Vertrauenssache³
In Berlin und München herrschte vor der Sommerpause noch hektischer Hochbetrieb. Gerade in der Gesundheitspolitik standen und stehen wichtige Beratungen, Gesetzesinitiativen und Entscheidungen an. Doch auch vermeintliche „Nebenschauplätze“ geben uns derzeit Anlass zur Sorge. So verhält es sich bei der Neustrukturierung der Krebsregistrierung in Bayern, bei der Neuvergabe der Patientenberatung oder auch bei der Vorratsdatenspeicherung – Themen, die zwar auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben scheinen, jedoch bei genauerer Betrachtung das Vertrauensverhältnis zu unseren Patientinnen und Patienten tangieren.
Regionale Krebsregister
Künftig sollen alle Krebspatienten namentlich vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erfasst werden. Ergänzt werden diese Daten durch Befunde und Therapien, dokumentiert von uns Ärztinnen und Ärzten aus Kliniken und Praxen, für die Kontrolle der Versorgungsqualität durch das LGL – ebenfalls namentlich identifiziert. Das ist keine abstrakte (Zukunfts-)Fiktion, sondern den bisherigen Verlautbarungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) zu entnehmen. Eine ablehnende Stellungnahme der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) sowie eine schriftliche Anfrage der Opposition im Bayerischen Landtag vermochten das Vorhaben nicht zu stoppen, kam es doch kurz vor der Sommerpause zu einem Kabinettsbeschluss. Seit Anfang der 1990er-Jahre wurde die Krebsregistrierung in Bayern stets in Abstimmung mit Ministerien, Datenschutzbeauftragtem und Kliniken aufgebaut. Das Bayerische Krebsregistergesetz (BayKRG) brachte gute strukturelle Voraussetzungen für sechs regionale klinische Krebsregister (KKR), eine Vertrauensstelle und ein bevölkerungsbezogenes bayerisches Krebsregister mit pseudonymisierten Daten. In einem Gutachten wurde diese in Bayern realisierte Struktur empfohlen und findet sich im SGB V Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) im § 65c wieder. Doch nun hat das LGL neue Geld- und Datenströme vorgegeben. Unter dem Titel „Behördenverlagerung als Strukturpolitik“ heißt es nun: „Krebsregister Bayern in Gemünden“. Die bisherige Förderung der sechs KKR durch das StMGP ist seit Mitte 2014 gestoppt und neue Mitarbeiter konnten an den KKR nur erschwert eingestellt werden. Das Vorhaben des LGL beinhalte angeblich eine zentrale namentliche Erfassung der Daten nahezu aller bayerischen Krebspatientinnen und -patienten. Es handelt sich hier um besonders schutzwürdige Daten nach dem Bayerischen Datenschutzgesetz (BayDSG). Wir hielten dies für besonders kritisch und fordern eine Anonymisierung der Daten, da ansonsten das Vertrauen zwischen Arzt und Patient bzw. zwischen Arzt und Meldestelle schweren Schaden nehmen würde. In bilateralen Gesprächen mit Vertretern des StMGP wurde uns dies zugesagt. Wir lassen nicht locker!
Neutrale Patientenberatung
Über die Zukunft der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) wird derzeit viel diskutiert. Kritiker, zu denen auch wir zählen, warnen vor den derzeitigen Plänen, den Dienst ab 2016 für sieben Jahre komplett der Firma „Sanvartis“ zu übertragen, die auch Callcenter für Krankenkassen betreibt. Wir sehen hier die künftige Unabhängigkeit und Neutralität der Beratung bedroht, denn Finanzierung und Vergabe müssen an die Bedingung geknüpft werden, dass die künftige Patientenberatung auch tatsächlich unabhängig arbeiten kann. Ein Interessenkonflikt ist vorprogrammiert, wird künftig eine Patientenberatung von einem Unternehmen betrieben, das bereits in einem anderen Zweig für die Krankenkassen tätig ist. Wie können da noch die Anliegen von Patientinnen und Patienten – insbesondere auch gegenüber den Kostenträgern – glaubwürdig und umfassend vertreten werden? Die jetzt bekannt gewordene Vergabeabsicht konterkariert den Anspruch der bisherigen UPD an eine fachlich kompetente Beratung. Eine etablierte, anerkannte und manchmal auch unbequeme Patientenberatung soll durch einen Dienstleister, der von den Krankenkassen bezahlt wird, ersetzt werden. So sieht eine neutrale und sachgerechte Information von Patienten nicht aus! Wir befürchten, dass es zu „mehr Masse statt Klasse“ in der Beratung kommt und das Vertrauen unserer Patienten in unser Gesundheitswesen erschüttert wird. Mehrfach forderten die Heilberufe auf Bundes- und Landesebene den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, auf, die beabsichtigte Vergabeentscheidung zu revidieren.
Vorratsdatenspeicherung
Die Spitzenrepräsentanten der Heilberufe haben auch scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geübt. Die Regelungen stellen keinen ausreichenden Schutz für uns Berufsgeheimnisträger dar. Dieser Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form darf den Bundestag nicht passieren, denn er sieht vor, Verkehrsdaten für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen zu speichern. Von der Speicherpflicht ausgenommen werden Verkehrsdaten von Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten. In diese Regelungen nicht einbezogen sind Berufsgeheimnisträger, wie wir Ärztinnen und Ärzte. Für uns soll lediglich ein Verwertungsverbot der Verkehrsdaten durch die Strafverfolgungsbehörden zur Anwendung kommen. Patienten benötigen die Möglichkeit, sich jederzeit auch telefonisch, vor allem in Krisensituationen, an den Arzt wenden zu können und auf die uneingeschränkte Gewährleistung der absoluten Vertraulichkeit ihrer Gespräche bauen zu können. Verkehrsdaten von Berufsgeheimnisträgern dürfen generell nicht von der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden!
Das höchste Gut der Arzt-Patienten-Beziehung, das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis, darf nicht auf dem Altar von Wirtschafts- und Machtinteressen bei uneingeschränkter Transparenz auf Kosten des Persönlichkeitsschutzes geopfert werden!
Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK
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