Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie – highlighted

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie – highlighted

Das Fach Mund-Kiefer-Gesichts­chirurgie (MKG-Chirurgie) wird als „kleines Fach“ im Bereich der Humanmedizin angesehen. Als Bindeglied zwischen Human- und Zahnmedizin kommt der MKG-Chirurgie jedoch eine wichtige Sonderstellung zu, da sie klinisches Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse beider Fächer vereint. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann sich das Fachgebiet sowohl aus chirurgisch interessierten Zahnärzten als auch aus (traumatologisch orientierten) Chirurgen mit Interesse für die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu formieren. Im Jahr 1951 wurde der Facharzt für Kiefer- und Gesichtschirurgie erstmalig definiert und im Jahr 1976 in „Facharzt für MKG-Chirurgie“ umbenannt. Voraussetzung für die Weiterbildung zum Facharzt für MKG-Chirurgie ist die ärztliche und zahnärztliche Approbation (Doppelapprobation) [1]. Seit 1987 besteht die Möglichkeit der zweijährigen Zusatz-Weiterbildung in der plastischen Chirurgie für MKG-Chirurgen (Zusatz­bezeichnung „Plastische Operationen“).

Fall 1: Fraktur des Kieferwinkels (Unterkieferfraktur)

Anamnese

Ein 19-jähriger Patient wurde unter der Verdachtsdiagnose eines Polytraumas nach stattgehabtem Hochrasanztrauma im Straßenverkehr mit Notarztbegleitung im Schockraum vorgestellt. Bereits durch den Notarzt war eine starke Blutung aus der Mundhöhle festgestellt und als Aspirationsschutz eine Intubation nach Narkoseeinleitung durchgeführt worden. Vor Intubation habe der GCS-Score bei 14/15 gelegen.

Diagnostik und Erstversorgung

In der Computertomografie zeigte sich eine Fraktur des Kieferwinkels rechtsseitig als Verletzung auf MKG-chirurgischem Fachgebiet (Abbildung 1). Als weitere Verletzungen wurde eine Fraktur des Mittelfußes und eine Claviculafraktur festgestellt. Im Schockraum erfolgte zunächst eine Versorgung der Riss-Quetschwunden der Mundschleimhaut des Unterkiefervestibulums rechtsseitig über einen intraoralen Zugang. Die hier bestehende profuse Blutung konnte gestillt werden. Aufgrund des oral liegenden Endo­trachealtubus konnten initial keine weiteren immobilisierenden Maßnahmen im Bereich der Kiefer durchgeführt werden. Die Extubation des Patienten gelang noch am Abend des Unfalltages. Im Anschluss konnte eine genauere klinische Untersuchung vorgenommen werden. Der Patient verneinte ein Taubheitsgefühl im Bereich der Unterlippe rechtsseitig und beklagte neben starken Schmerzen bei Kieferbewegungen einen gestörten Biss (Okklusionsstörung). Dies kann ein klinisches Zeichen von knöchernen Verletzungen der Kiefer sein. Die Untersuchung der Ästhesie der Unterlippe war in diesem Fall zwingend nötig, um eine traumatisch bedingte Verletzung des N. alveolaris inferior, der im Canalis mandibulae im Unterkieferkorpus durch den Bereich des Kieferwinkels verläuft, auszuschließen. Zur Immobilisation der Kiefer erfolgte die Okklusions­sicherung (Fixierung des Unterkiefers zum Oberkiefer mit Zahnkontakt) provisorisch mit Hilfe von Drahtligaturen (sogenannte Ernst-Ligaturen). Bei definitionsgemäß offener Fraktur des Unterkiefers (durch den Einriss der Gingiva in diesem Bereich) wurde eine Antibiotikaprophylaxe mit Ampicillin/Sulbactam 2 g/1 g 1-1-1 intravenös begonnen.


Abbildung 1: 3D-Rekonstruktion einer nativen CT des Gesichtsschädels; hier zeigt sich eine Fraktur im Bereich des Kieferwinkels rechtsseitig.

Therapie und Nachsorge

Nach entsprechender Information des Patienten über die vorliegenden Befunde und Risikoauf­klärung erfolgte, nach schriftlicher Einverständniserklärung und nach operativer Versorgung der Claviculafraktur durch die Kollegen der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, die offen chirurgische Reposition und Osteosynthese des Kieferwinkels rechtsseitig über einen intra­oralen Zugang. Folgende operative Schritte waren in diesem Fall notwendig:

1. Einligieren von Draht-Bogenschienen (sogenannten Schuchardt-Schienen) zur späteren Sicherung der Okklusion während der Osteosynthese,
2. die Exploration und offene Reposition des Kieferwinkels rechtsseitig über einen intraoralen Zugang (Abbildung 2 a und b),
3. die Fixierung der Kiefer zueinander zur Einstellung der Okklusion (sogenannte intermaxilläre Fixation),
4. die Osteosynthese des Kieferwinkels (hier mit Hilfe einer Osteosyntheseplatte) und
5. die Entfernung der intermaxillären Fixation und Okklusionskontrolle.



