Zahlen, Daten und Fakten zur Organspende in Bayern

Organspende in Bayern

Die bundesweiten Organspendezahlen haben sich in den vergangenen Jahren auf einem niedrigen Niveau eingependelt. Die erhoffte, positive Trendwende im Jahr 2017 blieb leider aus (Abbildung 1). Im Gegenteil: Die Zahlen entwickelten sich erneut rückläufig und fielen zum ersten Mal auf unter zehn Spender pro Million Einwohner. Die Ursachen dafür sind komplex und nicht durch einzelne Maßnahmen zu beheben. Weder Politik noch Entnahmekrankenhäuser können die Trendwende alleine herbeiführen.

Abbildung 1: Organspendezahlen in Deutschland 2017.

Entgegen dem Bundestrend haben sich im vergangenen Jahr die Organspendezahlen in Bayern mit einem Zuwachs von 18 Prozent positiv entwickelt (Abbildung 2). Eine mögliche Erklärung für den positiven Trend in Bayern könnte – zumindest teilweise - die Novellierung des Bayerischen Ausführungsgesetzes zum Transplantationsgesetz vom Januar 2017 sein.


Abbildung 2: Organspendezahlen in Bayern 2017.

Bayerisches Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz (AGTPG)

Bereits im Jahr 1999 nahm das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bundesweit eine Vorreiterrolle ein und verpflichtete per Gesetz alle bayerischen Krankenhäuser zur Bestellung von Transplantationsbeauftragten. Diese Regelung wurde mit dem Transplantationsgesetz im Jahr 2012 bundesweit eingeführt. Nun übernimmt Bayern als erstes Bundesland – im Bereich der Freistellungsregelung – erneut eine führende Rolle. Im Januar 2017 wurde die Freistellung der Transplantationsbeauftragten grundsätzlich an die Zahl der Intensivbetten gekoppelt. Für je zehn Intensivbetten muss die Klinik den Transplantationsbeauftragten mit einem Stellenanteil von 0,1 freistellen. Alternativ können Häuser mit bis zu zehn Intensivbetten auch eine Vergütungsregelung wählen. Durch diese gesetzlich verankerte Regelung erfahren sie von politischer Seite eine zusätzliche Wertschätzung. Die Freistellungsregelung wird, sofern sie schon erfolgt, von den Entnahmekrankenhäusern mit unterschiedlichen und individuell angepassten Arbeitszeitmodellen umgesetzt. Deren Praktikabilität soll in den nächsten Monaten geprüft werden. Das Bayerische Landesausführungsgesetz finden Sie im Internet unter: www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayAGTTG

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) unterstützt die Transplantationsbeauftragten bei der im AGTPG geforderten, regelmäßigen Analyse der Todesfälle mit primärer und sekundärer Hirnschädigung mit dem Tool „Transplantcheck für Excel“. Die Nutzung des Tools wird auch von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft explizit begrüßt. Es bietet sich insbesondere für die Auswertung großer Datenbestände, beispielsweise eines ganzen Jahres, an und filtert die Patientendaten nach codierten Fällen mit primären oder sekundären Hirnschädigungen. Zusammen mit einem Koordinator der DSO können diese Auswertungen im Rahmen von Einzelfallanalysen retrospektiv besprochen und anschließend in der Datenbank „DSO.isys+“ dokumentiert werden. Diese gemeinsamen Besprechungen sensibilisieren für die Spendererkennung und ermöglichen zudem eine einfache Datenerhebung für die Berichtspflicht. Als positiver Nebeneffekt entsteht zwischen dem Transplantationsbeauftragten und dem DSO-Koordinator oftmals ein kooperatives und partnerschaftliches Verhältnis der Zusammenarbeit. Weiterhin bieten die erhobenen Daten zur Beteiligung des Transplantationsbeauftragten bei Angehörigengesprächen, zu vorliegenden Patientenverfügungen oder zur Feststellung der Diagnostik des Irreversiblen Hirnfunktionsausfalls, dem Transplantationsbeauftragten die Möglichkeit, krankenhausspezifische Abläufe zu etablieren und zu optimieren. 

