Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – highlighted

Sexuell übertragbare Infektionen (STI)
Epidemiologie und Hintergrund

Bis zu 357 Millionen Menschen weltweit infizieren sich jedes Jahr neu mit mindestens einem der nachfolgenden vier Erreger: Chlamydia trachomatis (CT), Neisseria gonorhoeae (NG), Treponema pallidum (Syphilis) oder Trichomonaden (T). Damit gehören sexuell übertragbare Infektionen (STI) mit etwa einer Million Neuinfektionen pro Tag nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den bedeutendsten und häufigsten Erkrankungen der Erde. Bis zu 31 Millionen der jährlichen Neuninfektionen grundsätzlich behandelbarer STIs werden in Zentral- und Westeuropa beobachtet. Auch virale Erkrankungen spielen eine Rolle: Weltweit sind darüber hinaus bis zu 500 Millionen Menschen mit dem Herpes simplex Virus (HSV) und bis zu 290 Millionen Frauen mit dem Humanen Papilloma Virus (HPV) infiziert [1]. Die Inzidenz von STIs in den vergangenen Jahren war stetig steigend. Die „Centers for Disease Control (CDC)“ in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) vermeldeten zuletzt einen Anstieg der Neuinfektionen mit NG in 2017 um 67 Prozent, mehrheitlich bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben [2]. Auch das Robert Koch-Institut vermeldet seit den 2000er-Jahren für die einzige in Deutschland meldepflichtige STI, Syphilis, kontinuierlich steigende Infektionsraten, insbesondere bei MSM in Großstädten [3, 4]. Infektionen durch Chlamydia trachomatis werden hingegen nach wie vor insbesondere bei heterosexuellen Frauen beobachtet und spielen dort im Zusammenhang mit Infertilität eine bedeutende Rolle [2, 5].

Fall 1: Ein Late-presenter aus dem Lehrbuch

Erkrankung

Der 82-jährige verheiratete Mann wurde elektiv stationär zur weiteren Diagnostik und Therapie bei auswärts geäußertem Verdacht einer Neurosyphilis bei Liquorpleozytose (Zellen im Liquor = 15/µl, 89 Prozent Lymphozyten) und reaktiver Syphilis-Serologie (TPPA 1:1.280; VDRL < 1:2, Syphilis IgM-Blot negativ) zugewiesen. In der Vorgeschichte beschreibt er auf Nachfrage eine seit Wochen progrediente Schwindelsymptomatik sowie Stand- und Gangataxie. Eine kranielle Schädelmagnetresonanztomografie sei unauffällig gewesen. Als relevante Begleiterkrankung wird chronische Diarrhoe seit über einem Jahr bei chronischer Proktitis und Zustand nach operativer analer Ulkusresektion und Analkanalrekonstruktion nach Ferguson vor etwa einem Jahr angegeben. Darüber hinaus sei eine Gammopathie bei Paraproteinämie, bislang ohne Hinweis auf den Übergang in ein Plasmozytom, bekannt. Im Rahmen des Anamnesegesprächs berichtet der Patient über die Notwendigkeit, wegen Gewichtsverlusts „den Gürtel enger schnallen“ zu müssen.

