Wir sind Kammer – wir sind BLÄK
Sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen,
damit greife ich meine Botschaft von vor fünf Jahren auf. Wir, das sind knapp 93.000 Ärztinnen und Ärzte in Bayern, von denen etwa 68.000 in der Versorgung tätig sind. Als Haus- oder Fachärztinnen und -ärzte. In eigener Praxis oder angestellt, in Betrieben oder im öffentlichen Gesundheitswesen, in Kliniken oder beim Medizinischen Dienst. In den Notaufnahmen und Bereitschaftspraxen oder als Notärztinnen und Notärzte. Jeder an seinem Platz. Seinem Verantwortungsbereich.
Sektorenverbindend statt sektorenübergreifend. Dieser Begriff veranschaulicht mein Verständnis von gemeinsamer Interessensvertretung für die Ärztinnen und Ärzte in Bayern. Damit wird deutlich, dass wir trotz unterschiedlicher Versorgungsaufgaben eine Profession darstellen, in der wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Wir sind das Rückgrat der medizinischen Versorgung.
Dafür stehen auch meine Forderungen sowohl nach fairen Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken und Praxen als auch nach einer Landarztquote für Fachärztinnen und Fachärzte. Die Landarztquote für Allgemeinärzte bewährt sich, nicht zuletzt war die Kammer maßgeblich daran beteiligt. Und ich setze mich für eine wirksame Förderung der Niederlassung und der Teampraxen ein.
Die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) ist dafür der unverzichtbare Rahmen, in dem wir unsere Belange selbst regeln können. In erster Linie ist es die Berufsordnung, die per se der Garant für unsere Freiberuflichkeit darstellt. Sowohl der niedergelassenen wie auch der angestellten Ärztinnen und Ärzte.
Was leistet die Kammer?
Wir haben das Informations- und Servicezentrum ausgebaut. Es ist die Anlaufstelle für jede Ärztin und jeden Arzt für alle beruflichen Fragestellungen und Probleme.
Wir konnten unsere Aufgaben während der Pandemiezeit durch Nutzung von mobilem Arbeiten, das sich auch weiterhin bewährt, weitgehend störungsfrei bewältigen und sogar die Facharztprüfungen in einem besonderen Videoformat anbieten. Das war letztlich für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Herausforderung und nur durch ein großes Engagement möglich.
Das eLogbuch für Weiterzubildende nach der neuen Weiterbildungsordnung funktioniert, Befugnisanträge können weitgehend online eingereicht werden, der Zugang über das Arztportal wird laufend verbessert und weitere Anwendungen eingeführt.
Mit Blick auf die Strukturen und Prozesse in der BLÄK werden wir neue Wege der Zusammenarbeit gehen. So können wir unsere Aufgaben noch effektiver und zukunftssicher abarbeiten. Dazu gehört die Weiterentwicklung der Digitalisierung in unserer Körperschaft bis hin zu elektronischen Wahlen in fünf Jahren. Unser neuer Hauptgeschäftsführer Frank Dollendorf widmet sich dieser Aufgabe mit großem Elan.
Wir sind mit dem Ziel der Klimaneutralität der BLÄK so rasch vorangekommen, dass wir dem Zeitplan aus Ärztetagsbeschlüssen ein gutes Stück voraus sind. Wir sind in vielen Dingen unterwegs: Von Energieeinsparung und Ökostrom bis hin zur geplanten Blühwiese anstelle des Brunnens oder der Dachbegrünung und dem Angebot nachhaltiger Ernährung in unserer Kantine. Das „Bayerische Ärzteblatt“ drucken wir seit zwei Jahren auf 100 Prozent Recyclingpapier. Wir drucken Briefe und notwendige Aussendungen doppelseitig und haben die Formatierung geändert. Das allein hat zur Papiereinsparung von 25 Prozent geführt.
In der ganzen Kammer hat ein Umdenken stattgefunden
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommission Klimawandel und Gesundheit müssen wir weiterführen. Zudem halte ich es für notwendig, eine Kommission für Kindergesundheit einzurichten. Sie ist überfällig. Ich setze mich für ein Unterrichtsfach Gesundheit ein zur Stärkung von Gesundheitskompetenz im Kindes- und Jugendalter. Dabei fangen wir in den Kitas, Kindergärten und Grundschulen an.
Meine gesundheitspolitischen Ziele werde ich weiterverfolgen. Dabei werde ich auf die guten Kontakte zu den anderen Heilberufekammern, der Schwesterkörperschaft Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, zu Verbänden, zum Sachverständigenrat im Gesundheitswesen, dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer, dem gemeinsamen Bundesausschuss und nicht zuletzt zur Politik, insbesondere zu unserer Aufsicht und zum Bayerischen Gesundheitsminister setzen.
In erster Linie steht für mich dabei die Stärkung der bestehenden Versorgungsebenen, statt dem Schielen nach neuen, telemedizinischen Versorgungszentren, Gesundheitskiosken, Gesundheitslotsen oder Gemeindeschwestern, nur weil es so im Koalitionsvertrag steht.
Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wie im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz darf nicht auf unserem Rücken erfolgen, das ist ein Angriff auf die freie Ärzteschaft. Vielmehr fordere ich die Streichung versicherungsfremder Leistungen aus der GKV.
