Organspende aktuell – Sehen wir Licht am Ende des Tunnels?
Der kontinuierliche Negativtrend der vergangenen Jahre scheint gebrochen. Die Anzahl an realisierten Spenden in Deutschland stabilisierte sich 2014 auf niedrigem Niveau. Nichtsdestotrotz lag Deutschland im internationalen Vergleich 2014 mit 864 postmortalen Organspenden weit hinten. Seit 2010 sanken die Organspendezahlen kontinuierlich. 2012 erlebte die Organspende einen massiven Einbruch, von dem sie sich jetzt sehr zögerlich zu erholen scheint. Manipulation von Wartelistendaten auf Seiten einiger transplantationszentren, aber auch die zunehmende Arbeitsverdichtung bei gleichzeitigem Personalmangel in den Krankenhäusern, ein Rückgang an traumatischen Schädelverletzungen, sowie eine verbesserte Intensivtherapie werden als Ursachen diskutiert.
Daten/Fakten 2014
2014 spendeten 864 Menschen in Deutschland ihre Organe. In Bayern waren es im selben Zeitraum 120 Organspender, das bedeutet eine leichte Zunahme um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es wurden insgesamt in Deutschland 2.989 Organe und in Bayern 405 Organe gespendet.
Jedoch ist die Situation nach wie vor sehr bedrückend für die Menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Nach Auskunft von Eurotransplant warteten zum Stichtag vom 1. Januar 2015 10.585 Menschen auf ein Spenderorgan.
Was bislang geschah – die wichtigsten Geschehnisse zum Thema Organspende des vergangenen Jahres
Transplantationsskandal
Die „Nachbeben“ des Transplantationsskandals sind immer noch zu spüren. Es wird weiterhin regelmäßig in den Medien darüber berichtet. Erst kürzlich wurde der Freispruch gegen einen der Hauptakteure ausführlich in den Medien diskutiert. Moralisch ist dieses Urteil für viele nicht nachvollziehbar, jedoch obliegt die strafrechtliche Beurteilung der Justiz.
Es besteht allerdings die Sorge, dass die Menschen erneut verunsichert werden könnten, wenn es um ihre Entscheidung zur Organspende geht. Daher ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass in der Zwischenzeit eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen wurden, um eine Wiederholung solcher Manipulationen zu verhindern. Zudem ist es wichtig zu betonen, dass die Organspende selbst nie Gegenstand des aktuellen Prozesses war. Die Organspende ist in Deutschland nach wie vor klar geregelt.
Von den zusätzlich ergriffenen Maßnahmen seien nur folgende genannt:
1. Für die Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste und die korrekte Übermittlung von Daten an Eurotransplant ist ein Team von mindestens drei Ärzten einschließlich eines von der Transplantation unabhängigen, dem ärztlichen Direktor unterstellten Mediziners (Sechs-Augen-Prinzip) verantwortlich.
2. Die Transplantationszentren wurden flächendeckenden externen Kontrollen unterzogen, die auch zukünftig stattfinden werden. Die Ergebnisse dieser Kontrollen werden von der Prüfungs- und Überwachungskommission veröffentlicht.
3. Zudem ist eine Vertrauensstelle „Transplantationsmedizin“ eingerichtet worden, an die jeder, gegebenenfalls auch anonym, mögliche Auffälligkeiten im Transplantationsprozess melden kann. Diesen Informationen wird dann in jedem Einzelfall nachgegangen.
4. Die Gesetzeslage ist geändert worden, sodass eine Wartelistenmanipulation nun eindeutig strafrechtlich belangbar wäre.
Interessenkonflikte vermeiden und Qualität erhöhen
Ein wichtiger Inhalt des Transplantationsgesetzes – gerade auch im Hinblick auf die Transplantationsskandale – gilt der Vermeidung von Interessenkonflikten und der Erhöhung der Qualität. Um vor allem letzterem gerecht zu werden, wurde die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gesetzlich verpflichtet, hierfür geeignete Verfahrensanweisungen zu erlassen. Diese betreffen alle Abläufe rund um den Organspendeprozess, von der Spendermeldung über notwendige Untersuchungen bis hin zu Transport und Qualitätssicherungsmaßnahmen. Die Verfahrensanweisungen wurden in einem neu gegründeten Bundesfachbeirat, der aus Experten verschiedenster Fachrichtungen zusammengesetzt ist, ausgiebig diskutiert und beraten und stehen nun kurz vor der Verabschiedung. Der bereits von dem Interimsvorstand Dr. Rainer Hess eingeleitete Prozess der Neustrukturierung der DSO wird durch den seit nunmehr einem Jahr im Amt tätigen medizinischen Vorstand Dr. Axel Rahmel konsequent weitergeführt. Vor allem die Konzentration auf die Kernaufgaben der DSO, eine möglichst optimale Unterstützung der Krankenhäuser und eine klare Abgrenzung der vielfältigen Aufgaben, um Interessenkonflikte zu vermeiden, gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Zukunft, um das Vertrauen in die Organspende und Transplantationsmedizin zurückzugewinnen.
