München Klinik Schwabing: COVID-19
Seit vielen Monaten ist der Alltag in den Kliniken ein anderer, ist geprägt von der sogenannten neuen Normalität, die immer noch Herausforderungen mit sich bringt.
Wir wollen uns ein Bild von der COVID-19-Versorgung vor Ort machen – von den Aufnahmestrukturen für Notfallpatienten bis hin zur Intensivstation für COVID-19-Patienten. Der München Klinik, Standort Klinik Schwabing, kommt bei der COVID-19-Versorgung eine besondere Bedeutung zu: In Schwabing wurden Ende Januar 2020 die ersten COVID-19-Patienten Deutschlands versorgt („Webasto-Cluster“). Ein Gespräch mit Chefarzt Professor Dr. Clemens-M. Wendtner.
Wie viele COVID-19-Patienten haben Sie seitdem hier behandelt?
Wendtner: Wir haben in der München Klinik an unseren fünf Standorten Bogenhausen, Schwabing, Harlaching, Neuperlach und Thalkirchner Straße bis heute insgesamt über 2.500 Verdachtsfälle und 900 bestätigte COVID-19-Patienten behandelt, davon 190 Patienten auf der Intensivstation. Am Standort Schwabing haben wir Ende Januar die deutschlandweit ersten COVID-19-Patienten der Firma Webasto und seitdem rund 340 COVID-19-Patienten versorgt, davon über 70 Patienten auf der Intensivstation.
Existiert ein Austausch mit anderen Kliniken und Experten bezüglich der erarbeiteten Behandlungsstandards und Erkenntnisse?
Wendtner: Seit Beginn der Pandemie sind alle Klinikstandorte der München Klinik in einem übergreifenden Krisenstab vernetzt, in dem Experten aus allen relevanten Fachbereichen zusammenkommen. Hier werden Behandlungsstandards sowie Sicherheitskonzepte und Prozesse gemeinsam oft noch vor den behördlichen Vorgaben erarbeitet, die festgelegten Standards gehen beispielsweise bei der Patienten- und Mitarbeitertestung noch über gesetzliche Vorgaben hinaus. Über eine Online-Plattform stellen wir das gewonnene Wissen zeitnah auch anderen Kliniken zur Verfügung – über 80 Kliniken haben davon bislang Gebrauch gemacht. Auch in der Forschung sind wir aktiv, wir haben gemeinsam mit anderen Kliniken mehrfach wissenschaftlich zum Webasto-Cluster publiziert, inklusive sehr hochrangiger und viel gelesener internationaler Publikationen in Fachzeitschriften wie Nature und Cell. Somit sind wir durch unsere frühzeitige Befassung mit COVID-19 zum Ratgeber für Politik und Behörden geworden.
Die München Klinik Schwabing ist eines der wenigen deutschen Zentren zur klinischen Erforschung des Ebola-Medikaments Remdesivir als mögliche Therapie gegen COVID-19 – können Sie etwas über den Forschungsstand sagen?
Wendtner: Das ist richtig, wir waren in Schwabing als Forschungszentrum an einer globalen klinischen Studie beteiligt, die die Zulassung des Medikaments im Juli auf den Weg gebracht hat. Im Rahmen der Studie konnten wir nachweisen, dass Remdesivir die Genesung von COVID-19-Patienten mit Lungenentzündung signifikant verkürzen und die Sterblichkeit verringern kann. Es profitieren insbesondere Patienten in einer frühen Phase der Erkrankung, die nicht intensivmedizinisch behandelt werden müssen.
Haus 3 der München Klinik Schwabing wurde für die langfristige COVID-19-Behandlung umgebaut? Was sind die wesentlichen Elemente dieses „Krankenhauses im Krankenhaus“?
Wendtner: In der Medizin müssen wir langfristig denken – denn auch im Regelbetrieb werden wir auf absehbare Zeit in Krankenhäusern weiterhin schwerkranke COVID-19-Patienten behandeln und die maximale Sicherheit durch eine Trennung der Patientenströme gewährleisten müssen. Um hierfür das optimale Umfeld zu schaffen, wurde am Standort Schwabing, der praktischerweise in Pavillon-Bauweise aus vielen Einzelbauten besteht, das Haus 3 umgebaut und fungiert jetzt wie ein Krankenhaus im Krankenhaus: Hier werden als Erweiterung unserer großen Hauptabteilung für Infektiologie ebenfalls Patienten mit COVID-19 auf mehreren COVID-Normalstationen und einer eigenen Intensivstation behandelt. An allen Standorten der München Klinik ist eine solche durchgehende Trennung der Patientenströme und Behandlungspfade bereits im Verdachtsfall fest etabliert. Es wurden also gleich an fünf Standorten „Krankenhäuser im Krankenhaus“ geschaffen, um maximal mögliche Sicherheit gewährleisten zu können.
Oberarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing: Dr. Michael Seilmaier, aus dem Team von Professor Wendtner
Längst hat der Regelbetrieb und damit die reguläre Patientenversorgung in der Klinik Schwabing wieder Einzug gehalten. Können Sie maximal mögliche Sicherheit für Patienten und Personal sicherstellen?
Wendtner: Die maximal mögliche Sicherheit von Mitarbeitenden und Patienten hatte für uns immer oberste Priorität. Wir haben im Krisenstab früh ein Sicherheitskonzept ausgearbeitet, das durchgehend Bestand hatte und allen Maßnahmen zugrunde liegt. Dazu gehören engmaschige Mitarbeitertests ebenso wie die Testung aller Patienten vor bzw. bei der Aufnahme und eine eingeschränkte Besucherregelung. In den Sommerferien, als die Fallzahlen hierzulande niedrig waren und die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, haben wir unser Sicherheits- und Testkonzept mit Blick auf Reiserückkehrer sogar noch erweitert. Wir sehen uns jeden Tag die aktuellen Fallzahlen an und können unsere Kapazitäten jederzeit anpassen. Aber in erster Linie hoffe ich natürlich, dass die politischen Maßnahmen von der Bevölkerung weiterhin gut angenommen werden und wir damit einen neuen Ansturm an behandlungsbedürftigen COVID-19-Patienten im Winter vermeiden können.
Professor Dr. Clemens-M. Wendtner, Chefarzt der Klinik für Hämatologie,
Onkologie, Immunologie, Palliativmedizin, Infektiologie und Tropenmedizin,
München Klinik Schwabing
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dagmar Nedbal (BLÄK)
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