Beitragssatzstabilität und ungebremstes Heilsversprechen der Politik passen nicht zusammen.
Die geschützte Arzt-Patienten-Beziehung steht für mich auch im Vordergrund, wenn es um die Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken geht. Hier dürfen wir Ärztinnen und Ärzte durch Opt-out-Regelungen nicht einem bürokratischen und zeitlichen Aufwand zum Opfer fallen, der uns wesentliche Behandlungszeit am Patienten raubt und auch noch unentgeltlich erfolgen würde.
Ich werde mich auf allen Ebenen für einen Abbau der Bürokratie einsetzen. Dazu gehören unsinnige und unstrukturierte Versicherungsanfragen, überbordende Dokumentationen und eine umständliche Digitalisierung. Denken wir allein an die unsägliche Diskussion um den Konnektorentausch.
Ich fordere einen Reset bei der Telematikinfrastruktur in Kliniken und Praxen, die weder anwenderfreundlich noch praxistauglich ist. Allein die Einführung der eAU verursacht einen Mehraufwand von 1,25 Millionen Stunden in den Arztpraxen. Diese Zeit wird nicht vergütet und fehlt uns in der Patientenversorgung.
Ich wende mich gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und die Entstehung investorenbetriebener MVZ, in denen ärztliche Leistung am Ende des Tages noch eine Rendite abwerfen muss und bei denen Zielvorgaben in Chefarztverträge geschrieben werden. Das ist nicht mit unserer Profession vereinbar. Telemedizinanbieter verlassen unser Land, wenn die Rendite nicht mehr stimmt, wir versorgen nachhaltig und sind unseren Patienten verpflichtet. Goldstandard ärztlicher Behandlung ist und bleibt für mich die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung. „Choosing wisely“ und gemeinsame Entscheidungsfindung zeichnen unser Handeln aus, so wie es sich im Genfer Gelöbnis wiederfindet: „Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.“
Wichtig ist mir dabei aber auch der Aspekt der Arztgesundheit, und auch dazu finden wir einen Hinweis im Genfer Gelöbnis: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was für eine schöne Formulierung.
Künstliche Intelligenz hat in der Medizin Einzug gehalten. Sie hat zwar das enzyklopädische Gedächtnis, kann aber Wahrheiten nicht differenzieren.
Es gilt daher, unsere universitäre und wissenschaftliche Ausbildung zu verteidigen. Damit wir für unsere Patientinnen und Patienten diejenigen sind und bleiben, die sie vor Fake News und falschen Wahrheiten schützen, die selbst in Chatbots zu finden sind. Dazu gehört jetzt endlich die Umsetzung der neuen Approbationsordnung. Dazu gehören mehr universitäre Studienplätze für Medizin, um künftigen Versorgungsaufgaben gewachsen zu sein, und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhalten.
Wenn die angestrebte Krankenhausreform erreicht, dass Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken ihrem Beruf wieder gerne nachgehen, erst dann ist sie wirklich gelungen. Derzeit sieht es jedoch nicht danach aus und es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Kommunikation mit anderen Fachberufen im Gesundheitswesen wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Dabei steht für mich die Arztentlastung durch Delegation von Leistungen, die nicht unter Arztvorbehalt stehen, außer Frage. Übertragung von Heilkunde auf nichtmedizinische Fachberufe findet meine Zustimmung ebenso wenig wie eine nichtärztliche Leitung von psychiatrischen und psychosomatischen Klinikabteilungen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen nachts aus ihren Betten gerissen und sie ohne medizinische Betreuung abgeschoben werden.
Die Kommission Menschenrechte und Migration, sie stellt auch den Menschenrechtsbeauftragten der BLÄK, leistet hierbei wertvolle Aufklärungsarbeit.
Beinahe nebensächlich sollte durch die Europäische Kommission die Medizinprodukteverordnung geändert werden mit einer ungeheuren Rezertifizierungswut. Das hätte das Aus für Unternehmen bedeutet, die medizinisch notwendige Nischenprodukte herstellen.
So konnte auch durch die Intervention der BLÄK in Brüssel unter anderem eine Modifikation hin zu längeren Übergangsfristen erreicht werden, sodass die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten, denke man nur an Schrittmachersonden für Kinder, gewährleistet werden kann. Abgesehen vom bürokratischen und finanziellen Aufwand.
Ähnliches geschieht, wenn jetzt das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen 14 zum Teil überzogene Qualitätsindikatoren beim Entlassmanagement einführen möchte – Bürokratie, die niemand braucht. Ich fordere hier die Einbeziehung derjenigen, die damit arbeiten und nicht von praxisfernen Expertinnen und Experten.
Ich werde mich einsetzen für eine Modifikation der bestehenden Landarztquote, um Praxisübernahmen, gerade in unterversorgten Gebieten, zu erleichtern.
Und nicht zuletzt: Ich empfinde es als eine persönliche Missachtung in meinem Arztsein, dass uns der Bundesgesundheitsminister die neue GOÄ nach wie vor vorenthält.
Rede von Dr. Gerald Quitterer
bei der Konstituierenden Vollversammlung
am 11. Februar 2023 in München
Teilen:
Das könnte Sie auch interessieren: