WHO-Konferenz zu Klimawandel und Gesundheit Katowice/Kattowitz (Polen) 2018
Nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015 geht es weltweit um die Umsetzung notwendiger Maßnahmen gegen die sich anbahnende und bereits in Erscheinung tretende Klimakrise durch die anthropogen verursachte Erderwärmung (aktuell 1 °C). Die enge Verbindung von Klimawandel und Gesundheit ist seitdem zunehmend zum Gegenstand internationaler Forschungen geworden. Im Rahmen der Klimakonferenz in Katowice (COP24) veranstaltete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als UN-Organisation am 8. Dezember 2018 eine Konferenz zu diesem Thema. Ich wurde als Vorstandsmitglied des Hausärzteverbandes Nordrhein akkreditiert und reiste nach Schlesien, um aus erster Hand die Ergebnisse weltweit bedeutsamer Studien der WHO kennenzulernen, die an der University of Silesia vorgestellt wurden [1]. Nach den Beschlüssen von Katowice wird Ende 2019 die nächste Weltklimakonferenz in Chile stattfinden. Bis dahin wird es harte Verhandlungen unter anderem auch zu der Frage geben, inwieweit die Gesundheitsfolgen (Tod, gesundheitliche Schäden) und die prognostizierten materiell-strukturellen Schäden und Belastungen der Gesundheitssysteme durch den Klimawandel in die zu erwartenden regionalen Szenarien in den kommenden Jahrzehnten einfließen werden und in welchem Verhältnis sie zu notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel stehen.
Nur ein paar hundert Meter östlich des Geländes für die Weltklimakonferenz fand die WHO-Konferenz in der University of Silesia statt [2]. Gespannt war ich auf die Vorstellung des Special-WHO-Reports zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“ und Vorträgen von Autoren und Vertretern von Nicht-Regierungs-Organisationen, die beteiligt waren [3].
Dr. Maria Guevara (Médecins Sans Frontières): 45.000 Mitarbeiter von uns werden weltweit Zeuge zu Fluchtbewegungen durch Klimawandel. Kinder sind die Hauptopfer. Foto: GCHA
Dr. Alicia McGushin (Global Family Doctors WONCA): Family Doctors stehen weltweit in der ersten Reihe in den Auseinandersetzungen mit Gesundheitsrisiken. Sie sollen sich für Klimaschutz und die damit zusammenhängenden Fragen einsetzen [4]. Foto: GCHA
Die Konferenz wurde von Jeni Miller, CEO der Global Climate and Health Alliance aus Kalifornien (USA), moderiert. Zu Beginn schickte der Generalsekretär der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, eine Videobotschaft: „Das Paris-Abkommen ist potenziell das stärkste Gesundheitsabkommen in diesem Jahrhundert. Die Fakten sind klar, dass der Klimawandel bereits ernsthafte Auswirkungen auf das menschliche Leben und die Gesundheit hat. Er bedroht die grundlegenden Elemente, die wir alle für eine gute Gesundheit benötigen – saubere Luft, sicheres Trinkwasser, ausreichende Ernährung und eine sichere Unterkunft – und wird uns Jahrzehnte mit einer guten Entwicklung der weltweiten Gesundheit zurückwerfen. Wir können keine weiteren Verzögerungen des Handelns hinnehmen.“
Daraufhin stellte der WHO-Teamleiter (Themengebiet Klimawandel und Gesundheit), Dr. Diarmid Campbell-Lendrum, den Special-Report der WHO für die COP24-Verhandlungen vor [1].
Die zentralen, durch Studien untermauerten deutlichen und einprägsamen Aussagen und Forderungen des 38-seitigen Berichts, der sich an die Fachöffentlichkeit und die Verhandlungsparteien der Weltklimakonferenz richtete, lauten:
1. Gesundheit ist der Schlüsselfaktor!
2. Es müssen resiliente Gesundheitssysteme weltweit aufgebaut werden.
3. Massive Maßnahmen gegen den Klimawandel (Mitigation), sind erforderlich (Dekarbonisation, Kohleausstieg), um die Folgen so gering wie möglich zu halten (1,5-Grad-Ziel).
3. Die Finanzierung muss geklärt werden!
4. Nicht-Handeln wird zu hohen Opferzahlen, Strukturverlusten und Überforderungen führen!
5. Engagement ist zusammen mit den Gesundheitssystemen, der Zivilgesellschaft und den Gesundheitsberufen notwendig, um ihnen zu helfen, gemeinsam Klimaschutz-Aktionen und damit verbundene Gesundheitsvorteile voranzutreiben.
