Pandemie und Ökologie
Aktuell wird von der Bayerischen Landesärztekammer erwartet, Stellung zu nehmen, unter welchen Sicherheitskautelen wieder Spiele der Fußball-Bundesliga stattfinden sollen. Sind Corona-Abstriche für die Teams gerechtfertigt oder sollen sie nur den Erkrankten zur Verfügung stehen? So wichtig Sport für die psychische Gesundheit ist, so differenziert sollte allerdings auch betrachtet werden, dass wir uns anderen Aspekten mit gleicher Dringlichkeit widmen müssen. Wie lange sollen die Schulen geschlossen bleiben, wann dürfen die Freibäder oder Biergärten wieder öffnen? Auch das gehört zur Gesundheit.
Vor allem aber auch: Wie schaffen wir es, die Isolation älterer Menschen in den Pflegeheimen zu überwinden? Ebenso muss die Botschaft formuliert werden, dass es neben Corona auch andere Krankheiten gibt, mit denen der Patient zum Arzt gehört.
Ökologie und Pandemie nicht gegeneinander ausspielen
Gegenwärtig werden alle finanziellen, politischen und gesellschaftlichen Ressourcen auf die Corona-Bekämpfung fokussiert, was absolut notwendig und richtig ist. Gleichzeitig dürfen dabei aber langfristige Vorhaben sowie die Standards von Demokratie, Transparenz und Solidarität nicht verloren gehen. Was nicht geschehen darf: Ökologie und Pandemie gegeneinander auszuspielen.
Der Corona-Shutdown hat uns fest im Griff. Sicherheitsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus schränken das gewohnte Leben massiv ein – und das weltweit. Für die Wirtschaft ist das ein Desaster. Der wirtschaftlichen Misere könnte eine ökologische folgen, falls international vereinbarte Umwelt- und Klimaschutzziele bei der ökonomischen Aufholjagd nach der Pandemie hintangestellt werden.
Die Klimaveränderung hält eine ganz andere bedrohliche Zukunftsperspektive bereit, wenn auch Vergleiche mit der COVID-19 unpassend sind. Die Folgen des Klimawandels werden voraussichtlich gravierende Lebenseinschränkungen für uns bereithalten. Nur, die von ihr verursachten Kranken und Toten sind uns – jedenfalls derzeit – nicht so nah und präsent, obwohl sie die Zahl der Corona-Opfer schon heute weit übertreffen.
Wir haben nicht mehr viel Zeit, um die CO2-Emissionen zu senken, wenn wir die Erderwärmung auf maximal 1,5 °Celsius halten wollen. Wir alle haben ein Recht auf den Schutz unseres Lebens, vor allem die Menschen, die die nächsten 50 Jahre noch erleben werden, sowie all diejenigen Generationen, die noch folgen.
Die Kosten, um die Schäden der Klimaerwärmung dann zu mindern, werden ein Vielfaches von denen übertreffen, die wir jetzt investieren müssten. Es würde sich lohnen, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie wir unsere wirtschaftlichen Aktivitäten nachhaltig umgestalten könnten, um unsere vielfältig unser Lebensumfeld zerstörende Produktion zurückzufahren und zugleich Arbeitsplätze in sozial und gesellschaftlich sinnvolleren Tätigkeiten langfristig zu sichern.
Dass das uns Ärztinnen und Ärzte angeht, lässt sich aus unserer Berufsordnung ableiten: „Aufgabe des Arztes ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.“
Es wird schwer werden, die massive wirtschaftliche Überschuldung sowie die gestiegene Arbeitslosenrate zu bewältigen. Unsere Gesellschaft wird nach COVID-19 eine andere sein. Es erscheint mir unmöglich, einfach die Reset-Taste zu drücken und in den früheren Zustand des Jahres 2019 zurückzudrehen. Unsere Gesellschaft benötigt vielmehr eine innovative Zukunftsperspektive, bei der multiple Zielkonflikte zu bewältigen sein werden. Wohin muss sich unsere Gesellschaft entwickeln, um künftig krisenfester zu sein? Dafür kann Nachhaltigkeit, die systemische Integration sozialer, ökologischer und ökonomischer Entwicklungen eine entscheidende Option anbieten. Dafür sollten notwendige Konjunkturhilfen und Investitionspakete auch ökologische Ziele wie die Klimaneutralität fördern. Jetzt können wir langfristig die Weichen stellen.
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