Santé pour tous - Gesundheit für alle – Gesundheitsarbeit in Togo
Bei der Entwicklungszusammenarbeit wird stets der Ansatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ gefordert. Im Gesundheitssektor ist das nicht so einfach. Hier ist einerseits fachliches Wissen und Qualität der Akteure in der medizinischen Versorgung, andererseits auch die Gesundheitserziehung der Bevölkerung notwendig. „Spt – Santé pour tous“, ein gemeinsames Projekt des bayerischen Vereins Aktion PiT-Togohilfe e. V. mit dem togoischen Verein Aimes-Afrique leistet als Best-Practice-Project vorbildhafte Gesundheitsarbeit in der ehemaligen deutschen Kolonie Togo.
Das Krankenhaus zu den Menschen bringen
In Togo wie in Gesamtafrika der Subsahara-Region sind die ländlichen Kommunen nahezu völlig von qualifizierter medizinischer Versorgung ausgeschlossen. Arztpraxen und Krankenstationen sind für die Bevölkerung auf dem Land unerreichbar, Krankenversicherungen existieren nicht, Medizin ist für die Familien unbezahlbar. Erschwerend kommt hinzu, dass es am notwendigen Wissen fehlt und die Menschen noch Vorstellungen von Hexerei und Fluch anhängen, denen sie ihre Leiden als unabänderlich zuschreiben.
Der Ansatz von Aimes-Afrique, gegründet 2005 von Dr. Michel Kodom, Internist mit Ausbildung an der Pierre-und-Marie-Curie-Universitätsklinik in Paris, trägt diesen Herausforderungen Rechnung. Es ist ein sehr niederschwelliges, für jeden zugängliches Angebot, wenn sich Dr. Kodom mit einem ganzen Team aus mindestens sieben verschiedenen Fachärzten, fast alle in Europa ausgebildet, auf den Weg in die Dörfer macht. Unter dem Motto „Das Krankenhaus zu den Menschen bringen“ werden pro einwöchigem Einsatz 2.500 Menschen erstmals von einem Arzt untersucht, sofort vom richtigen Facharzt behandelt, über Präventivmaßnahmen aufgeklärt und für die Bedeutung von Hygiene sensibilisiert, natürlich kostenlos. Bei diesen ärztlichen Erstuntersuchungen werden bis zu 250 Krankheitsbilder gefunden, die einen chirurgischen Eingriff erforderlich machen. Leisten- und Nabelhernien, Strumen, kleinere Tumore der Haut und des Unterhautgewebes, Uterus myomatosus, zum Teil auch Gebärmuttervorfälle, Hasenscharten, aber auch Augenoperationen (vorwiegend Grauer Star) werden im nächstgelegenen Regionalkrankenhaus von den Ärzten von Aimes-Afrique operiert.
Wichtig: Einen Mentalitätswechsel bei den Menschen erreichen
Die Menschen kommen in Massen, wenn die Ärzte von Aimes-Afrique über die lokalen Medien, die Krankenpfleger und Dorfchefs ihr Kommen anmelden. Viele Patienten, vor allem Frauen, haben zum ersten Mal den Mut, sich an einen Arzt zu wenden, der in ihr vertrautes Umfeld kommt. Man kann mit ihm in der eigenen Sprache sprechen, er versteht die Sorgen und Bedenken. Mit viel Einfühlungsvermögen und der notwendigen Sensibilität klären die Aimes-Afrique-Ärzte über die neuen Möglichkeiten moderner Medizin auf, verändern den Blick der Menschen auf die Ursachen ihrer Leiden und beweisen, dass es nicht einer Voodoo-Zeremonie bedarf, um wieder gesund zu werden. „Wir müssen einen Mentalitätswechsel bei den Menschen erreichen“, betont Dr. Kodom immer wieder, der in den USA ein Diplom zu Gesundheitserziehung erworben hat.
