Volldampf?

18. Suchtforum in Bayern

„E-Zigaretten & Co.“ werden in den Städten auf Plakaten großformatig beworben. Das Rauchen von „E-Zigaretten“, „Heat-not-burn-Produkten“ oder „Pod Mods“ liegt voll im Trend. Grund genug für die Veranstalter des diesjährigen 18. Suchtforums, Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS), Bayerische Landesärztekammer (BLÄK), Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) sowie Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PTK), sich gemeinsam mit über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern Mitte März im Ärztehaus Bayern in München des Themas anzunehmen.

Raucherentwöhnung ärztlich und therapeutisch

Dr. Gerald Quitterer, Präsident der BLÄK, begrüßte die über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Suchtforums 2019, der 18. Auflage dieser erfolgreichen Veranstaltung, mit einem kritischen Blick auf das Rauchen. „Tabakabhängigkeit ist immer noch DIE Suchterkrankung – trotz der möglichen Risiken und Folgeschäden“. Dennoch bestimme das positive Image des Tabakrauchers, wie es vor allem durch die Werbung immer noch suggeriert werde, nach wie vor das Konsumverhalten von Rauchern und lasse viele Jugendliche trotz der bekannten Risiken häufig zu dieser „legalen“ Droge greifen. In den vergangenen Jahren sei es zwar gelungen, durch Präventionsmaßnahmen und -kampagnen, die Raucherprävalenz deutlich zu senken, doch die Tabakindustrie habe nachgelegt. Auch Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden und Restaurants zeigten Wirkung. Quitterer regte an, über ein Rauchverbot in Biergärten nachzudenken und erntete für diesen Vorschlag Applaus vom Publikum. „Eine Reihe neuer Produkte wurden auf den Markt gebracht: ‚E-Zigaretten & Co.‘ haben sich mittlerweile einen Markt erobert“, so der Präsident. Fortbildung sei daher geboten, um die Raucherentwöhnung in der Behandlung ärztlich und therapeutisch zu leisten.
Ruth Nowak, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, betonte in ihrem Grußwort die Erfolge bei der Rauchprävention, insbesondere bei der Zielgruppe der Jugendlichen. Die Amtschefin des Gesundheitsministeriums sprach sich für ein Rauchverbot in geschlossenen PKWs aus und versprach über die Idee des „Biergarten-Rauchverbots“ in ihrem Hause nachzudenken.

Lobby- und Marketingstrategien

Professor Dr. Oliver Pogarell, Vorstand BAS und gleichzeitig Moderator der Veranstaltung, führte in die Thematik ein. Wenngleich es in Deutschland gelungen sei, durch eine Tabakkontrollpolitik, Präventionsmaßnahmen sowie evidenzbasierte psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsmethoden die Raucherprävalenz in den Jahren deutlich zu senken, wurden ergänzend eine Reihe neuer Produkte auf den Markt gebracht, unterstrich der Geschäftsführende Oberarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München. Pogarell zeigte auch die Prävalenz der Tabakabhängigkeit bei psychischen Erkrankungen in seinem Vortrag (Abbildungen 1 und 2). „Aktuelle Untersuchungen zu und Bewertungen von Tabakerhitzern und E-Zigaretten“ stellte Dr. Frank Henkler-Stephani, PhD, Bundesinstitut für Risikobewertung, Abteilung Chemikalien und Produktsicherheit, Berlin, vor. Er zeigte die toxikologische Bewertung von Tabakerzeug-nissen und aktuelle Forschungsarbeiten dazu. Dr. Tobias Rüthers Vortrag titelte „Mit Volldampf ins Abenteuer? Neue Inhalationsprodukte: Lobbying, Marketing und Public Health“. Der Leiter der Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit, an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München, erklärte die Grundlagen medizinischer Behandlungsmöglichkeiten, verhaltenstherapeutische Grundprinzipien und Konzepte aus der Motivationsforschung. E-Zigaretten & Co. könnten vielfach Rauchern die Chance eines Umstiegs in der Sucht, kaum aber einen Ausstieg bieten. Hart ging Rüthers mit der Tabakindustrie und ihren Werbestrategien der „deutlich geringeren Gesundheitsrisiken im Vergleich zur herkömmlichen Zigarette“ ins Gericht.



Abbildung 1: Tabakkontrolle im internationalen Vergleich.

 


Abbildung 2: Tabakabhängigkeit und psychische Erkrankungen.

 

Konsumentenprofile und -motive

„E-Zigaretten und Heat-not-burn-Produkte im Faktencheck – Verbreitung, Konsumentenprofile und Konsummotive aus der DEBRA-Studie“ stellte Dr. rer. nat. Sabrina Kastaun dar. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, überzeugte mit Daten zu Rauchstatus, Konsumdauer, Abhängigkeit, unternommenen Rauchstoppversuchen sowie dabei verwendete Methoden. Um „Rauchen und Dampfen 2.0 – Herausforderungen und Perspektiven für die Tabakkontrolle“ ging es im Referat von Dr. sc. hum. Ute Mons. Die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, befasste sich mit den Herausforderungen und Perspektiven für die Tabakkontrolle, die die Neuentwicklungen und die resultierenden Konsumtrends mit sich bringen. Den Abschlussvortrag „Tabakentwöhnung – eminenz- oder evidenzbasiert? Was dürfen wir empfehlen?“ hielt Professor Dr. Anil Batra. Der Leiter der Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen, diskutierte, welche zentralen Tabakentwöhnungsmaßnahmen – nach den aktuellen Leitlinien – zu empfehlen seien. Dr. Heiner Vogel, Vorstand PTK Bayern, hielt in seinem Schlusswort am Ende eines informations- und diskussionsreichen Nachmittags fest, wie spannend es sei, den „aktuellen Stand der Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis rund um die Neuentwicklungen der Tabakindustrie sowie deren Lobby- und Marketingstrategien zu erfahren“.

Autor

Dagmar Nedbal (BLÄK)

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