Diagnostik und Therapie

Im Rahmen der weiteren Abklärung erfolgte zunächst die serologische Diagnostik. Bei eindeutiger Konstellation einer Syphilis-Seronarbe ohne Aktivität (bei negativem Syphilis IgM-Blot und nicht relevant erhöhter Cardiolipin-Flockung < 1:2) aber Liquor-pleozytose und Paraproteinämie ergab sich ein reaktiver HIV-Suchtest im Antikörper-basierten Nachweis (ELISA). Die konsekutive Aufarbeitung zeigte eine HIV-Infektion bei Wasting-Syndrom (ungewollter Gewichtsverlust) im Center for Disease Control (CDC) Stadium C2 bei CD4-nadir von 305 pro Mikroliter, 20 Prozent, CD4/8-ratio 0.2 und einer HIV RNA von 158.000 Kopien pro Milliliter, was in Zusammenschau dem Vollbild eines erworbenen Immunschwächesyndroms (AIDS) entspricht. Es wurde unmittelbar eine in den aktuellen Leitlinien empfohlene antivirale Therapie mittels Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (B/F/TAF) induziert. Hinweise auf eine Hepatitis B/C-Koinfektion fanden sich nicht. Bei bekannter, am ehesten demyelinisierender, Polyneuropathie der unteren Extremität und Liquorpleozytose gelang im Liquorpunktat kein Nachweis weiterer opportunistischer oder pathogener Erreger, insbesondere nicht von Toxoplasmen, Kryptokokken, JC-Viren, Cytomegalieviren, Epstein-Barr-Viren oder Adenoviren. Es zeigte sich eine auch im Liquor replikative HIV-1-Infektion mit 18.300 Kopien HIV-1 RNA pro Milliliter Liquor. Die Liquorpleozytose sowie Paraproteinämie wurden somit zunächst als am ehesten einer parainfektiösen Komplikation entsprechend der bislang unentdeckten HIV-Infektion, gesehen.

Aufgrund der bestehenden analen Beschwerden mit Ausfluss sowie des Gewichtsverlustes erfolgte zum Ausschluss eines Malignoms eine vollständige Koloskopie sowie Ösophagogastroduodenoskopie. Nebenbefundlich zeigte sich hier makroskopisch die vorbekannte chronische Proktitis (siehe Abbildung 1). Histologisch zeigte sich Schleimhaut mit florider, teils auch chronisch-granulierender, ulzeröser Entzündung. Mittels Nukleinsäureamplifikation (NAAT) gelang der Nachweis von Chlamydia trachomatis mit Nachweis des Serovars L2 mittels Sequenzierung, sodass von einer intestinalen Lymhphogranuloma venerum Infektion bei chronischer Proktitis ausgegangen wurde. Eine leitliniengerechte Therapie mit Doxyzyklin 200 mg pro Tag über 20 Tage führte zu einer deutlichen klinischen und makroskopischen Befundbesserung. Hinweise für eine Gonokokken- und/oder Mykoplasma genitalium-Infektion ergaben sich nicht.


Abbildung 1: Makroskopischer Befund des Kolon descendens mit eitrig-fibrinbelegter, hypervaskularisierter Mukosa.

Diskussion

Der Patient hatte in den zwei Jahren vor dem aktuellen Konsultationsanlass multiple Kontakte mit dem Gesundheitswesen und wurde hierbei sektorübergreifend von Fachärzten für Allgemeinmedizin, Dermatologie, Hämatologie und Onkologie, Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie, Radiologie und Proktochirurgie, gesehen. Trotz mehrerer potenziell HIV-assoziierter Symptome wie Wasting, Polyneuropathie, Proktitis und laborchemischen Zeichen, wie Paraproteinämie und Liquorpleozytose, wurde die Chance einer früheren HIV-Diagnose verpasst.

Merke

» Die chronische Phase der HIV-Infektion verläuft häufig asymptomatisch. Paraproteinämie, Thrombopenie, Polyneuropathie und andere unspezifische Symptome sollten den Arzt an die Differenzialdiagnose der HIV-Infektion, auch bei vordergründig fehlender Risikogruppenzugehörigkeit, denken lassen. Mittel der Wahl zum Ausschluss einer HIV-Infektion ist ein 4. Generations-p24-Antigen/HIV-Antikörperkombinationstest (ELISA).

» Das Bild einer Proktitis sollte, auch bei vordergründig, fehlender Risikogruppenzugehörigkeit, unbedingt eine adäquate Testung auf sexuell übertragbare Erkrankungen nach sich ziehen. Hierzu wird neben einer HIV-, Syphilis-Serologie sinnvollerweise auch ein Abstrich auf Chlamydien- und Gonokokken mittels NAAT durchgeführt. Ergibt sich trotz klinischem Bild einer Proktitis kein wegweisender Befund, sollte auch an seltenere bakterielle Erkrankungen wie Mykoplasma genitalium gedacht werden [6].

» Eine Übersicht geeigneter diagnostischer Nachweismethoden findet sich in Tabelle 1.

