Plädoyer für eine „Vorabquote“

Dr. Gerald Quitterer, Präsident der BLÄK

Es kann nicht sein, dass uns in einem Gutachten unter anderem vorgeschlagen wird, anstelle einer Vorabquote für das Medizinstudium ausgebildete ausländische Ärztinnen und Ärzte anzuwerben.

Derzeit erarbeiten die Kultusminister der Länder Eckpunkte für ein neues Zulassungsverfahren zum Medizinstudium. Konkret entschieden ist bereits, dass es künftig keine Wartezeitenquote mehr geben soll. Über diese Quote waren bisher 20 Prozent der Medizinstudienplätze für Abiturienten ohne Einser-Abitur reserviert worden. Die Erarbeitung von Eckpunkten für ein neues Zulassungsverfahren ist dringend nötig, nicht nur weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ende vergangenen Jahres die Studienplatzvergabe in ihrer gegenwärtigen Form für teilweise verfassungswidrig erklärt hat (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 2017). Sie verstoße gegen das Grundrecht der Bewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot, befanden die Karlsruher Richter.

Ich sehe die ärztliche medizinische Versorgung in Deutschland und damit auch in Bayern gefährdet. Zum einen, weil sich zu wenige Ärztinnen und Ärzte, hier vor allem die Hausärzte in ländlichen Gebieten, niederlassen. Zum anderen, weil die demografische Entwicklung ein Ausscheiden vieler Ärzte aus der Versorgung in den nächsten Jahren bewirken wird. Wohl greifen die Stipendienprogramme wie auch die Förderung der Niederlassung durch die Bayerische Staatsregierung und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Die Reform des Bereitschaftsdienstes sowie die abgewehrte Regressbedrohung bei der Verordnung von Arzneimitteln sind Maßnahmen, die die Niederlassung wieder attraktiver gestalten. Und dennoch finden viele ausgebildete Mediziner den Weg in die Versorgung nicht. Es kann keine Lösung sein, ausländische Ärztinnen und Ärzte, deren Abiturzeugnisse offenbar keine Rolle spielen und die wir damit der ärztlichen Versorgung in ihren Heimatländern entziehen, anzuwerben. Gleichzeitig können deutsche Abiturienten, die sich für eine Niederlassung entscheiden würden, nicht Humanmedizin studieren, wenn sie den geforderten Notendurchschnitt von 1,0 nicht erreichen.

Wir benötigen deshalb mehr Studienplätze für Medizin in Deutschland und eine dringend notwendige Reform des Zugangs zu diesem Studium – jetzt. Aktuell brauchen wir darüber hinaus eine zusätzliche Vorabquote für niederlassungswillige Abiturienten, die sich vor dem Beginn des Studiums verpflichten, nach dessen Abschluss in ein unterversorgtes Gebiet zu gehen; daneben aber auch für solche, die eine bestehende Praxis übernehmen wollen und sich dafür vertraglich festlegen. Dies kann beispielsweise auf Orte einer bestimmten Größe beschränkt sein. Hier kommt dem Staat im Rahmen seiner Gemeinwohlverpflichtung, die auch die ärztliche Versorgung umfasst, eine tragende Rolle zu. Rechtlich ist aus meiner Sicht beides darstellbar. Vorabquoten sind grundsätzlich bei entsprechendem Versorgungsbedarf möglich und auch nicht über die „Stiftung Hochschulzulassung“ zu vergeben. Es kann nicht sein, dass für Studierende über diese Vorabquote zusätzliche „Qualifikationen“, wie eine 12-monatige Tätigkeit in Praxen, medizinnahen Berufen, Curriculum mit Abschlussprüfung oder „Situational Judgement Tests“ gefordert werden. Das stellt eine unzumutbare Verzögerung und Ungleichbehandlung dar und entbehrt zudem jeder Notwendigkeit. Die landläufige Behauptung, Studierende, die nicht über ihre Durchschnittsnote zum Medizinstudium zugelassen würden, könnten als Ärzte zweiter Klasse angesehen werden, ist entgegenzuhalten, dass jeder Studierende das gleiche Studium absolvieren und das gleiche Examen bestehen muss.

Der Vorschlag einer zusätzlichen Vorabquote für Niederlassungswillige könnte ein Punktesystem sein, das sich in vier verschiedene Bereiche gliedert. Es berücksichtigt neben der Abiturnote und dem Medizinertest jetzt auch die Absicht, in die medizinische Versorgung zu gehen sowie die Wartezeit. Erworben werden könnten maximal 400 Punkte, die sich in Abschnitte zu jeweils 25 Punkten (bzw. 50 Punkten) aufteilen. Vorabquoten für die Abiturbesten bleiben davon unberührt. Die Abiturnote beginnt künftig bei 1,0.

Der Vorschlag steht nicht im Widerspruch zum Beschluss des 76. Bayerischen Ärztetags, der sich 2017 gegen eine „Landarztquote“ ausgesprochen hatte. Vielmehr bin ich der Meinung, dass wir alle Chancen und Möglichkeiten nutzen sollten, sowohl ein gerechteres Zulassungsverfahren zu etablieren als auch gleichzeitig dem erhöhten Versorgungsbedarf in Problemregionen gerecht zu werden. Er könnte schon ab dem kommenden Wintersemester gestartet werden und dann als Eckpunkt für weitere Diskussion um den generellen Zugang zum Medizinstudium dienen.

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