Bundesärztekammer erlässt überarbeitete Richtlinien zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls
Das Bundesgesundheitsministerium hat die Neufassung der Richtlinien zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer (BÄK) vor Kurzem genehmigt. Diese werden nach Veröffentlichung rechtsgültig und treten damit ohne Übergangsfrist in Kraft. Die wichtigsten Neuerungen sind eine präzisere Formulierung und Beschreibung einzelner Voraussetzungen und Untersuchungen, eine Erhöhung der Anforderung an die Untersucher sowie die Aufnahme neuerer diagnostischer Methoden.
Ethikrat veröffentlicht Stellungnahme zum Hirntod und Entscheidung zur Organspende
Im Februar 2015 veröffentlichte der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme: „Hirntod und Entscheidung zur Organspende“. Einstimmig kamen die Experten überein, dass der Hirntod weiter als Voraussetzung für eine postmortale Organspende in Deutschland gelten soll. Die Organspende nach Herzstillstand, wie in einigen Ländern praktiziert, lehnt der Ethikrat mehrheitlich ab. Ebenso klar wurde von dem Expertengremium bestätigt, dass der Hirntod irreversibel und jegliche Form von Wahrnehmung inklusive Schmerzempfinden nicht mehr möglich ist. Dissens bestand jedoch bei der Frage, ob der Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt werden kann. Während die Mehrheit dies bestätigt, lehnt eine Minderheit die Gleichsetzung Hirntod gleich Tod des Menschen ab.
Fortbildung Transplantationsbeauftragte
Die Fortbildungen für die Krankenhäuser und hier vor allem für die Transplantationsbeauftragten wurden 2014 mit unveränderter Intensität fortgeführt. Die DSO hat unzählige Veranstaltungen vor Ort in den Krankenhäusern durchgeführt. Weiterhin wurden, gemeinsam mit der Bayerischen Landesärztekammer, die curriculären Fortbildungen für Transplantationsbeauftragte sowie die mittlerweile schon etablierten regionalen Veranstaltungen (sogenannte Regionalkonferenzen) durchgeführt.
Neben medizinischen und juristischen Themen liegt ein Schwerpunkt auf dem Umgang mit den Angehörigen im Rahmen der Organspende sowie Berichten von transplantierten Patienten. Im Anschluss bietet sich den Teilnehmern die Möglichkeit, selber Fragen an die Angehörigen und Transplantierten zu stellen. Ziel ist, die Sensibilität der Teilnehmer für die Belange der Angehörigen zu schärfen und gleichwohl die Bedeutung einer Transplantation aus Sicht des Betroffenen zu erfahren. Dieser Part wird übereinstimmend von den Teilnehmern als sehr wichtig für die tägliche Arbeit wahrgenommen, führt sie einem doch den Sinn der Tätigkeit direkt vor Augen.
Aufmerksamkeit erregen auf andere Art: Organspendelauf am 29. April 2015 im Rahmen des Deutschen Chirurgenkongresses in München
Aufklärungsarbeit zur Organspende hat viele Gesichter. Ein schönes Beispiel dafür ist der mittlerweile fast schon fest etablierte Organspendelauf im Rahmen des Chirurgenkongresses, der dieses Jahr wieder in München stattfand. Am 29. April gingen ca. 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Start, um im Englischen Garten bei strahlendem Frühlingswetter für die gute Sache zu laufen. Die meisten waren Teilnehmer des 132. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, darunter auch der Kongresspräsident Professor Dr. Peter M. Vogt. Als prominente Läuferin konnte wieder die ehemalige Deutsche Meisterin im Halbmarathon, Ingalena Heuck, gewonnen werden. Unterstützt wurde der Lauf von vielen Partnern, darunter die DSO Region Bayern und das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Am Rande bot sich selbstverständlich auch die Möglichkeit zur Diskussion und Aufklärung zum Thema Organspende.
Organspendelauf am 29. April 2015 im Rahmen des Deutschen Chirurgenkongresses in München.
Ausblick
Die Entwicklung der Organspende in Bayern in den ersten Monaten dieses Jahres ist für die Region Bayern sehr positiv und lässt hoffen, dass die vielfältigen Maßnahmen erste Erfolge zeigen. Von einer Trendwende zu sprechen wäre allerdings noch verfrüht.
Wir werden in unserem Bemühen nicht nachlassen, gemeinsam mit allen Partnern dafür zu sorgen, dass der Wunsch eines Verstorbenen, der sich für eine Organspende entschieden hat, respektiert und umgesetzt wird. Genauso wie es selbstverständlich akzeptiert wird, wenn jemand dieses für sich ablehnt.
Dr. med. Dipl.-Biol. Thomas Breidenbach
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