Orthopädie/Unfallchirurgie – highlighted

Erkrankungen und Verletzungen der Bewegungsorgane haben auch in der hausärztlichen Praxis hohe Prävalenz. Angesichts des breit gefächerten Therapiespektrums sind immer auch konservative Maßnahmen zu berücksichtigen. Minimalinvasive Behandlungsverfahren ermöglichen schonende, operative Vorgehensweisen mit schneller Rekonvaleszenz. Damit eröffnen sich für die gesamte Versorgungssituation neue Möglichkeiten der abgestimmten ambulant-stationären Behandlung mit schneller Reintegration der Betroffenen in das Alltagsgeschehen.


Fall 1: Mobilitätseingeschränkte Patientin mit Gonarthrose – Fast-Track-Knieprothetik

Die fortgeschrittene Gonarthrose ist klinisch charakterisiert durch Beweglichkeitseinschränkung des betroffenen Kniegelenkes, mit Belastungs- und Ruheschmerzen sowie Gehstreckenlimitation. Dies reduziert die Lebensqualität erheblich, da gewohnte Belastungen im Alltag nur noch mit erheblichen Schmerzen und Einschränkungen oder gar nicht mehr möglich sind. Die klinische Diagnostik wird bei entsprechenden Beschwerden üblicherweise um eine konventionell radiologische Diagnostik in drei Ebenen ergänzt, in welcher der Schweregrad der Arthrose bewertet wird. Es stehen konservative und operative Behandlungsmöglichkeiten in Abhängigkeit vom Schweregrad der Arthrose zur Verfügung. Entsprechend dem in der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) „Indikation Knieendoprothese“ (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/033-052.html) aufgeführten Handlungsalgorithmus ist in einem fortgeschrittenen Arthrosestadium die Versorgung mittels Knie-Totalendoprothese (KTEP) eine definitive Behandlungsoption mit guten Erfolgsaussichten.

Anamnese

Bei einer 76-jährigen Patientin bestanden am linken Kniegelenk Belastungs-, Ruhe- und Nachtschmerzen die mit einer täglichen Einnahme von Ibuprofen dreimal 600 mg und Magenschutz zehn Monate behandelt wurden. Weiterhin bestand eine zunehmende Varusabweichung des linken Kniegelenkes. Die Gehstrecke war auf ca. 200 Meter limitiert. Konservative Behandlungsmöglichkeiten mit Physiotherapie, inklusive Injektionsbehandlungen mit Hyaluronsäure, waren ausgeschöpft und erbrachten zuletzt keine wesentliche Beschwerdelinderung.

Diagnose und Therapie

In der konventionell-radiologischen Bildgebung zeigte sich der mediale Gelenkspalt komplett aufgebraucht, eine fortgeschrittene Patello-femoralarthrose sowie deutliche Osteophyten und subchondrale Sklerose. Weiterhin bestätigte sich eine Varus-Achsdeviation von zehn Grad. Aufgrund einer ausgeprägten Beugeeinschränkung mit Streckdefizit wurde die Indikation zur KTEP gestellt.

Wenige Tage vor der Operation erschien die Patientin prästationär. In diesem Rahmen erhielt sie ein Unterarm-Gehstützen-Training, um die früh-postoperative Mobilisation als Teil des bei uns etablierten Fast-Track-Konzeptes direkt umsetzen zu können. Weiterhin erfolgte eine umfangreiche Patientenschulung und gezielte Einweisung, was nachweislich Ängste vor der Operation abbauen kann.

Am Morgen des Operationstages erhielt die Patientin ein längerwirksames NSAR im Sinne einer präemptiven Analgesie (Etoricoxib 90 mg). Die Operation fand in einer schonenden, kurzwirksamen Hemispinalnarkose (Prilocain, Sufentanil, Dexamethason i. v.) statt. Während der Operation wurden lokale Infiltrationsanalgesie (LIA, Ropivacain) sowie Fibrinolysehemmer (Tranexamsäure) intraartikulär appliziert. Die Operation wurde zudem unter Zuhilfenahme eines optischen Navigationssystems durchgeführt (Abbildung 1), um eine gerade Beinachs-Ausrichtung sowie eine ausgeglichene Bandspannung zu erreichen. Auf die Einlage von Wunddrainagen wurde komplett verzichtet. Die Wunde wurde nach Naht mit einem Hautkleber versiegelt.