Abbildung 2: a) Aufsicht auf den Kieferwinkel rechtsseitig nach operativem intraoralem Zugang (schwarzer Pfeil: Frakturbereich; weißer Pfeil: Anteile der sogenannten Schuchardt-Schiene zur intermaxillären Fixation); b) Zustand nach Reposition und Osteosynthese des Kieferwinkels (schwarzer Pfeil: Frakturspalt; weißer Pfeil: Osteosyntheseplatte).

In der postoperativen Röntgenkontrollaufnahme zeigte sich ein anatomisch korrektes Repositionsergebnis und eine regelrechte Lage des Osteosynthesematerials (Abbildung 3). Der Patient beklagte postoperativ keine Störungen der Okklusion, die initiale Schwellung besserte sich während des stationären Aufenthalts. Die Kieferöffnung war postoperativ mit einer Schneidekantendistanz von ca. 2 cm noch deutlich eingeschränkt. Die Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte am dritten postoperativen Tag, die Fortführung der Antibiotikaprophylaxe war nicht indiziert. Im Rahmen der ambulanten Nachsorge zeigte sich ein regelrechter Wundheilungsverlauf.



Abbildung 3: Postoperatives Orthopantomogramm zur Dokumentation des Repositionsergebnisses und der Lage des Osteosynthesematerials; die sogenannten Schuchardt-Schienen (roter Kreis) sind noch in situ (mit Draht-ligaturen an der Dentition fixiert); der retinierte Weisheitszahn im Bereich des Kieferwinkels rechtsseitig sollte im Rahmen der Materialentfernung mit entfernt werden.

Diskussion

Frakturen des Gesichtsschädels sind häufige Verletzungen. Die Inzidenz von Verletzungen im Bereich des Kopfes und des Halses liegt bei ca. 150 bis 200 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr [2]. Mittelgesichtsfrakturen mit und ohne Beteiligung des Orbitabodens werden am häufigsten diagnostiziert, gefolgt von Frakturen des Unterkiefers [3, 4, 5]. Die Hauptursachen von Frakturen des Gesichtsschädels sind ­Autounfäl­le, Rohheitsdelikte und Sportunfälle [3, 4]. Die zahntragenden Anteile der Kiefer können bei allen Frakturtypen beteiligt sein [5].

In der klinischen Diagnostik der Gesichtsschädel­frakturen spielen indirekte Frakturzeichen wie Schwellungen und Hämatome, aber auch direkte Frakturzeichen wie abnorme Beweglichkeit, Deformierung des Knochens und offene Frakturen eine entscheidende Rolle [6]. Die Intaktheit der Kaufunktion (Okklusion: Zusammenbeißen der Zähne; Artikulation: Bewegungen des Unterkiefers) ist ein wesentliches Problem bei knöchernen Verletzungen der Kiefer [7]. Insbesondere bei Frakturen des Unterkiefers stellen Patientinnen und Patienten oft unmittelbar eine Veränderung der Okklusion fest. Danach sollte auch gezielt gefragt werden. Aufgrund des intraossären Verlaufs des N. alveolaris inferior im Bereich des Unterkieferkorpus ist dessen Integrität in jeder traumatologischen Erstuntersuchung zu prüfen, da bei Frakturen des Unterkiefers Kompressionen oder Zerreißungen des Gefäß-Nerven-Bündels möglich sind. In schweren Fällen kann es durch eine bilaterale Mehrfachfraktur des Unterkiefers zu einer Dorsalverlagerung der suprahyoidalen Gewebe und der Zunge mit der Gefahr der Erstickung kommen [7].

Spezielle Fragestellungen bei Frakturen des Mittelgesichts ergeben sich vor allem bei mutmaßlicher Beteiligung der Orbita, da es hier zu intra­orbitalen Blutungen/Hämatombildungen mit gefährlichem intraorbitalen Druckanstieg und Einklemmung von Augenmuskeln kommen kann [8]. Diese Komplikationen orbitaler Verletzungen stellen MKG-chirurgische Notfälle dar und müssen umgehend therapiert werden [8]. Klinische Zeichen derartiger Komplikationen wären stärkste Schmerzen im Bereich der Orbita, Schmerzen und Übelkeit bei Augenbewegungen oder Visusminderungen bis zu Visusverlust [8]. Auch bei Abwesenheit akuter orbitaler/ophtalmologischer Problematiken ist die ­Konsultation eines Augenarztes bei jeder Verletzung des Mittelgesichts mit mutmaßlichem Bulbustrauma zwingend erforderlich, da auch primär nicht erkennbare Verletzungsfolgen wie zum Beispiel Verletzungen der Kornea, Hyphaema, Linsenverletzungen oder retinale Blutungen/Ablösungen ausgeschlossen werden müssen [9].

