Universitas semper reformanda. Die ärztliche Ausbildung muss wissenschaftlich sein

Dr. Max Kaplan

Eine Vielzahl sich ändernder Rahmenbedingungen und Voraussetzungen wird Einfluss auf das zukünftige ärztliche Berufsbild haben. Die Digitalisierung, die Urbanisierung und auch der zunehmende Trend zur ärztlichen Tätigkeit in Anstellung, in Teilzeit sowie zu größeren Kooperationsgemeinschaften oder Netzen, verbunden mit dem technologischen Fortschritt und dem demografischen Wandel verändern die Versorgungslandschaft und damit die Patientenversorgung. Wir stehen inmitten eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwandlungsprozesses, den Professor Dr. Fredmund Malik „Die Große Transformation 21“ nennt. Um für die Zukunft gewappnet zu sein und rechtzeitig die Weichen in die richtige Richtung zu stellen, müssen wir uns jetzt mit den zukünftig zu erwartenden Anforderungen auseinandersetzen. Hierbei stellen sich uns – konkret Politik, Universitäten und Standesvertretung – folgende Fragen:

» Wie schaut der Arztberuf in zehn bis 15 Jahren also 2030 aus?

» Welchen Einfluss wird die digitale Entwicklung auf unser Berufsbild haben?

» Welche Kenntnisse und Fertigkeiten werden dann gefragt sein?

» Welche Gebiete, Schwerpunkte und Zusatzgebiete werden notwendig sein?

» Welche Versorgungsstrukturen – hausärztlich/fachärztlich; ambulant/stationär – garantierten die ärztliche Versorgung? Welcher Professionen-Mix ist dafür notwendig?

» Wie gehen wir mit dem Phänomen der zunehmenden Spezialisierung, Subspezialisierung und Partikularisierung in der ärztlichen Versorgung um?

» Welche Arbeitszeitmodelle und Teilzeitformen sichern Attraktivität und Motivation? Wie lassen sich Beruf und Familie vereinbaren und letztendlich

» wie sollte die universitäre Ausbildung aussehen, um den 2035 bestehenden Anforderungen/Herausforderungen bestmöglich gewachsen zu sein? Dazu haben wir auf dem 76. Bayerischen Ärztetag von Universitätsprofessor Dr. med. univ. Markus Müller äußerst interessante und zukunftsweisende Aspekte erfahren.

Wissenschaftsbezug

In einem Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stellte Professor Dr. Peter von Wichert, emeritierter Direktor der medizinischen Poliklinik Marburg, fest, „ganz ohne Wissenschaft läuft keine Praxis“. Des Weiteren verwies er darauf, dass die Reduzierung auf die Beachtung von praktischen und auf Erfahrung basierten Daten in der Medizin und die ausschließliche Ausrichtung auf Kompetenzen noch keinen erfolgreichen Arzt ausmachten, sondern ganz wesentlich sei, dass dieser versuche, die Krankheit des Patienten in all ihren Aspekten zu verstehen. Deshalb sei der Wissenschaftsbezug so wichtig. Und dies nicht nur um wissenschaftlich zu arbeiten, sondern auch um wissenschaftlich zu denken, was unabdingbar für eine erfolgreiche Betreuung der Kranken sei. Eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Universität diene im Fach Medizin der Schulung einer kritischen Herangehensweise an die Fachprobleme, dem Erkennen von Fehlern in kritischer Selbstreflexion und schließlich der Gesundheit des Patienten.

Sie sei der einzige Garant für die Sicherheit des Kranken und für die Unabhängigkeit der ärztlichen Urteilsbildung, so Professor von Wichert.

Bildungsstätten

Bezugnehmend auf den Festvortrag von Universitätsprofessor Müller mit dem Titel „Medizinstudium am Turning Point“ des diesjährigen Bayerischen Ärztetages möchte ich feststellen, dass (mittel-)europäische Universitäten in den letzten zweihundert Jahren keine Berufsausbildungsstätten waren, sondern Bildungsstätten, die eine akademische Bildung vermittelten, die dann auch für die Ausübung des ärztlichen Berufes genutzt werden konnte. So muss es auch bleiben.

Allen Vorstellungen, die Hausarztmedizin an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, ehemals Fachhochschulen, anzusiedeln, erteile ich eine klare Absage.

 

 

Top