Abbildung 1 a und b: Intraoperative Navigation in der Kniegelenkendoprothetik zur Verbesserung von Genauigkeit, Standzeit und Funktion.

Postoperativ konnte die Patientin bereits zwei Stunden nach der Operation das gestreckte Bein anheben und auf 100 Grad beugen (Abbildung 2), sowie an Unterarmgehstützen unter physiotherapeutischer Anleitung gut 50 Meter selbstständig unter Vollbelastung gehen – unter Anwendung eines standardisierten, opioidsparenden Analgetikakonzeptes (Metamizol 500, 4 x 1, Ibuprofen 600 3 x, Oxycodon/Naloxon 10/5 1-0-1, für drei Tage postoperativ) verspürte die Patientin keine Schmerzen. Dieser rasche Erfolg ist wichtig für die weitere Nachbehandlung, da Patienten so Vertrauen in die sofortige Belastbarkeit des neuen Kniegelenks aufbauen. An den Folgetagen wurde die physiotherapeutisch assistierte Nachbehandlung intensiviert und um selbstständige Übungsmaßnahmen in einem eigens etablierten Fast-Track-Parcours (vor allem Demonstration von Übungsmaßnahmen, Reflexion mittels Spiegelbild) erweitert. Treppensteigen ist routinemäßig am zweiten postoperativen Tag schmerzarm möglich. Die Patientin konnte im weiteren Verlauf nach einer knappen Woche mit guter Funktion und ohne Schmerzen in die Rehabilitationsbehandlung entlassen werden.

Abbildung 2 a und b: Passive (links) und aktive (rechts) Übungen zwei Stunden nach Knietotal­endoprothesen-Implantation.

Fazit

Aufgrund einer fortgeschrittenen Gonarthrose links wurde die Indikation zur KTEP gestellt. Die Patientin konnte im Rahmen eines so genannten „Fast-Track-Konzeptes“ behandelt werden, welches interdisziplinäre Zusammenarbeit an vielen Stellschrauben der perioperativen Behandlungsmethoden erfordert. Während der Operation wurde ein Navigationssystem verwendet, welches die Genauigkeit der Implantation verbessert sowie die Standzeit und Funktion langfristig optimiert. So konnte die Patientin früh-postoperativ, selbstständig und schmerzarm mobilisiert werden, war für Hygienemaßnahmen (zum Beispiel den Toilettengang) nicht auf fremde Hilfe angewiesen und konnte rasch Vertrauen zu ihrem neuen Kunst­gelenk aufbauen.

Die Anwendung von Fast-Track-Konzepten kommt neben der Knie- auch in der Hüftgelenksendoprothetik zum Einsatz und konnte den Behandlungserfolg, vor allem die Rekonvaleszenz der Patienten, nochmals deutlich verbessern. An unserer Klinik konnte so erfolgreich ein Konzept zur tagesstationären Knie- und Hüftgelenkendoprothetik etabliert werden, mit Operation am Vormittag und Entlassung in die weitere ambulante Weiterbehandlung am späten Nachmittag (Tabelle 1).

 


Tabelle 1: Konzept der tagesstationären Knie- und Hüftgelenkendoprothetik, Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg am Asklepios Klinikum Bad Abbach.


Fall 2: Patientin mit therapieresistenter S1-Ischialgie – endoskopische Bandscheibenoperation

Im Gegensatz zum nicht-spezifischen Rückenschmerz (vorwiegend lokale Rückenschmerzen ohne erkennbaren Auslöser) können beim spezifischen Rückenschmerz anatomische Strukturen als Auslöser der Beschwerdesymptomatik identifiziert werden. Die konventionelle Röntgentechnik gehört zur Basisdiagnostik, auch zur Abklärung einer Instabilität. Als weitergehende bildgebende Diagnostik bei radikulärer Symptomatik ist ein MRT indiziert.