Fall 2: „Die unklare Proktitis“

Anamnese

Der 34-jährige Patient stellte sich mit einer seit zwei Wochen bestehenden Durchfallsymptomatik vor. Er berichtet, nach einem mehrtägigen Berlin-Aufenthalt mit kondomlosen, sexuellen Kontakten mit Männern, an Durchfällen, bestehend aus drei bis fünf wässrig-breiigen Stühlen in 24 Stunden, ohne Blut oder Schleim, zu leiden, zudem hätte er eine schmerzhafte Entzündung am Anus entwickelt. Initial bestanden Fieber und Übelkeit für etwa drei Tage.

Da die Beschwerden nicht spontan sistierten, Fieber und Abgeschlagenheit nach einer Woche erneut auftraten, stellte sich der Patient zuvor wiederholt bei seinem Hausarzt vor. Die erfolgte Diagnostik bestand aus einer mikrobiellen Untersuchung auf enteropathogene Erreger sowie Labordiagnostik einschließlich Blutbild, C-reaktivem Protein und Retentions- und Leberparameter. Diese blieben ohne pathologischen Befund.

Relevante Vorerkrankungen sind nicht bekannt, bei MSM-Risikogruppenzugehörigkeit nimmt der Patient seit eineinhalb Jahren eine kontinuierliche HIV Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) mit Tenofovir-DF/Emtricitabin ein und verfügt über dokumentierte Hepatitis A/B-Immunität. Die letzten Screening-Untersuchungen vor zwei Monaten bezüglich HIV, Syphilis sowie STI-Diagnostik (Abstriche pharyngeal und anal sowie Erststrahlurin) für Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae und Mykoplasma genitalium im Rahmen eines Studienprojektes mittels NAAT waren negativ.

Diagnostik und Therapie

Bei Verdacht einer Proktitis erfolgte nach Asservierung von Abstrichen zur PCR-Diagnostik eine Proktoskopie. Es zeigte sich eine floride Proktitis sowie ein perianales Ekzem mit zwei scharf begrenzten Ulzerationen (Abbildung 2).


Abbildung 2: Perianale Ulzeration (Pfeilmarkierung).

Da die Mehrheit der sexuell übertragenen Proktitiden durch Chlamydia trachomatis oder Gonokokken verursacht werden, erfolgte noch am gleichen Tag die empirische Gabe von Ceftriaxon 2,0 g intravenös und Doxycyclin 200 mg peroral für sieben Tage.

Eine HIV-Infektion konnte mittels 4. Generations-p24-Antigen/HIV-Antikörperkombinations-test (ELISA) ausgeschlossen werden. Die Syphilis-Serologie war ohne Hinweis für eine aktive Infektion. Die NAAT-Diagnostik für Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae und Mycoplasma genitalium blieb negativ. Die histologische Auswertung der bei der Proktoskopie entnommenen Biopsien ergab den Befund einer erosiven Entzündung im Rektum sowie einer ulzerösen Dermatitis perianal bei Herpes simplex-Infektion (HSV).

Bei Wiedervorstellung zwei Tage später berichtete der Patient, dass kutane Bläschen im After-Bereich aufgetreten seien. Bei Diagnose einer HSV-Proktitis im Rahmen einer Primär-Infektion verordneten wir Famciclovir 250 mg dreimal täglich für sieben Tage. Die Antibiotikatherapie mit Doxycyclin wurde bei fehlendem Nachweis einer Chlamydia trachomatis Infektion beendet. Zum sicheren Ausschluss einer HIV-, HCV- oder Syphilis-Infektion erfolgte eine erneute serologische Kontrolle im entsprechenden Zeitfenster.

Diskussion

Dieser Fall zeigt, dass sich eine sexuell übertragbare, anogenitale Infektion zunächst untypisch präsentieren kann, wie hier mit dem Bild eines fieberhaften gastrointestinalen Infektes. Durch eine gezielte (Sexual-)Anamnese können zeitnahe adäquate diagnostische Maßnahmen veranlasst werden. Eine HSV-Infektion ist für etwa sechs bis 13 Prozent der sexuell übertragenen Proktitiden verantwortlich [7]. Primäre Infektionen können zudem mit einer schweren Allgemeinsymptomatik wie Fieber, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen einhergehen. In der Regel ist die genitale Infektion eine Blickdiagnose, bei unklaren Fällen kann der Direktnachweis mittels NAAT oder, wie in diesem Fall, eine histologische Sicherung weiterhelfen.