Die Operationen werden meistens in Lokal- oder Regionalanästhesie durchgeführt. Dies ist einerseits kostengünstig, zumal es auch an Anästhesisten und Narkosegeräten fehlt, andererseits wichtig, damit die betroffenen Patienten die Eingriffe bewusst miterleben. Wenn eine Frau, wegen ihrer Struma als „Seelenfresserin“ und Hexe angesehen, die Entfernung dieser Geschwulst bewusst erlebt und in ihrem Dorf erzählt, dass sie durch die Operationskunst des Arztes geheilt ist, beeindruckt so ein Beispiel und trägt mehr zum Mentalitätswechsel bei, als jeder Vortrag oder Flyer je erreichen könnte.
Peinlich genaue Dokumentation, auch ohne Computereinsatz und bei Patienten, die Analphabeten sind.
Professionalität trotz schwieriger Rahmenbedingungen
Für die postoperative Phase werden die lokalen Krankenpfleger gezielt fortgebildet. Sie erhalten einen eintägigen Kurs zur Auffrischung der Grundkenntnisse ihrer Ausbildung und zur Behandlung von Operationswunden mit den notwendigen Verbandswechseln und der Ausgabe entsprechender Medikamente. Bei Komplikationen können sie Kontakt mit den Ärzten von Aimes-Afrique aufnehmen, die sofort kommen und Folgeschäden vermeiden helfen. Gleichzeitig wird die Ausstattung der lokalen Dispensaires verbessert und ein Vorrat an Medikamenten hinterlassen. Das Vertrauen in die moderne Medizin soll sich nachhaltig entwickeln und das Bewusstsein der Menschen, mehr auf ihre Gesundheit zu achten und frühzeitig zur Behandlung zu kommen, muss wachsen, das ist Dr. Kodom besonders wichtig.
Die Rahmenbedingungen sind für die Ärzte oft schwierig. Unzureichende Räumlichkeiten, fehlende Wasser- und Stromversorgung, der kaum zu bremsende Zulauf an Patienten, das verlangt den Ärzten Höchstleistungen ab. Es gilt ja nicht nur, zu untersuchen und aufzuklären. Es wird auch alles peinlich genau, ohne Computerhilfe, auf einfachen Listen und Karteikarten dokumentiert. Ein eigenes Team kümmert sich um den ausreichenden Vorrat an Medikamenten und Medizinprodukten und deren kontrollierte Abgabe an die Patienten je nach Verschreibung der im Akkord behandelnden Ärzte. Ein mobiles Labor führt die Sofort-Tests bei Malaria-oder AIDS-Verdacht durch und erstellt ein komplettes Blutbild der für Operationen vorgesehenen Patienten. Die chirurgischen Eingriffe werden terminiert, die Anästhesievorbereitung und Aufklärung der Patienten vorgenommen, alle Ergebnisse in ein Patientenheft eingetragen. Die OP-Säle in den Regionalkrankenhäusern werden mit drei oder vier Operationstischen ausgestattet, sodass mehrere Chirurgen parallel und dennoch unter Wahrung der sterilen Kautelen ein Maximum an Operationen leisten können.
Dr. Kodom legt trotz der schwierigen Rahmenbedingungen auf ein höchstmögliches Maß an Professionalität Wert. Das Know-how ist vorhanden, es fehlt an Geld für das notwendige Material. Oft genug bringen die Ärzte ihre eigenen Geräte mit oder quälen sich mit ihrem eigenen PKW auf den schwierigen Pisten in die abgelegenen Krankenstationen. Die Mitgliedsbeiträge des Vereins reichen nicht aus, um die gesamte Logistik und das benötigte Behandlungsmaterial zu finanzieren. Dennoch hat der Verein in den ersten zehn Jahren seines Bestehens mindestens einen oder zwei Einsätze pro Jahr geleistet. Um nachhaltig die Bevölkerung von zahlreichen, jahrelang ertragenen Alterkrankungen zu befreien, möchte Aimes-Afrique in jeder der fünf großen Regionen Togos pro Jahr zwei Einsätze durchführen. Dr. Kodom kennt die richtige Strategie, um die medizinische Versorgung der ländlichen Bevölkerung nachhaltig zu verändern, und er will die Sache selbst in die Hand nehmen, ohne zu warten, bis genügend Mittel für dieses anspruchsvolle Programm von irgendwoher kommen. Dieser Wille und diese Bereitschaft, selbst für sein Land etwas zu tun, überzeugen. Hier zu helfen, bedeutet nicht einfach Hilfe zur Selbsthilfe, sondern vielmehr die intensive Stärkung der bereits aktiven und erfolgreichen Eigeninitiative.
Sofortige Ausgabe der Medikamente, die die Ärzte verschrieben haben.
Förderung durch Aktion PiT-Togohilfe und das BMZ
Margret Kopp, Vorsitzende des Vereins Aktion PiT-Togohilfe e. V., wollte nicht einfach blind vertrauen. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass so viel an Behandlung, Fortbildung, Sensibilisierung in der kurzen Zeit eines Ärzteeinsatzes realisiert werden könnte“, bekennt sie leicht schmunzelnd. Sie nahm an einer „mission médico-chirurgical“ teil und erlebte persönlich, dass sogar noch mehr so ganz nebenbei „erledigt“ wird, wie zum Beispiel Entwurmungskuren an den umliegenden Schulen, Interviews mit den Medien, Gespräche mit den Distrikt-Gesundheitsämtern, Werbung für ehrenamtliches Engagement etc. „Es ist unglaublich, aber wahr“, berichtete sie den Vereinsmitgliedern und überzeugte sie, eine Partnerschaftsvereinbarung mit Aimes-Afrique abzuschließen. Seither sammelt Aktion PiT-Togohilfe gezielt Spenden für „Santé pour tous“ in Togo.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellte 2015 eine erste große Förderung zur Verfügung und ermöglichte erstmals in allen fünf Regionen einen Ärzteeinsatz. In der Zentralregion kam sogar Verstärkung durch ein 15-köpfiges Team deutscher Ärzte hinzu, sodass dort das sensationelle Ergebnis von über 10.000 behandelten Patienten und mehr als 1.000 Operationen erzielt werden konnte. Minister Dr. Gerd Müller bezeichnete es daraufhin als ein „Best-Practice-Project“. Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie der Kreisklinik Trostberg, Dr. Joachim Deuble, und seine Frau Dr. Stephanie Deuble waren dabei und von dieser intensiven Mission so beeindruckt und fasziniert, dass sie vor wenigen Wochen die Zweigniederlassung Aimes-Afrique-Allemagne gegründet haben. Die Koordination von weiteren Ärzteeinsätzen, zum Teil auch mit komplexeren operativen Verfahren aus dem unfallchirurgisch-orthopädischen Bereich, soll so vereinfacht werden. Ein erster Ausdruck dieser intensiven Zusammenarbeit mit den togoischen Ärzten war im Oktober 2016 eine vierwöchige Hospitation eines Chirurgen und Anästhesisten in der Kreisklinik Trostberg.
2016 und 2017 läuft mithilfe des BMZ und der Aktion PiT-Togohilfe eine neue Serie von Einsätzen der Aimes-Afrique-Ärzte, ergänzt von einer Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen für alle Akteure sowohl der Zivilgesellschaft als auch im bereits bestehenden Gesundheitssystem auf dem Land, um „Santé pour tous – Gesundheit für alle“ in Togo mehr und mehr zur Normalität werden zu lassen und dadurch bei den Menschen die Kräfte freizusetzen, die sie brauchen, um ihr Leben vor Ort eigenverantwortlich zu gestalten.
Konkrete Hilfe ist möglich
- Geldspenden zweckgebunden mit dem Stichwort „spt“ (santé pour tous) auf das Konto von Aktion PiT-Togohilfe e. V. bei der Sparkasse Fürstenfeldbruck, IBAN: DE34 7005 3070 0031 0399 10 (Spendenquittungen werden erteilt)
- Sachspenden (Arzneimittel der Pharmaindustrie, Medizinprodukte und Geräte) verbunden mit einer Geldspende für die Transportkosten nach Togo (Sachspendenquittungen werden erstellt)
- Unterstützung durch deutsche Ärzte, Anästhesisten und Laborfachkräfte bei den Einsätzen in Togo (auf eigene Kosten und mit Finanzbudget für den erhöhten Bedarf an Logistik und medizinischem Material)
Dr. Joachim Deuble, Margret Kopp und Dr. Michel Kodom (v. li.).
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