Je nach Verletzungsmuster existieren konservative und operative Therapieansätze für Gesichtsschädelfrakturen. In jedem Fall ist der zentrale Aspekt der Frakturversorgung die Wiederherstellung der Kaufunktion (Unterkiefer-/Oberkieferfrakturen), der orbitalen und nasalen Funktionalität (Mittelgesichtsfrakturen) und der Ästhetik. Die Kaufunktion kann bei der Therapie nur erhalten werden, wenn eine eindeutige Zuordnung der Zahnreihen des Ober- und Unterkiefers gelingt (mandibulomaxilläre Fixation/intermaxilläre Fixation) [10]. Dafür existieren unterschiedliche Hilfsmittel wie zum Beispiel Draht-Bogenschienen (Schuchardt-Schienen – im Fallbeispiel verwendet), Schrauben oder spezielle Schrauben-Schienen-Kombinationen [10]. In Sonderfällen kann die konservative Versorgung von Unterkieferfrakturen des zahntragenden Anteils ausschließlich über die intermaxilläre Fixation erreicht werden [7]. Die Nachteile des Verfahrens liegen in der langen Immobilisierung der Kiefer mit Beschwerden bei Nahrungsaufnahme, Atmung und Erstickungsgefahr. Daher sollte, wo immer möglich, durch Osteosyntheseverfahren eine interne Fixation und folglich eine frühe Mobilisation der Kiefer erreicht werden [6].

In der MKG-chirurgischen Traumatologie kommen zumeist Miniplatten unterschiedlicher Dimension und Designs zum Einsatz [6, 7]. Das postoperative Schmerzmanagement folgt den Vorgaben des WHO-Stufenschemas, wobei, unter Kombination und gegebenenfalls Ausreizung der in der Stufe 1 vorgesehenen Wirkstoffe, eine ausreichende Analgesie erreicht werden kann [11]. Der Einsatz von Opioidanalgetika ist nur sehr selten nötig.

Die Wundheilung von Gesichtsschädelfrakturen verläuft in vielen Fällen komplikationslos [12]. Die Rate an Wundheilungsstörungen liegt unter fünf Prozent [12]. Auch die postoperative Nachsorge ist wenig anspruchsvoll und sollte neben vorsichtigen Übungen zur Verbesserung der Kieferöffnung die Empfehlung der Aufnahme weicher Kost für mehrere Wochen beinhalten.

Fall 2: Odontogen bedingter Logenabszess nach Weisheitszahnentfernung

Anamnese

Eine 54-jährige Patientin wurde auf Überweisung ihres Zahnarztes vorgestellt. Sie beklagte progrediente Schmerzen und eine Schwellung im Bereich der Wange, des Unterkieferrandes und des Halses linksseitig mit Konzentration der Beschwerden auf den präaurikulären Bereich. Zusätzlich bemerkte sie beginnende Schluckbeschwerden und leichtes Fieber bis 38,2 Grad. Sie gab an, dass ihr aufgrund von Schmerzen im Bereich des Unterkiefers linksseitig vor fünf Tagen ein Weisheitszahn in diesem Bereich entfernt worden war.

Diagnostik

Klinisch zeigte sich eine deutliche, druckdolente, gerötete Schwellung im Bereich der Wange linksseitig, die sich von der Nasolabialfalte bis in den präaurikulären Bereich unter Einbeziehung des Kieferwinkels und des infraaurikulären Bereichs erstreckte (Abbildung 4). Die Kieferöffnung der Patientin war massiv eingeschränkt. Folglich war die korrekte intraorale Untersuchung in dieser Form nicht möglich. Es erfolgte eine Blutentnahme und die Bestimmung der Entzündungswerte (CRP: 15,7 mg/dl, Leukozyten 12.000/µl), der Nierenretentionswerte, der Gerinnungswerte und des Status der Schilddrüse (bei geplanter CT mit Kontrastmittelapplikation). Zur weiteren Klärung der Symptomatik wurde eine CT mit Kontrastmittel des Kopf-Halsbereiches durchgeführt. Hier zeigte sich eine abszesstypische Formation im Bereich der sogenannten masseterikomandibulären (begrenzt vom M. masseter und vom aufsteigenden Unterkieferast; Abbildung 5 a) und pterygomandibulären (begrenzt vom M. pterygoideus medialis und dem aufsteigenden Unterkieferast; Abbildung 5 b) Loge. Die weiter kaudal (perimandibuläre/submandibuläre Loge) und dorsal (parapharyngeale Loge) liegenden Halslogen waren noch nicht vom Abszessgeschehen erfasst.


Abbildung 4: Klinisches Bild der deutlich geröteten Schwellung im Bereich der Wange linksseitig bei odontogenem Abszessgeschehen.


Abbildung 5: a) Axiale Schichtung eines CT mit Kontrastmittel mit abszesstypischer Formation im Bereich der dorsalen Anteile der masseterikomandibulären Loge (roter Kreis); b) Axiale Schichtung eines CT mit Kontrastmittel mit abszesstypischer Formation im Bereich der anterioren Anteile der pterygomandibulären Loge (roter Kreis).

Therapie und Nachsorge

Nach stationärer Aufnahme wurde eine intravenöse Antibiotikatherapie mit Ampicillin/Sulbactam 2 g/1 g 1-1-1 begonnen. Nach entsprechender Aufklärung der Patientin wurde noch am gleichen Tage die transorale Inzision und Drainage des Abszesses in Intubationsnarkose durchgeführt. Aufgrund der stark eingeschränkten Kieferöffnung erfolgte die fiberoptisch unterstützte, nasale Wachintubation der Patientin. Derartige Intubationsverfahren sind im klinischen Alltag zwar selten, werden jedoch in der Kopf- Halschirurgie regelmäßig angewendet. Bei der intraoperativ möglichen forcierten Kieferöffnung entleerte sich aus dem Bereich der Alveole des Zahnes 38 bereits reichlich Pus (Abbildung 6 a). Die beteiligten Logen wurden eröffnet und drainiert (Abbildung 6 b). Postoperativ wurde die Patientin auf die Intensivstation zur Nachbeatmung übernommen. Bei nur geringgradig ausgeprägter pharyngealer Schwellung konnte die Patientin am Folgetag extubiert und auf die Normalstation verlegt werden. Unter täglichen Spülungen besserte sich das Entzündungs­geschehen und die Patientin konnte am sechsten postoperativen Tag in gutem Allgemeinzustand und mit deutlich verbesserter Kieferöffnung in die ambulante Nachsorge entlassen werden. Etwa sechs Wochen nach dem operativen Eingriff war die Patientin beschwerdefrei.


Abbildung 6: a) Pusabfluss aus dem Bereich der Extraktionsalveole regio 38 nach intraoperativer forcierter Kieferöffnung; b) In situ befindliche Drainagen nach operativer Eröffnung.

Diskussion

Odontogene Infektionen treten in der ärztlichen und zahnärztlichen Praxis regelmäßig auf. Die häufigsten Ursachen odontogen bedingter Infektionen und Abszessbildungen sind chronische periapikale Entzündungen (von Nekrosen der Zahnpulpa ausgehend, zum Beispiel im Rahmen kariöser Läsionen), Komplikationen nach zahnärztlichen und dentoalveolärchirurgischen Maßnahmen und Entzündungen im Bereich der Gingiva und Mukosa [13]. Die klinischen Kardinalsymptome odontogener Infektionen sind neben Schmerzen, Rötung, Schwellung und Überwärmung auch Einschränkungen der Kieferöffnung, Schluckbeschwerden, Fieber und im Spätstadium Schüttelfrost und Atembeschwerden [14]. Die überwiegende Mehrzahl dieser Krankheitsbilder kann durch lokale (zahnärztliche) Maßnahmen wie zum Beispiel Zahntrepanationen oder Inzisionen in Lokalanästhesie beherrscht werden [14, 15].

In etwa zehn Prozent der Fälle weisen odontogene Infektionen eine Ausbreitungstendenz mit Beteiligung einer oder mehrerer Halslogen auf, die eine stationäre Therapie und eine Inzision in Allgemeinanästhesie, gegebenenfalls auch mit Intensivtherapie, erfordern [16]. Die Ausbreitung kann je nach Ursprungsort der dentogenen Infektion unterschiedliche anatomische Strukturen erfassen. Hier kommt es bei entzündlichen Foci im Bereich des Oberkiefers eher zu Fortleitung nach kranial-dorsal, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Nasennebenhöhlen, orbitaler Strukturen, retromaxillärer oder gar intrakranieller Kompartimente [17]. Bei Ursprungsregionen des entzündlichen Geschehens im Bereich des Unterkiefers ist eine Ausbreitung nach dorsal-kaudal in die submandibulären und parapharyngealen Räume, im schlimmsten Fall mit Beteiligung des Mediastinums möglich [18]. Die Entstehung eines Systemischen inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) oder gar einer Sepsis, ausgehend von einem disseminierten odontogen bedingten Infektionsgeschehen, stellt eine schwerwiegende Komplikation mit hoher Mortalität bis zu 40 Prozent dar [19].

Zur Vermeidung der (phlegmonösen) Ausbreitung ist eine frühzeitige Erkennung des Krankheitsbilds und stadiengerechte Therapie erforderlich [14, 15]. Die Therapie der Ursache des Entzündungsprozesses, entweder durch zahnärztliche (zum Beispiel Trepanation von Zähnen mit Entfernung des nekrotischen Pulpagewebes oder Reinigung tiefer Zahnfleischtaschen) oder chirurgische Maßnahmen, nimmt in diesem Behandlungsalgorithmus eine zentrale Stellung ein [14, 20]. Die Applikation von Antibiotika kann bei bereits erfolgter entzündlicher Infiltration der umgebenden Gewebe erwogen werden [20]. Im klinischen Alltag sollte allerdings im Sinne des maßvollen Einsatzes von Antibiotika („Antibiotic Stewardship“) bei unkompliziertem Verlauf und erfolgreicher zahnärztlicher/chirurgischer Therapie der frühzeitige Einsatz antimikrobieller Substanzen zurückhaltend beurteilt werden, um Resistenzentwicklungen zu vermeiden [20, 21, 22]. Besteht die Indikation zum Einsatz von Antibiotika, so sollte zunächst auf Penicilline (Penicillin G/V) oder Aminopenicilline (Amoxicillin) zurückgegriffen und nur im Allergiefall Clindamycin empfohlen werden [14]. Die Resistenzlage des odontogenen Keimspektrums entwickelt sich aktuell ungünstig zu Lasten von Clindamycin [23]. Nur bei weiterer Verschlechterung der klinischen Situation trotz empirisch korrekter Antibiotikatherapie sollten Antibiotika breiteren Spektrums, zum Beispiel Amoxicillin/Clavulansäure, angewendet werden [14].

Umfassende odontogene Entzündungsgeschehen sollten unter stationären Bedingungen in Kliniken mit Intensivstationen und Reanimationsbereitschaft behandelt werden, da es bei unkontrollierter Ausbreitung unter Beteiligung der parapharyngealen Logen zur Obstruktion des oberen Atemwegs kommen kann [14, 24]. Nach erfolgter Operation ist aufgrund der Schwellungsgefahr im Bereich der oberen Atemwege nicht selten eine Nachbeatmung der Patienten auf einer Intensivstation oder zumindest die engmaschige Nachbeobachtung auf einer Intermediate Care Station nötig [14]. Bei Logenabszessen ist eine mikrobiologische Diagnostik mit Anfertigung von Antibiogrammen empfehlenswert [14, 25]. Die operative Therapie odontogener Abszesse/Entzündungen unterscheidet sich je nach deren Lokalisation. Dabei kommen intra- und extraorale sowie kombinierte Zugangswege in Frage [26]. Entscheidend bei der Wahl des Zugangsweges ist die sichere Eröffnung der beteiligten Logen unter geringster Morbidität. Bei Ausbreitung in benachbarte Organsysteme ist in vielen Fällen die Zusammenarbeit mit anderen operativen Fachdisziplinen vonnöten (HNO-Heilkunde, Thoraxchirurgie, Neurochirurgie).

Fall 3: Plattenepithelkarzinom der Mundschleimhaut im Bereich des Planum buccale

Anamnese

Eine 87-jährige Patientin wurde auf Überweisung ihres Zahnarztes bei Verdacht auf Bissverletzung im Bereich des Planum buccale (Wangenschleimhaut) linksseitig in unserer Sprechstunde vorgestellt. Sie gab an, in diesem Bereich bereits seit mehreren Monaten eine Veränderung der Schleimhaut festgestellt zu haben, die sie allerdings nicht schmerze. Zum Selbstschutz vor Infektion bei laufender SARS-CoV-2-Pandemie habe sie allerdings bisher keinen Arzt konsultiert. Erst aufgrund rezidivierender Blutungen aus der Mundhöhle habe sie ihren Zahnarzt aufgesucht. Sie gab an, bis zum Alter von ca. 75 Jahren regelmäßig geraucht und Alkohol konsumiert zu haben. Sie habe in den vergangenen vier Jahren zwei Schlaganfälle erlitten. Als weitere Neben­diagnosen lagen Vorhofflimmern, eine Niereninsuffizienz im Stadium 2, eine Hypercholesterin­ämie und eine Hyerurikämie vor. Die Patientin stand unter Therapie mit Simvastatin, ASS 100 mg, Apixaban 5 mg, Allopurinol 300 mg, Ramipril 5 mg und nahm neben Vitamin D zur Osteoporosetherapie noch Nahrungsergänzungsmittel ein. Eine relevante Allergie lag nicht vor.

Diagnostik

Die Patientin war in einem altersentsprechend guten Allgemeinzustand und am Rollator mobil. Der Karnosfky-Index betrug 80 Prozent. Im Gesichts- und Halsbereich konnten Lymphknoten submandibulär linksseitig getastet werden. Die orientierende Untersuchung der sensiblen Trigeminusäste und der Mimik war beidseitig ohne pathologischen Befund. Die Patientin war zahnlos und mit Totalprothesen versorgt. Intraoral zeigte sich im Bereich des Planum buccale linksseitig ein nicht verschiebliches Ulcus mit einem Durchmesser von ca. 12 mm (Abbildung 7).



Abbildung 7: Exophytische, ulzerierende Raumforderung im Bereich des Planum buccale linksseitig (schwarzer Stern: zahnloser Alveolarfortsatz des Oberkiefers; schwarze Raute: Zunge).

Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen eines Plattenepithelkarzinoms mit Metastasierung in die Halslymphknoten wurde zunächst eine Probe­biopsie des Befundes in Lokalanästhesie durchgeführt. Nach histopathologischer Untersuchung der Biopsie wurde die klinische Diagnose eines Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle bestätigt. Zur Tumorausbreitungsdiagnostik wurde eine Computertomografie mit Kontrastmittel des Kopf-Halsbereichs, des Thorax und des Abdomens durchgeführt. Hier zeigte sich neben dem Primärtumor ein im Bereich der Wangenweichteile auffälliger Lymphknoten (Abbildung 8 a) sowie metastasensuspekte Lymphknoten submandibulär linksseitig (Abbildung 8 b). Weitere tumor- oder metastasensuspekte Läsionen konnten nicht festgestellt werden. Im Beschluss der interdisziplinären Kopf-Hals-Tumorkonferenz wurde eine leitliniengerechte primär operative Therapie mit adjuvanter Radiatio (gegebenenfalls je nach histopathologischem Befund und Allgemeinzustand der Patientin Radio-Chemotherapie) empfohlen.



Abbildung 8: a) Axiale Schichtung eines CT mit Kontrastmittel; KM-aufnehmende Läsion im Bereich des Planum buccale linksseitig (weißer Pfeil: Primärtumor) mit benachbartem metastasensuspekten Lymphknoten (weißer Kreis: Lymphknoten antero-medial, A. facialis dorso-lateral); b) Axiale Schichtung eines CT mit Kontrastmittel; metastasensuspekte, eingeschmolzene, deutlich vergrößerte Lymphknoten im Level Ib linksseitig.

Therapie und Nachsorge

Der Empfehlung des Tumorboards folgend wurde eine Tumorresektion mit entsprechendem Sicherheitsabstand, eine modifiziert radikale Lymphknotenausräumung (Neck-Dissection) auf der linken Seite und eine entsprechende Rekonstruktion der Wangenschleimhaut durchgeführt. Die Patientin wurde postoperativ zur Nachbeatmung nach umfassender Neck-Dissection auf die Intensivstation verlegt. Die Extubation gelang am Folgetag. Perioperativ wurde die antikoagulative Therapie mit Apixaban pausiert und am Abend des Operationstags erneut angesetzt. Nach komplikationslosem Verlauf konnte die Patientin am siebten postoperativen Tag in die ambulante Nachsorge entlassen werden. Nach histopathologischer Aufarbeitung der Operationspräparate ergab sich schlussendlich die Tumorformel: pT2, pN2b, G3, L0, V0, R0 (Stadium IVb nach AJCC). Die Patientin entschied sich trotz dringender Empfehlung bei höchster Risikokonstellation gegen eine adjuvante Radiatio. Monatliche Nachkontrollintervalle wurden vereinbart. Die Kieferöffnung sowie die Funktionalität des Zahnersatzes waren postoperativ bei regelrechtem Heilungsverlauf nicht eingeschränkt (Abbildung 9). Computertomografien zum Re-Staging wurden vierteljährlich im ersten postoperativen Jahr durchgeführt. Im Rahmen eines dieser Re-Staging CTs zeigte sich nach 13 Monaten eine auffällige Gewebevermehrung im Bereich des unteren Parotispols linksseitig (Abbildung 10). Bei Verdacht auf ein regionäres Rezidiv des vorbekannten Platten­epithelkarzinoms wurde eine Probebiopsie aus diesem Bereich gewonnen, die die klinische Vermutung bestätigte. Die Patientin entschied sich allerdings gegen ein erneutes operatives Vorgehen und lehnte auch eine Radiatio konsequent ab. Es erfolgte die immunhistochemische Untersuchung des Tumor- und Rezidivpräparats. Hier zeigten sich hohe Expressionswerte für PD-L1 (tumor proportion score TPS = 45 Prozent, combined positive score CPS = 55). Daher wurde gemäß den neuesten Empfehlungen eine Monotherapie mit dem Anti PD-1-Antikörper Pembrolizumab begonnen. Die Therapie wird bei guter allgemeiner Verträglichkeit aktuell fortgeführt.


Abbildung 9: Zustand nach regelrechter Wundheilung nach umfassender Tumor-resektion und lokalplastischer Rekonstruktion im Bereich des Planum buccale ohne Anhalt für ein lokales Rezidiv; die Mundschleimhaut in diesem Bereich ist sehr fragil; dies zeigt sich durch die leichten Blutauflagerungen durch den Kontakt mit den Prothesenrändern.

 
Abbildung 10: Axiale Schichtung eines CT mit Kontrastmittel; peripher KM-aufnehmende, zentral nekrotische Läsion im Bereich des unteren Parotispols linksseitig (weißer Kreis); radiologisch wurde der Verdacht auf ein regionäres Rezidiv des vorbekannten Plattenepithelkarzinoms des Planum buccale linksseitig geäußert.

Diskussion

Die Inzidenzen von Plattenepithelkarzinomen von Mundhöhle und Rachen nehmen seit Jahren stetig zu und haben im Jahr 2016 mit ca. 23 Neuerkrankungen/100.000 Einwohner bei Männern und ca. zehn Neuerkrankungen/100.000 Einwohner bei Frauen neue Höchststände erreicht [27, 28]. In Absolutzahlen wurden im Jahre 2016 insgesamt 10.130 neue Fälle von Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle diagnostiziert [27]. Die Überlebensrate nach Erstmanifestation von Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle unterscheidet sich erheblich nach anatomischer Lokalisation und Stadium und liegt zwischen über 80 Prozent 5-Jahres-Überlebensrate bei kleinen, lokal begrenzten Tumoren bis unter 30 Prozent bei fortgeschrittenen, metastasierten Erkrankungen [29]. Der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt in der fünften Lebensdekade [30, 31]. Die Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle sind nach wie vor der langjährige Alkohol- und Nikotinkonsum [30]. Das humane Papillomvirus, das bei der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen des (Oro-)Pharynx eine entscheidende Bedeutung hat, spielt in der Pathogenese von Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle eine untergeordnete Rolle [30, 32].

Die Prädilektionsstellen von Plattenepithelkarzinomen der Mundschleimhaut sind der Mundboden sowie die Zunge [30, 32]. Plattenepithelkarzinome können in allen Bereichen der Mundhöhle auftreten, manifestieren sich jedoch in der Mehrzahl der Fälle in der unteren Mundhöhlenetage [33].

Plattenepithelkarzinome der Mundschleimhaut zeigen eigentlich keine Frühsymptome wie zum Beispiel Schmerzen, Geschmacksstörungen oder Störungen der Kaufunktion. Diese treten erst im späteren Stadium auf und können von rezidivierenden Blutungen begleitet sein. Klinisch können die Tumoren als weißliche (Leukoplakie) oder weißlich-rötliche (Erythroleukoplakie) Läsionen mit und ohne Ulzeration sowie gegebenenwfalls mit umgebender Schwellung imponieren [30, 31]. Zahnlockerungen unklarer Ursache, unklare orale Blutungen, Mundgeruch, Schluckbeschwerden und neurologische Symptome (Geschmacksstörungen, Störungen der Beweglichkeit von Zunge und Gesichtsmuskulatur) oder gar neu aufgetretene, nicht schmerzhafte zervikale Schwellungen sollten unverzüglich durch spezialisierte Fachärztinnen und -ärzte (zum Beispiel speziell ausgebildete Zahnärzte, Fachärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, HNO-Ärzte) weiter abgeklärt werden [30, 31]. Unklare Veränderungen der Mundschleimhaut sollten maximal 14 Tage beobachtet und bei Persistenz einer weiteren Diagnostik zugeführt werden [30].

Der Primär- und Sekundärprävention kommen auch hier – wie in allen anderen Bereichen der Onkologie – zentrale Bedeutung zu. Im Rahmen der Primärprävention sollen Patienten über die klassischen Risikofaktoren (Tabak/Alkohol/Betelnusskauen/langjährige mangelhafte orale Hygiene) aufgeklärt und bei der Entwöhnung unterstützt werden [34]. Das karzinogene Risiko des Konsums von E-Zigaretten scheint gegenüber dem klassischen Zigarettenrauchen erniedrigt, jedoch kann die tatsächliche Gefahr aufgrund fehlender Langzeitstudien nicht abschließend beurteilt werden [35]. Von klinischer Relevanz ist in diesem Zusammenhang der orale Lichen ruber planus, der insbesondere bei aktiven Formen eine (niedrige) Entartungstendenz von bis zu zwei Prozent aufweisen kann [36]. Eine hereditäre Prädisposition für Plattenepithelkarzinome im Bereich der Schleimhaut des oberen Aerodigestivtraktes wird für Patienten, die unter einer Fanconi-Anämie leiden, angenommen [37]. Mindestens jährliche (zahn-)ärztliche Kontrollen der Mundschleimhaut sind grundsätzlich empfehlenswert. Besteht Unklarheit bei Einschätzung der Dignität von Schleimhautbefunden, so sollte frühzeitig eine histologische Klärung herbeigeführt werden [30].

Sollte die Diagnose eines Plattenepithelkarzinoms der Mundschleimhaut gestellt werden, so sind unverzüglich weitere diagnostische Verfahren zur Feststellung der Tumorausbreitung (Staging) einzuleiten [30]. Dabei kommen sämtliche verfügbaren bildgebenden Verfahren (Computertomografie, Magnetresonanztomografie, Orthopantomogramm, digitale Volumentomografie, Ultraschall) zum Einsatz [30, 31]. Bei invasiven Plattenepithelkarzinomen der Mundschleimhaut wird von einer bildgebend okkulten Metastasierungsrate in den Bereich der Halslymphknoten von ca. 30 Prozent ausgegangen [30, 38], was in der Therapieplanung berücksichtigt werden sollte. Komplexe Risikoanalysealgorithmen unter Einbeziehung zusätzlicher Parameter, wie zum Beispiel der Eindringtiefe des Tumors in das submukosale Stroma oder die Perineuralscheideninvasion, helfen bei der Erstellung der individuellen Therapiepläne [39]. Je nach Tumorstadium werden rein operative, kombiniert operative/radioonkologische oder operative/radiochemotherapeutische Therapieansätze angewandt [30, 40]. Die Therapien sollten nach interdisziplinärer Diskussion (zum Beispiel im Rahmen von spezialisierten Kopf-Hals-Tumorboards) geplant werden. Ziel der operativen Therapie ist neben der Tumorresektion und der Chirurgie der lokalen und regionären Lymphknotenstationen auch die funktionell und ästhetisch suffiziente Rekon­struktion der betroffenen Regionen. Dabei kommen teilweise komplexe rekonstruktive (mikrovaskuläre) Techniken zur Anwendung [30, 31]. Adjuvante Therapien werden bei höheren Tumorstadien grundsätzlich zur Erhöhung der onkologischen Sicherheit empfohlen. Zentrales Instrument der adjuvanten Therapie ist die Strahlentherapie [30, 40]. Die definitive Radiochemotherapie von oralen Plattenepithelkarzinomen ist nur in ausgewählten Spezialfällen indiziert [30].