Merke

» Bei entsprechender Anamnese sollte auch bei nicht-typischen Symptomen an eine STI gedacht werden. Eine Übersicht zur Diagnostik findet sich in Tabelle 1, die empfohlene Erstlinientherapie in Tabelle 2.

» Bei symptomatischer Urethritis oder Proktitis kann nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung noch vor Erhalt der Diagnostik-Ergebnisse eine kalkulierte Therapie mit Ceftriaxon und Doxycyclin (oder Azithromycin) begonnen werden.

» Sollte die Diagnostik für die typischerweise sexuell übertragbaren Proktitis-Erreger negativ sein, ist eine diagnostische Proktoskopie mit Biopsie-Entnahme zur weiteren Abklärung in der Regel hilfreich.

Fall 3: „Die akute Visusminderung: Lues bist du es?“

Ein 40-Jähriger stellte sich zur weiteren Abklärung einer seit mehreren Wochen progredienten Visusminderung auf beiden Augen vor, die der Patient als zunehmenden „grauen Fleck“ in der Gesichtsfeldmitte beschrieb. Sonstige Beschwerden bzw. Begleitsymptome lagen zum Zeitpunkt der Erstvorstellung nicht vor, allerdings berichtete er über ein selbstlimitiertes, feinfleckiges Exanthem am Körperstamm und im Bereich der Handinnenflächen ungefähr sechs Monate vor Beginn der okulären Beschwerden. Relevante Vorerkrankungen oder eine regelmäßige Medikamenteneinnahme wurden verneint. Bei MSM-Risikogruppenzugehörigkeit erfolgten bisher jährliche Screening-Untersuchungen auf sexuell übertragbare Erkrankungen (insbesondere Syphilis, HIV), zuletzt vor einem Jahr mit unauffälligen Ergebnissen.

Diagnostik und Therapie

Am rechten Auge Visusminderung auf 0,5, links voller Visus. Die vorderen Augenabschnitte waren unauffällig. Die Funduskopie des rechten Auges zeigte eine massive zelluläre Infiltration des Glaskörpers mit einer präretinalen Verdichtung am unteren Gefäßbogen sowie sektorförmige weißliche Infiltrationen der temporal oberen Retina, insgesamt vereinbar mit einer posterioren Uveitis (beispielhafter ophthalmologischer Befund einer Syphilis-Uveitis vor und nach Therapie in Abbildung 3 und 4). Es erfolgte eine Untersuchung auf STI, wobei sich eine hochpositive Syphilis-Serologie mit einem TPPA-Titer von 1:10.240 (Referenzbereich: < 1:80) und einem Cardiolipin-Flockungs-Titer von 1:128 (Referenzbereich: < 1:2) zeigte. Da der Patient eine stationäre Aufnahme zur Einleitung einer parenteralen Therapie sowie eine Liquorpunktion zum definitiven Ausschluss einer ZNS-Beteiligung ablehnte, erfolgte eine parenterale Therapie mit Ceftriaxon intravenös 2 g pro Tag über 14 Tage ambulant. Eine Woche nach Therapiebeginn berichtete der Patient bereits über eine deutliche subjektive Verbesserung des Sehvermögens, die Funduskopie zeigte eine deutliche Rückbildung der Glaskörperinfiltrat sowie der Netzhautbeteiligung. Allerdings verbleiben dauerhaft in den befallenen Netzhautarealen atrophische Zonen mit nicht perfundierten „ghost vessels“. Der betroffene Bereich befindet sich in der Peripherie, sodass bis auf einen peripheren Gesichtsfelddefekt wieder volles Sehvermögen erreicht werden kann.