6. Die Stärkung der Rolle von Kommunen und regionaler Regierungen bei Klimamaßnahmen hinsichtlich der Gesundheit innerhalb der UNFCCC-Rahmenabkommen ist wichtig.
7. Überwachung und Berichterstattung zur Verbesserung der Gesundheit aufgrund von Klimamaßnahmen für den weltweiten Lenkungsprozess zu Klimawandel und Gesundheit sowie für die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG).
8. Das Einbeziehen von Auswirkungen auf die Gesundheit durch Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Der Report verdeutlichte ebenfalls, wie wesentlich für die globale und regionale Gesundheit das Erreichen des 1,5-Grad-Zieles gegenüber dem 2-Grad-Ziel ist (Paris-Abkommen: Ziel unterhalb von 2 Grad).
In den Prognoseermittlungen aufgrund der zugrundeliegenden Klimamodelle können bei maximal 1,5-Grad-Anstieg ab 2050 350 Millionen Menschen weltweit tödlichen Hitzewellen ausgesetzt sein, bei 2 Grad wesentlich mehr. In den Entwicklungsländern und in den heißen Klimazonen werden prognostisch vulnerable Bevölkerungsgruppen durch den Verlust ihrer Lebensgrundlagen (Trinkwasser und Nahrungsmittel) in Verelendung/Armut getrieben und durch forcierte Migration und massive gesundheitliche Bedrohung in hohem Maße gefährdet. Dazu kommen Extremwetterlagen, vektorbezogene Erkrankungen und Bedrohung von Lebensräumen durch den Meeresanstieg. Mit einem Anstieg über 1,5 Grad hinaus wird es sehr viel schwerer werden, die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen. Auch die Industriestaaten würden einen sehr hohen Preis zahlen. Der zentrale Treiber dieser Entwicklung sind Treibhausgasemissionen.
Im September 2018 haben bislang fünf Millionen Mitglieder von Gesundheitsorganisationen und -institutionen weltweit aufgerufen, zu handeln („Call to action“): die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu unterstützen, den Übergang von fossilen Brennstoffen zu sauberer, sicherer und erneuerbarer Energie voranzutreiben sowie den Übergang zu Null-Emissions-Transportsystemen zu forcieren, Entwicklung einer Low-Carbon-Ökonomie und Aufbau lokaler, gesunder und nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion und Landwirtschaft. In allen Gesundheitseinrichtungen und -systemen sollen Klimalösungen entwickelt werden. Diese Initiative mit ihren Forderungen wurde ebenfalls im WHO-Report dargestellt.
Diese Forderungen decken sich mit den Resolutionen des Weltärztebundes (WMA) von 2017 und 2018 als weltweite Aufforderung an alle Mitgliedsorganisationen.
Weitere Statements und Panel-Diskussionen beleuchteten die Thematik aus der Sicht unterschiedlicher Akteure.
Der Vertreter der International Federation of Medical Students, Tarek Ezzine, setzte sich entschieden dafür ein, dass das Thema „Klimawandel und Gesundheit“ als Curriculum weltweit im Medizinstudium verankert wird. Kernaussagen: Die Jugend ist der größte demografische Faktor weltweit und die Medizinstudenten von heute sind die Ärztinnen und Ärzte von morgen. Ihre Ausbildung beeinflusst die Welt!
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des WHO-Special Summit im polnischen Katowice 2018. Foto: GCHA
In einer Pause unterhielt ich mich mit Vertretern der UK Health Alliance on Climate Change (650.000 Mitglieder der britischen Gesundheitsberufe), die für ein starkes ärztliches Engagement zum Klimaschutz eintritt. Ein Statement der britischen Allianz diente als Anlage zu einer Resolution der Delegiertenversammlung des deutschen Hausärzteverbandes zu Klimawandel und Gesundheit, die mit großer Mehrheit im September 2018 beschlossen wurde [5]. „Mit der Verabschiedung dieser Resolution stehen wir im Schulterschluss mit den britischen Kolleginnen und Kollegen und darunter 55.000 britischen Hausärzten des Royal College of General Practitioners“, trug ich beim Einbringen der Resolution im September 2018 vor.
Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-ärzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
Autor
Dr. Ralph Krolewski, Facharzt für Allgemeinmedizin, Vorstandsmitglied des Hausärzteverbandes Nordrhein e. V., Dümmlinghauser Straße 76, 51647 Gummersbach
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