Radikuläre Lumbalsyndrome sind gekennzeichnet durch eine Schmerzausstrahlung ins Bein entlang des Ausbreitungsgebietes (Dermatom) eines einzelnen Spinalnerven. Häufig werden sie durch Bandscheibenvorfälle (Prolaps) in den Spinalkanal hervorgerufen. Die Nervenwurzelreizung (Radikulopathie) entsteht dabei sowohl entzündlich durch die Reaktion auf das Bandscheibengewebe als auch durch die direkte mechanische Bedrängung durch den Prolaps.

Die konservative Therapie ist die Methode der ersten Wahl aufgrund langfristig gleichwertiger Ergebnisse nach konservativer und operativer Therapie (siehe S2k-Leitlinie zur Versorgung von Bandscheibenvorfällen mit Radikulopathie – www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/033-048.html). Neben klassischen konservativen Maßnahmen (zum Beispiel orale Analgetika und Physiotherapie) kommen interventionelle Schmerztherapieverfahren mit epiduralen und periradikulären Injektionstechniken mit Lokalanästhetika und Kortikosteroiden zur Anwendung. Ziel ist die Reduktion der Irritation der Nervenwurzel. Die Indikation zur Operation wird bei relevanter Ausfallsymptomatik (zum Beispiel motorische Schwäche 3/5 nach Janda – Tabelle 2) oder bei konservativ unzureichender Schmerzlinderung gestellt. Dabei wird die Nervenwurzel durch Entfernung des prolabierten Bandscheibengewebes entlastet. Die Operation erfolgt entweder mikrochirurgisch assistiert oder vollendoskopisch.


Tabelle 2: Muskelkraft nach Janda

Anamnese

Die 46-jährige Patientin gab bei Vorstellung drei Monate bestehende Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in den rechten dorsalen Ober- und Unterschenkel bis in die Fußsohle an, entsprechend des Dermatoms des S1-Spinalnerven. Es bestand eine begleitende Hypästhesie, vor allem am Unterschenkel und Fuß rechts, jedoch lagen keine motorischen Ausfälle oder Schließmuskel-insuffizienz vor. Es erfolgte eine fachneurologische ambulante Behandlung mit Injektionen und Analgetika. Ein MRT der LWS vor neun Wochen zeigte einen Bandscheibenvorfall. Schmerzverstärkung vor einer Woche. Sie sei daher mit Notarzt vor vier Tagen in ein anderes Krankenhaus eingeliefert worden. Dort erfolgten Schmerzinfusionen über drei Tage ohne subjektiv ausreichende Schmerzlinderung. An Vorerkrankungen wurden Migräne und eine medikamentös behandelte Depression angegeben.

Diagnostik und Therapie

Es zeigte sich eine stark schmerzbeeinträchtigte Patientin mit lumbaler Fehlhaltung, paravertebralem Muskelhartspann, weitgehend aufgehobener Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, Einschränkungen im Zehenspitzengang rechts (Wegknicken des Beines) und ein früh positiver Lasègue-Test rechts. Im Liegen zeigten sich keine motorischen Ausfälle, die Einschränkung beim Zehenspitzengang wurde daher als schmerzbedingt gewertet. Ferner zeigte sich eine Hypästhesie im Dermatom S1 rechts. Das vorhandene MRT der LWS zeigte einen leicht nach kaudal dislozierten Bandscheibenprolaps mit Kontakt zur rechten S1-Wurzel, passend zur klinischen Symptomatik.

Eine Operation wurde von der Patientin zunächst ausdrücklich abgelehnt. Es erfolgte daher die stationäre Aufnahme zur interventionellen Schmerztherapie (in unserer Klinik als „Minimalinvasive Therapie“ = MIT bezeichnet). Die Injektionen (zum Beispiel periradikulär) erfolgten zweimal täglich, um die Irritation des Spinalnerven zu reduzieren.

