Reformvorhaben im Blick
Ein Blick auf die Tagesordnung des 119. Deutschen Ärztetages, der Ende Mai in Hamburg stattfindet, macht klar: Das wird kein „gemütlicher Termin“. Große sozial- und gesundheitspolitische Themen stehen auf unserer Agenda. Ganz aktuell sind wir auf der Suche nach Wegen, die medizinische Versorgung der vielen hunderttausend Flüchtlinge in Deutschland zu gewährleisten. Deutsche und auch Bayerische Ärztetage haben schon vor der jetzigen Flüchtlingskrise Handlungsbedarf angemahnt. Wir haben uns wiederholt mit den Problemen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes beschäftigt und eine ausreichende Personalausstattung gefordert. Wir haben darüber beraten, wie Migranten schneller und niederschwelliger Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten können.
Verteilungsgerechtigkeit und Ökonomisierung
Über Verteilungsgerechtigkeit in unserem Gesundheitssystem diskutieren wir auch, wenn wir uns dem Thema „Arzneimittelpreisbildung im Spannungsfeld zwischen Patientennutzen und marktwirtschaftlich orientierten Unternehmenszielen“ annehmen. Es geht darum, ob die Preise bestimmter Arzneimittel in einem solidarisch finanzierten System sowohl unter ethischen Aspekten als auch unter Nutzenaspekten immer gerechtfertigt sind. Die bisher ausschließlich marktwirtschaftlich orientierte Preisbildung muss transparenter und an einem evidenzbasierten Nachweis des patientenrelevanten Nutzens orientiert sein.
Oft haben wir die zunehmende Ökonomisierung unseres Gesundheitswesens angeprangert. Wir müssen wieder verstärkt darauf achten, dass die medizinische Indikation ein gut begründbares fachliches Urteil des behandelnden Arztes darstellt, stehen wir doch permanent in einem Kräftedreieck zwischen medizinisch-ärztlichen, medizinisch-ökonomischen und medizinisch-juristischen Aspekten. Auf diesem Ärztetag geht es konkret um die „Rolle leitender Krankenhausärzte zwischen medizinischer Notwendigkeit und ökonomischen Zwängen“. Es geht nicht an, dass ökonomische Parameter das ärztliche Handeln bestimmen, etwa wenn Entscheidungsspielräume durch vorgegebene ökonomische Rentabilitätskriterien begrenzt werden oder eine zunehmend „juristische Denke“ eine Defensivmedizin bewirken. Wir wollen ein klares Signal an die Politik sowie an die Krankenhaus- und Kostenträger senden, dass Gewinnmaximierung oder Rentabilitätsorientierung niemals Vorrang haben dürfen vor medizinisch begründeten Entscheidungen.
Reform der Gebührenordnung
Seit Herbst 2015 ist unter den Verbänden eine kritische Diskussion um die „GOÄneu“ entstanden – insbesondere in den Medien. Die Delegiertenversammlungen dreier Landesärztekammern hatten die Einberufung eines außerordentlichen Deutschen Ärztetages (DÄT) zum Thema GOÄ bewirkt. Doch der Reihe nach – was ist bisher geschehen und wie geht es weiter? In der im Herbst 2013 konsentierten Rahmenvereinbarung verpflichteten sich Bundesärztekammer (BÄK) und der PKV-Verband zur Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptes für die Novellierung der GOÄ beim Bundesgesundheitsministerium (BMG). Ende März 2015 hat das BMG eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die unter Beteiligung der BÄK, des PKV-Verbandes und der Beihilfe wesentliche Teile des abgestimmten Entwurfs berät. Zentraler Beratungsgegenstand waren auch die abgestimmten Entwürfe zur Änderung von § 11 der Bundesärzteordnung (BÄO) sowie des Paragrafenteils der GOÄ. Bis Ende des Jahres 2015 waren Teile der Leistungslegenden der GOÄ zur Vorbereitung des Referentenentwurfes abgestimmt. Insbesondere zur Vorbereitung des außerordentlichen DÄT im Januar 2016 haben die BÄK-Verhandler auf Informationsveranstaltungen den aktuellen und – soweit möglich – kommunizierbaren Sachstand dargelegt. Der außerordentliche DÄT bestätigte nochmals die Eckpunkte der Verhandlungen zur BÄO und zum Paragrafenteil. Im März 2016 hat der BÄK-Vorstand bei dem vorgelegten Entwurf eines Leistungsverzeichnisses – insbesondere bezüglich der Bewertung der Leistungen – Klärungsbedarf in Teilen der Legendierung und der Preisfindung festgestellt und dieses unter der Prämisse notwendiger Nachverhandlungen zurückgewiesen. Die BÄK hat sich in Abstimmung mit den Partnern dafür ausgesprochen, den ärztlichen Berufsverbänden und wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften im Rahmen von Präsenzterminen die Möglichkeit zu geben, die jeweils für sie relevanten Teile des Leistungsverzeichnisses bezüglich Legendierung und Bewertung zu diskutieren und zu konsentieren. Parallel zu diesem Abstimmungsprozess findet eine Operationalisierung des Paragrafenteils und der BÄO statt. Bis Ende des Jahres 2016 soll das somit erstellte Leistungsverzeichnis dem BMG überreicht werden, vorausgesetzt, dass die Einigungen bezüglich der Bewertungen und der Legendierungen erfolgen. Zu der Thematik wird uns Dr. Klaus Reinhardt in Hamburg informieren, der seit April den Vorsitz des GOÄ-Ausschusses innehat.
Auch die laufenden gesundheitspolitischen Gesetzesinitiativen werden nicht unkommentiert bleiben. Zudem werden wir uns im heraufziehenden Bundestagswahlkampf mit wieder aufkommenden Forderungen nach einer Bürgerversicherung auseinandersetzen. Und „last but not in my mind“ darf ich die Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung nennen, deren aktuellen Stand Kollege Dr. Franz Bartmann vorstellen wird. Die BÄK-Gremienstruktur, insbesondere das neue Statut der Akademien, wird Inhalt unserer „Inhouse-Debatte“ sein. Ich hoffe, dass neben den anstrengenden Plenarsitzungen auch etwas Zeit und Energie bleibt, die Hansestadt zu genießen. Lassen wir uns überraschen – von den Diskussionen, Beratungen und Beschlüssen auf dem Deutschen Ärztetag sowie von Hamburg!
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