Diskussion

Die okuläre Syphilis manifestiert sich in der Regel im sekundären Stadium einer Syphilis-Infektion: Von Konjunktivitis, Keratitis über eine Uveitis, Chorioretinitis bis hin zu einer Papillitis können alle Augenpartien betroffen sein, wobei die Veränderungen am Auge häufig unspezifisch sind. Eine okuläre Syphilis sollte daher bei inflammatorischen Erkrankungen des Auges stets als Differenzialdiagnose in Erwägung gezogen werden. Empfehlungen zur Diagnostik finden sich in Tabelle 1. Die okuläre Syphilis ist einer Neurosyphilis gleichzusetzen und somit auch entsprechend zu behandeln (siehe Tabelle 2). Um das Risiko einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion zu minimieren, sollte vor Therapiebeginn prophylaktisch einmalig 40 bis 60 mg Prednisolon verabreicht werden. Abgesehen davon ist der Nutzen einer adjuvanten Kortikosteroidtherapie bei Augenbeteiligung umstritten und muss daher in enger Absprache mit dem behandelnden Ophthalmologen auf Boden eines individuellen Risiko-, Nutzenverhältnisses diskutiert werden.

Fall 4: „Plötzlich aufgetretene Papeln im Genitalbereich“

Eine 32-jährige Patientin stellte sich mit erstmals vor ca. neun Monaten aufgetretenen Knoten im Intimbereich vor, die langsam an Größe zugenommen hätten. Juckreiz, Schmerzen und andere subjektive Beschwerden wurden verneint, jedoch bereite ihr und ihrem Partner die Größenprogredienz Sorgen, weswegen auch die Vorstellung erfolgte. Einziger sexueller Kontakt bestehe innerhalb einer festen Partnerschaft seit zwei Jahren. Keine Dauermedikation, keine früheren und/oder Grunderkrankungen.

Diagnostik, Therapie und Verlauf

In der klinischen Untersuchung präsentierten sich am Mons pubis multiple bräunliche und blumenkohlartig imponierende Papeln sowie eine großflächige verruköse Plaque (Abbildung 5). Klinisch wurde die Diagnose von multiplen Condylomata accuminata gestellt, was in der histologischen Untersuchung einer entnommenen Papel bestätigt wurde. Der Anal- und Perianalbereich war nicht betroffen. Aufgrund der Größe und Morphologie, der besonderen Lokalisationen sowie auf Wunsch der Patientin stellten wir die Indikation zur operativen Sanierung. Die Kondylome wurden schichtweise abgetragen mit anschließender Elektrokoagulation. In den histologischen Untersuchungen konnte eine Malignität insbesondere auch in der verrukös imponierenden Plaque ausgeschlossen werden. Gleichzeitig wurde in den durchgeführten Typisierungen Humanes papilloma Virus (HPV) 6 und 11 mittels NAAT nachgewiesen. Das präoperativ durchgeführte Screening auf weitere sexuell übertragbare Erkrankungen zeigte sich unauffällig. In den postoperativen Kontrollen sowie im weiteren Verlauf zeigte sich bis zuletzt, sechs Monate nach Operation, kein Rezidiv. Regelmäßige Kontrollen sind weiterhin indiziert.


Abbildung 5: Condyloma acuminata-Befall im Bereich des Mons pubis bei der beschriebenen Patientin.