Bei der Patientin verlief jedoch auch diese MIT letztlich frustran, es waren lediglich jeweils kurz anhaltende Besserungen nach wiederholter kontrastmittel-kontrollierter Injektion um den S1-Nerv (Radikulographie) zu verzeichnen. Es bestanden weiterhin ausgeprägte Schmerzen und gestörte Nachtruhe, wobei die Patientin nur in Schonhaltung liegen konnte. Daher wurde nach sechs Tagen ein neues LWS-MRT angefertigt, auch unter Berücksichtigung der beschriebenen Schmerzverschlechterung.

Dieses zeigte insbesondere einen neu aufgetretenen freien Bandscheibensequester, weit nach kaudal disloziert und deutlich die Wurzel S1 rechts komprimierend (Abbildung 3).


Abbildung 3 a und b: Kompression des S1-Nerven rechts durch den Bandscheibenprolaps L5/S1 im MRT (S1-Nerv bds. rot markiert zur Verdeutlichung).

Daraufhin erfolgte die Operationsindikation. Allgemein wird bei Bandscheibenoperationen die mikrochirurgische Operationstechnik über einen kleinen Schnitt mit begrenzter Traumatisierung der autochthonen Rückenmuskulatur als weltweite Standardversorgung angesehen. In den letzten Jahren hat sich als noch schonendere Alternative die vollendoskopische Operationstechnik über eine Hautstichinzision und stumpfes Aufbougieren der Muskulatur etabliert. Durch Einsatz von endoskopischen Frästechniken am knöchernen Wirbelbogen lassen sich dabei auch Bandscheibensequester erreichen, die nicht ideal im Zugangsbereich des Endoskops liegen. In unserer Klinik sind beide Verfahren gleichberechtigt im Einsatz, wobei die vollendoskopisch operierten Patienten eine schnellere Rekonvaleszenz zeigen (Abbildung 4 a, b, c).

Abbildung 4 a, b, c: Intraoperative Bilder – Bedrängung des Nerven S1 (blauer Pfeil) durch den Bandscheibenprolaps (a), Darstellung des Prolaps vor Resektion (b), OP-Situs nach Prolapsresektion, Nervenwurzel nicht mehr bedrängt (c).

Unmittelbar postoperativ zeigte sich eine maßgeblich gebesserte Schmerzsymptomatik. Zum Entlassungszeitpunkt bestand noch die vorbeschriebene Hypästhesie im S1-Dermatom rechts. Erfahrungsgemäß bildet sich diese jedoch im Verlauf weniger Wochen zurück, teilweise auch erst über einen längeren Zeitraum von bis zu zwei Jahren.

Fazit

Der Verdacht auf einen spezifischen Rückenschmerz wird aufgrund der Anamnese und der klinischen Untersuchung gestellt. Die Überprüfung erfolgt dann mittels Bildgebung, üblicherweise einer MRT der LWS. In den meisten Fällen ist die klassisch konservative oder interventionelle Therapie erfolgreich. In therapierefraktären Fällen mit klar definierter Kausalität kann eine operative Entfernung eines Bandscheibenprolapses schnell zur Entlastung der betroffenen Nervenwurzel führen. Wegweisend im vorliegenden Fall war die Neuanfertigung einer MRT der LWS angesichts geänderter Schmerzsymptomatik.


Fall 3: Konservative Therapie der proximalen Humerusfraktur

Die proximale Humerusfraktur gehört zu den häufigsten Verletzungen der oberen Extremität. Insbesondere beim älteren Patienten wird die primäre Therapie sehr kontrovers diskutiert. Ziel der Primärbehandlung einer proximalen Humerusfraktur ist die rasche Wiedererlangung der Schulterfunktion und Schmerzfreiheit des Patienten. Es herrscht allgemeiner Konsens bei der Therapie der nicht oder wenig dislozierten Frakturen. Dabei führen konservative Behandlungsmethoden in den meisten Fällen zu guten Ergebnissen.

Anders ist es bei den primär dislozierten und komplexeren Frakturen des Humeruskopfes. Dabei verstehen wir unter komplexen Frakturen vor allem dislozierte mehrsegmentale bzw. mehrfragmentäre Frakturen und Luxationsfrakturen.

Prinzipiell kommen bei diesen Verletzungen drei Versorgungstrategien in Frage:

» die für Patienten am wenigsten belastende konservative Therapie
» operative gelenkerhaltende Verfahren (Osteosynthese)
» gelenkersetzende Verfahren (Endoprothese).

Diese Therapievarianten zeigen in der Literatur sehr heterogene funktionelle Ergebnisse. Bei der Therapieentscheidung spielt die Frakturmorphologie eine essenzielle Rolle. Für die konservative Therapie ist eine akzeptable Frakturstellung und gleichzeitig eine ausreichende Stabilität erforderlich. Zur Frakturstabilität und dem akzeptablen Dislokationsgrad werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Im folgenden Abschnitt werden die Verläufe von zwei Patientinnen präsentiert, die zur gleichen Zeit in unserer Notfallambulanz vorstellig wurden und bei denen eine primäre konservative Therapie eingeleitet wurde. Bei einem Fall ist es gelungen, die Fraktur konservativ mit gutem funktionellen Ergebnis auszubehandeln. Im zweiten Fall musste sekundär eine osteosynthetische Versorgung durchgeführt werden.

Patientin A

Eine 74-jährige Patientin mit bekannter Osteoporose unter Bisphosphonattherapie stellte sich nach einem Sturzereignis in unserer Notfallambulanz vor. Sie sei beim Bergaufgehen gestolpert und auf die rechte Schulter gefallen. Seitdem habe sie starke Schmerzen im Bereich der rechten Schulter und leichte Schmerzen in Ellbogen und Hand rechts. Klinisch zeigte sich eine massive Schwellung sowie ein Hämatom im Bereich der rechten Schulter zusammen mit einer aufgehobenen Schulterfunktion. Die durchgeführte nativradiologische Untersuchung des rechten Schultergelenkes in zwei Ebenen zeigte eine nicht wesentlich dislozierte, eingestauchte subkapitale Humerusfraktur mit Abriss des Tuberculum majus (Abbildung 5).


Abbildung 5: Patientin A – Röntgenaufnahme des rechten Schultergelenkes am Unfalltag. Nicht wesentlich ­dislozierte eingestauchte subkapitale Humerusfraktur mit Abriss des Tuberculum majus.


Das vorliegende Frakturmuster eignete sich optimal zur konservativen Therapie. Es wurde eine Schulter-Arm-Adduktionsorthese angelegt. Am fünften Tag konnte nach radiologischer Kontrolle ohne Nachweis einer sekundären Dislokation mit Pendelübungen und nach zwei Wochen mit passiver Physiotherapie begonnen werden. Nach sechs Wochen zeigte sich ein zufriedenstellendes funktionelles Ergebnis mit schmerzfreier Schulterbeweglichkeit im Bewegungsausmaß bis 90° Anteversion und 90° Abduktion. Im Anschluss konnte mit intensiver aktiver Physiotherapie über 90° begonnen werden. Eine Röntgenkontrolle zeigte eine diskrete sekundäre varische Abkippung des Kopffragmentes, in akzeptablem Ausmaß (Abbildung 6).


Abbildung 6: Patientin A – Röntgenkontrolle nach sechs Wochen. Diskrete sekundäre varische Abkippung des Kopffragmentes (die Richtung der Abkippung ist durch den roten Pfeil markiert).

Patientin B

Eine 73-jährige Patientin kam in unsere Notaufnahme nachdem sie im häuslichen Umfeld zwei Treppenstufen hochgefallen und auf die rechte Schulter gestürzt sei. Klinisch zeigte sich ein identischer Befund wie bei Patientin A. Nativradiologisch zeigte sich eine abgekippte und mit Versatz eingestauchte subkapitale Humerusfraktur (Abbildung 7).

Abbildung 7: Patientin B – Röntgenaufnahme des rechten Schultergelenkes am Unfalltag. Eingestauchte subkapitale Humerusfraktur in Valgusstellung (ca. 30°), dorsaler Abkippung (ca. 35°) und mit Seitenversatz (ca. 9 mm).


Dieses Frakturmuster stellte eine spezielle Situation dar. In der Literatur werden unterschiedlich strenge Kriterien für den akzeptablen Dislokationsgrad empfohlen und diese Frakturstellung ist durchaus als grenzwertig und potenziell instabil zu werten. Die Patientin lehnte am Unfalltag eine mögliche operative Therapie ab und wünschte einen konservativen Therapieversuch. Es wurde genauso wie bei Patientin A eine Schulter-Arm-Adduktionsorthese angelegt und initial eine konsequente Ruhigstellung empfohlen. Am vierten Tag wurde eine radiologische Verlaufskontrolle durchgeführt und es zeigte sich trotz guter Compliance der Patientin eine zunehmende Dislokation des Humeruskopfes (Abbildung 8).


Abbildung 8: Patientin B – Verlaufskontrolle. Deutliche Zunahme der Valgusstellung (ca. 49°), dorsalen Abkippung (ca. 36°)

Bei subjektiver Beschwerdeprogredienz entschied sich die Patientin dann für eine operative Therapie. Am Folgetag wurde die Fraktur osteosynthetisch mittels winkelstabiler Platte versorgt (Abbildung 9).


Abbildung 9: Patientin B – Postoperative Röntgenaufnahme nach osteosynthetischer Versorgung mittels winkelstabiler Platte. 

Gleich postoperativ konnte mit intensiver passiver sowie aktiver Physiotherapie begonnen werden. Nach sechs Wochen zeigte sich das funktionelle Ergebnis mit schmerzfreier 90° Abduktion und 90° Anteversion, vergleichbar gut wie bei Patientin A.

Fazit

Bei wenig dislozierten proximalen Humerusfrakturen führt die konservative Behandlung zu sehr guten funktionellen Ergebnissen. Entscheidend für die Indikationsstellung ist das geeignete Frakturmuster mit akzeptabler Stellung und ausreichender Stabilität. In Grenzfällen ist die Entscheidung im Einzelfall intensiv mit dem Patienten zu beraten, und zwar nach ausführlicher Aufklärung über Vor- und Nachteile, inklusive eventuell notwendigem Wechsel des Therapieverfahrens im weiteren Verlauf (Diagramm).


Das Wichtigste in Kürze

Unter Anwendung eines Fast-Track-Behandlungskonzeptes kann in der Endoprothetik des Hüft- und Kniegelenkes eine wesentliche Verbesserung der operativen Behandlung einer fortgeschrittenen Arthrose erreicht werden, eine gute Funktion und frühpostoperative Nachbehandlung mit Verkürzung der Rekonvaleszenz erfolgen sowie Schmerzen postoperativ reduziert werden.

Bei Bandscheibenvorfällen und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen ist zunächst die konservative Therapie auszureizen, einschließlich gezielter Injektionen im Bereich der Bandscheibe, im Wirbelkanal und periradikulär sowie im Bereich der Facettengelenke. Bei Bandscheibenoperationen im Lumbalbereich hat die endoskopische Technik viele Vorteile.

Bei komplexeren Frakturen des Humeruskopfes kann eine konservative Versorgung eine gute Alternative zur operativen Vorgehensweise sein. Entscheidend für die Indikationsstellung ist das geeignete Frakturmuster und die Stabilität der Frakturfragmente.

 

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

 

Autoren


Professor Dr. Joachim Grifka

 


Privatdozent Dr. Felix Greimel

 


Dr. Daniel Boluki 

 


MUDr. Lukas Parik

Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum
Bad Abbach, Kaiser-Karl-V.-Allee 3, 93077 Bad Abbach

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