Das Risiko des Rezidivs beträgt beim Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle ca. 20 Prozent [30, 38]. Die Mehrzahl der Rezidive treten innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre nach Primärtherapie auf [38]. Daher sind eine engmaschige klinische Kontrolle und Re-Staging Untersuchungen innerhalb dieser kritischen Zeit indiziert.

Auch in der mund- kiefer-gesichtschirurgischen Onkologie nimmt die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren (PD-1, PD-L1-Inhibitoren) mittlerweile einen zentralen Stellenwert ein [41]. Die Anwendung dieser Wirkstoffe ist in Rezidiv- und metastasierten Situationen ohne chirurgische oder strahlentherapeutische Behandlungs­alternative entweder als Monotherapie oder in Kombination mit Cisplatin oder 5-FU zugelassen [30, 40]. Es wird vermutet, dass ein erhöhter PD-L1 Expressionsstatus im Tumorpräparat mit einer erhöhten Ansprechrate auf die Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren vergesellschaftet ist [42]. Bei hohem PD-L1 Expressionsstatus ist bereits heute die Monotherapie mit Pembrolizumab (PD-1 Inhibitor) im metastasierten/rezidivierten Stadium ohne weitere Behandlungsoption als Erstlinientherapie zugelassen.

Die Therapie von Plattenepithelkarzinomen des oberen Aerodigestivtraktes ist nicht selten mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten assoziiert [43]. Durch operative Maßnahmen kann es zu Einschränkungen der Kau- und Schluckfähigkeit, der Sprachentwicklung und zu ästhetischen Einbußen kommen. Die adjuvante Therapie (Radiatio/Chemotherapie) kann diese Effekte teilweise verstärken. Während der adjuvanten Therapie leiden die betroffenen Patienten regelmäßig unter Mukositis. Die enterale Ernährung kann sich auch langfristig aufgrund von Kaufunktionsstörungen (Kieferöffnungseinschränkung, Zahnverlust, Schluckstörung) und Xerostomie problematisch gestalten [30]. Es erfolgt regelmäßig die Anlage von PEG-Sonden. In diesem Zusammenhang wird auf die aktuell überarbeitete Version der S3 Leitline „Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms“ verwiesen [30].

 

Das Wichtigste in Kürze

Traumatologie des Gesichtsschädels
Frakturen des Gesichtsschädels sind häufige Verletzungen und treten regelmäßig im Rahmen von Verkehrs- und Sportunfällen oder Rohheitsdelikten auf. Ein wichtiges Symptom von Frakturen der Kiefer sind Okklusionsstörungen und eine eingeschränkte Kaufunktion. Bei Verletzungen des Mittelgesichts kann es zur Beteiligung orbitaler Strukturen kommen. Die Untersuchung von Visus und Bulbusmotilität sind zentrale Aspekte des Untersuchungsalgorithmus.

Logenabszesse im Kopf-Halsbereich
Odontogen bedingte entzündliche Erkrankungen der Kiefer können sich entlang von Muskeln und Faszien in die sogenannten Logen ausbreiten. Neben den klassischen Kardinalsymptomen von Entzündungen sind Schluck- und Atembeschwerden wichtige Alarmzeichen für infektiöse Geschehen mit Ausbreitungstendenz. Die chirurgische Therapie über intra- und/oder extraorale Zugänge sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden. Phlegmonös ausgebreitete entzündliche Prozesse können eine hohe Komplikationsrate und gegebenenfalls Mortalität aufweisen.

Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle
Plattenepithelkarzinome von Mundhöhle und Rachen stellen bei steigender Inzidenz (im Jahr 2016 an Position 7 der häufigsten Tumoren bei Männern) vor allem bei Männern (zunehmend auch bei Frauen) ein gesundheitspolitisches Problem dar. Die Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle sind das Zigarettenrauchen, der umfassende Alkoholkonsum sowie das Betelnuss-Kauen. Verdächtige Schleimhautläsionen (weißlich, rötlich, ulzeriert, regelmäßig blutend) sollten nicht beobachtet, sondern nach spätestens
14 Tagen durch entsprechend ausgebildete Ärzte weiter abgeklärt werden. Die Chirurgie ist aktuell das zentrale Instrument von Therapiealgorithmen des Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle. Je nach Tumorstadium kann die chirurgische Therapie durch Strahlentherapie oder Radiochemotherapie ergänzt werden.

Das Literaturverzeichnis sowie die Schlussbemerkung/Danksagung können im Internet unter ­www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript
positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autoren 

 
Privatdozent Dr. med. Dr. med. dent.
Matthias Tröltzsch


Dr. med. Dr. med. dent. Markus Tröltzsch

 

Zentrum für Zahn-Mund- und Kiefer­heilkunde Ansbach, Maximilianstraße 5, 91522 Ansbach und Belegabteilung für Mund-Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie, Klinikum ANregiomed Standort Ansbach

 

 

 

 

Top