Diskussion

Die Auswahl der verschiedenen bei Kondylomen zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten (konservativ oder operativ, siehe Tabelle 2) richtet sich nach Anzahl und Lokalisation der Kondylome sowie deren Größe und gegebenenfalls den bereits erfolgten (Vor-)Behandlungen. Da ausschließlich Epithelzellen von HPV infiziert werden, ist unabhängig vom Verfahren jedoch immer eine komplette Abtragung der Epithelschicht anzustreben. Die Notwendigkeit einer suffizienten Anästhesie ist bei allen operativen Verfahren entscheidend. Bei ausgedehntem Befall, wie im hier dargestellten Fall, ist eine Lokalanästhesie zumeist nicht ausreichend, sodass je nach Befunde Leitungs-, Spinalanästhesien oder eine Allgemeinnarkose indiziert sind. Bei der Diagnose von Kondylomen ist ein Screening auf andere sexuell übertragbare Erkrankungen sowie Immundefekte indiziert. Insbesondere bei Kondylomen im Analbereich müssen zusätzlich Rektumerkrankungen einschließlich Hämorrhoiden, chronischen Proktitis und Rektalgonorrhoe (siehe oben) ausgeschlossen werden. Entscheidend ist zudem eine detaillierte Aufklärung betroffener Patienten zu HPV und deren sexuellen Übertragung, die eine entsprechende Untersuchung und Behandlung aller Geschlechtspartner unabdingbar macht. Bei Betroffenen mit Kondylomen, die eine Körperhaarrasur praktizieren, sollte in der klinischen Untersuchung auch anderen Rasur-Stellen am Körper eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da ein Transfer von HPV vom Intimbereich in den Achselhaarbereich bei entsprechender Rasur durch kleine Traumata möglich ist, und Condylomata acuminata dementsprechend auch an ungewöhnlichen Körperstellen auftreten können. Wie effektiv die vor kurzem in Deutschland zugelassene und von der STIKO bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen empfohlene HPV-Impfung auch vor Kondylomen schützen kann, zeigt sich eindrucksvoll in australischen Daten. So wurde beispielsweise im „Melbourne Sexual Health Centre“ sieben Jahre nach Einführung des HPV-Impfprogramms ein beeindruckender Rückgang der Häufigkeit von Kondylomen bei jungen heterosexuellen Patienten von knapp 20 Prozent auf lediglich ein Prozent berichtet [8].

Prävention

Aufgrund des Übertragungsweges spielt insbesondere das sexuelle Risikoverhalten eine entscheidende Rolle bei der Transmission sexueller Infektionen. Insbesondere in der Risikogruppe homo- und bisexueller Männer wird seit Jahren über eine stetig abnehmende Kondomgebrauchsrate berichtet [9]. Neben Kenntnissen von Übertragungswegen und Symptomen, breit und niederschwellig verfügbaren Screening- und Therapie-Angeboten, einschließlich Selbsttestangeboten und andere Optionen für die Heimtestung, spielen auch prophylaktische Vakzinierungen eine wichtige Rolle in der Kontrolle der STI-Transmission. Insbesondere bei HPV konnten durch breit angelegte Impfprogramme vielversprechende Erfolge erzielt werden [8]. Ob eine HPV-Impfung auch nach Infektion noch Schutz bietet, ist jedoch umstritten, weshalb die Impfung für Jungen und Mädchen so früh wie möglich erfolgen sollte [10]. Nachdem die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (die Einnahme antiviraler Medikamente in HIV-negativen Menschen mit erhöhtem Risiko bezüglicher einer HIV-Infektion) entscheidende Erfolge in der HIV-Prävention ermöglicht hat, bietet sie durch die in den Leitlinien formulierte Notwendigkeit regelmäßiger Untersuchungen auf STI möglicherweise eine wichtige Chance, Menschen niederschwellig bezüglich sexueller Gesundheit an das Gesundheitswesen anzubinden [11]. Ob hierdurch die Inzidenz an STI wirklich gesenkt werden kann, ist unklar. Bisher liefern einzig Modellannahmen entsprechende Hinweise [12].

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autoren


Privatdozent Dr. Christoph D. Spinner 1


Privatdozent Dr. Jochen Schneider 1

 


Dr. Christiane Schwerdtfeger 1


Dr. Marcel Lee 1


Privatdozentin Dr. Jeannine Bachmann 2


Professorin Dr. Ines Lanzl 3


Privatdozent Dr. Alexander Zink, MPH 4


1 Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinikum rechts der Isar, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Ismaninger Straße 22, 81675 München

2 Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinikum rechts der Isar, Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Ismaninger Straße 22, 81675 München

3 Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinikum rechts der Isar, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Ismaninger Straße 22, 81675 München

4 Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinikum rechts der Isar, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Biedersteinerstraße 29, 80802 München

Korrespondenzadresse:
Privatdozent Dr. Christoph D. Spinner, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Klinikum rechts der Isar, Ismaninger Straße 22, 81675 München, E-Mail: christoph.spinner@mri.tum.de, Tel. 089 4140-2451, Fax 089 4140-7555

Top