißen und roten Einsatzkräfte, Sanitäter und Feuerwehr, mit über sechs Millionen Euro, die Stärk jedoch in Frage stellte: „Jetzt, nach dem Gipfel, werden wir noch über das Geld reden müssen.“ Bedenken hatte Stärk allenfalls vor einer zusätzlichen Hochwasser- oder Unwetter-Katastrophe. Doch dann hätte man immer noch zusätzliche Hilfe aus Tirol oder anderen Bundesländern anfordern können. Wichtig für Stärk war es zu betonen, dass die Hilfskräfte zu keinem Zeitpunkt Gefahren ausgesetzt waren.
Dr. Florian Meier, stellvertretender Landesarzt des BRK und medizinischer Fachberater der Hilfsorganisationen, leistete während des G7 im Lagezentrum in München seinen Dienst. Auch er beteuerte, dass das „Alltagsgeschäft“ reibungslos weiterlaufen konnte, auch wenn die eine oder andere Veranstaltung in der Region schon mal vorausschauend abgesagt wurde, wie etwa ein „Trachtlertreffen“ in Garmisch. In Garmisch-Partenkirchen, Krün und Mittenwald standen temporäre Rettungswachen mit sogenannten Standard-Hilfeleistungskontingenten jederzeit bereit. Untergebracht waren die Helfer in verschiedenen Gebäuden des Freistaates, wie beispielsweise Kasernen. „Soweit war alles gut geregelt und Routine“, sagte Meier. Bedenklich stimmte ihn jedoch die Tatsache, dass bei diesem Großereignis auf die Freiwilligen der Hilfsorganisationen gebaut wurde, während Polizei, Caterer oder andere Dienstleister selbstverständlich regulär bezahlt wurden. Gerade für die rund 100 Ärztinnen und Ärzte, die in das Rettungskonzept miteinbezogen waren, stellte sich die Situation oft belastend dar. Manche Ärzte erhielten – von Garmisch bis München – gar keine Freistellung von ihrem Klinikträger mit dem Argument, sie würden im Krankenhaus benötigt. Viele seiner Klinikkolleginnen und -kollegen nahmen dann ganz einfach Urlaub. Niedergelassene, wie er selbst, mussten mit den Vergütungspauschalen zurechtkommen, die jedoch die Verdienstausfälle in der Praxis nicht ausgleichen können. „Obwohl das natürlich nicht ausreicht, ist der G7-Gipfel in Elmau schon eine großartige Geschichte“, so Meier optimistisch. Wegen der hohen Sicherheitsstufe und der alpinen Lage war der ganze Einsatz eine Herausforderung für alle – insbesondere auch für die Bayerische Bergwacht, Teil des BRK, die sich seit 30. Mai im Dauereinsatz befand, da das gesamte Gebiet des Wettersteingebirges rund um das Tagungshotel herum ein klassisches alpines Einsatzgebiet ist, wo sich sowohl Polizeikräfte als auch Demonstranten verletzen können. „Wir versorgten jeden Erkrankten oder Verletzten – egal ob Gipfelteilnehmer, Demonstrant oder Wanderer“, sagte Meier abschließend und fügte noch hinzu, dass er sich über jede Kollegin und jeden Kollegen freuen würde, der künftig im BRK mitarbeiten würde. „Unterstützung können wir immer brauchen – auch ohne G7.“
So löste der G7-Gipfel auf Schloss Elmau einen der größten Einsätze von Rettungskräften in Bayern aus – und das, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel angeblich einmal dort einen schönen Urlaub verbrachte.
Dagmar Nedbal (BLÄK)
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