Raus aus der dritten Welle impfen

Dr. Gerald Quitterer

Angesichts der dritten Corona-Welle in Deutschland bedauere ich die Entwicklungen um den Impfstoff von AstraZeneca mit ausgesetzten Impfungen und knapperen Liefermengen. Im Moment sollten wir vor allem daran denken, dass wir diese Impfung brauchen. Die pandemische Lage stimmt im Moment nicht zuversichtlich. Die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 hält immer mehr Einzug. Mittlerweile ist die VOC B.1.1.7 die dominierende SARS-CoV-2-Variante in Deutschland. Das ist besorgniserregend, weil B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender als andere Varianten ist. Die Analyse der vergangenen Wochen zeigt einen exponentiell ansteigenden Trend der 7-Tage-Inzidenz der VOC B.1.1.7 seit Kalenderwoche zwei. Aufgrund des nun hohen Anteils von B.1.1.7 ist insgesamt weiter mit einem exponentiellen Anstieg der COVID-19-Fälle in Deutschland zu rechnen.

Nutzen/Risiko-Bewertung


Vor diesem Hintergrund begrüße ich, dass der Impfstoff von ­AstraZeneca von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) nicht vom Markt genommen wurde, sondern für bestimmte Pati­entengruppen Warnhinweise ausgesprochen wurden. Ich ­schließe mich der Nutzen/Risiko-Bewertung für den AstraZeneca-Impfstoff durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), die EMA und der Ständigen Impfkommission (STIKO) an: Der Nutzen durch die Impfung aufgrund des damit verbundenen Schutzes vor einer schweren COVID-19-Erkrankung überwiegt deutlich gegenüber dem Risiko einer Nebenwirkung durch eine der seltenen Gerinnungsstörungen. Mehr denn je ist es angesichts der deutlich steigenden Frequenz der mutierten SARS-CoV-2-Varianten wichtig, die Impfziele möglichst schnell zu erreichen. Dennoch ist es absolut unerlässlich, dass jetzt genau mögliche Zusammenhänge zwischen der Impfung und aufgetretenen Hirnvenen-Thrombosen aufgedeckt werden.

Corona-Impfungen in Praxen

Mitten in der dritten COVID-19-Welle wurde die Impfkampagne durch den einstweiligen Stopp des AstraZeneca-Vakzins allerdings deutlich zurückgeworfen. Ein großer Imageschaden für den Impfstoff ist eingetreten, den gerade auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen verabreichen sollten. Noch vor den Osterfeiertagen sind wir in Bayern in den Arztpraxen mit den Corona-Impfungen gestartet. Endlich wurden wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in die Impfkampagne der Landesregierung eingebunden – wahrlich nicht zu früh. Der Impfstoff ging zunächst nur an ausgewählte Praxen, die sich kurzfristig auf eine Abfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zurückgemeldet hatten, was für die Woche vor Ostern angezeigt war. Dies war erforderlich, da zum einen nur eine begrenzte Menge an Impfstoff – und dieser auch nur in Einheiten von 10er-Dosen – zur Verfügung stand. Es handelte sich dabei um eine einmalige, äußerst kurzfristig zu bewerkstelligende, Aktion. Und es hatte absolute Priorität, mit den Impfungen noch vor Ostern zu beginnen. Viele Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten warteten schon zu lange darauf.


Einfache Dokumentation

Nach Ostern geht die COVID-19-Impfung in den Regelbetrieb über. Alle Impfstoff-Dosen, die über die für die Impfzentren bayern­weit reservierten Dosen pro Woche hinausgehen, werden nun über die gewohnte Infrastruktur der Apotheken an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte verteilt. Impfen wir los und konzentrieren wir uns auf den „Corona-Impf-Regelbetrieb“ – raus aus der dritten Welle! Das Impfen durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wird das Impfgeschehen nach vorne bringen.

Dabei ist es aus meiner Sicht dringend erforderlich, den bürokratischen Aufwand deutlich zu reduzieren. In meiner Praxis gilt die Impfempfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI), die mir einer­seits vorgibt, welche Patientinnen und Patienten vorrangig zu impfen sind, mir aber auch die freie Entscheidung lässt, im Einzelfall anders zu verfahren. Es macht wenig Sinn, Patientinnen und Patienten wieder nach Hause zu schicken, weil sie noch nicht an der Reihe sind, um dann am Ende des Tages herumzutelefonieren, weil noch Impfstoffdosen übrig sind. Daneben muss eine einfache Dokumentation ausreichen, wie bei allen anderen Impfungen auch. Eine Coronavirus-Impfverordnung sollte diesem Umstand Rechnung tragen und nicht staatliche Reglementierungen in die Praxen tragen.

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