Curriculare Fortbildung „Transplantationsbeauftragter Arzt“

Seit Oktober 2017 bietet die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) in Zusammenarbeit mit der DSO Region Bayern das Seminar „Transplantationsbeauftragter Arzt“ an. Die Fortbildung richtet sich nicht nur an Transplantationsbeauftragte, sondern auch an alle interessierten Intensivmediziner. Es geht um praxisrelevante Themen wie Spendererkennung, Diagnostik des Irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (Hirntod), Empfängerschutz, rechtliche Grundlagen ebenso wie um ethische Herausforderungen und Schnittstellen der Organ- zur Gewebespende. Das Curriculum setzt sich aus drei Modulen zusammen, wobei im Teil A einem Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle (E-Learning) ein zweitägiger Präsenzkurs in den Räumlichkeiten der BLÄK in München folgt. Der Begleitung von Angehörigen ist ein eigener Unterrichtstag im Teil B gewidmet. Alternativ zur im Teil C geforderten Teilnahme an mindestens einer Organspende kann, dieses auch im Rahmen des Moduls „Virtueller Spender“ auf der E-Learning-Plattform der DSO absolviert werden. Die Evaluation durch die bisherigen Teilnehmer ergibt ein durchgehend positives Feedback. Insbesondere der eintägige Workshop zur Betreuung der Angehörigen wird als sehr hilfreich für die tägliche Arbeit beurteilt. Neubestellte Transplantationsbeauftragte bekommen nicht nur aktuelles Wissen kompakt vermittelt, sondern ihnen bietet sich auch die einmalige Möglichkeit, Kontakte zu erfahrenen Kollegen zu knüpfen, die an der curricularen Fortbildung teilnehmen, um ihren Erfahrungsschatz auf einen aktuellen Wissenstand zu bringen. So könnte langfristig ein stabiles Netzwerk bayerischer Transplantationsbeauftragter Ärzte aufgebaut werden. Das nächste Seminar findet am 11. und 12. Oktober 2018 statt (näheres siehe Seite 387).

E-Learning-Plattform der DSO

Nachdem die E-Learning-Plattform der DSO im vergangenen Jahr erstmals im Bayerischen Ärzteblatt vorgestellt wurde, hat sie sich erfolgreich etabliert. Mittlerweile wurde sie von 16 Ärztekammern in das Ausbildungsprogramm für Transplantationsbeauftragte aufgenommen. Bis Ende Mai 2018 gab es über 1.000 registrierte Benutzer, darunter auch niedergelassene Ärzte und Medizinstudenten. 90 Prozent der Benutzer, die die Evaluation durchgeführt haben, loben in ihrem Feedback die Vollständigkeit aller relevanten Themengebiete einer Organspende, eine stimmige Gewichtung der Themengebiete, praxisrelevante Inhalte und eine überzeugende Benutzerfreundlichkeit.

Stärkere Einbindung der Pflegekräfte

In unserem Bestreben, Pflegekräfte auf den Intensivstationen stärker in den möglichen Organspendeprozess einzubeziehen, werden seit April 2016 nach jeder Organspende zusätzlich zu den Transplantationsbeauftragten die Stationsleitungen telefonisch zu den Abläufen befragt. In rund 45 Prozent der Gespräche bekommen wir dadurch relevante Informationen für die Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und DSO. In fünf Prozent wurden konkrete Wünsche, zum Beispiel zu Fortbildungen, an uns herangetragen und in 25 Prozent noch einmal wichtige Fragen zur Organspende beantwortet. Kritik am Organspendeprozess erhielten wir in 25 Prozent der Befragungen. Die Hinweise leiten wir an die betreuenden Koordinatoren weiter, die sich wiederum mit den Transplantationsbeauftragten und/oder der zuständigen Abteilung in Verbindung setzen. In den Gesprächen stellt sich oftmals heraus, dass es aufgrund von Missverständnissen zu unterschiedlichen Auffassungen gekommen ist, wer für welchen Prozessschritt verantwortlich war. Dieser offene Austausch stärkt die Bindung zu den Krankenhäusern, führt zu einer höheren Zufriedenheit und zur Optimierung von Abläufen im Organspendeprozess.

Bündnis für Organspende in Bayern

Mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit innerhalb der Gesellschaft für das Thema Organspende weiter zu erhöhen, wurde im Jahr 2016 das „Bündnis Organspende Bayern“ durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mit rund 60 Institutionen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gegründet. In Bayern engagieren sich bekanntermaßen seit Jahren viele verschiedene Institutionen und Betroffene für die Organspende. Bislang fehlte allerdings eine strukturierte Koordination von Maßnahmen. Das „Bündnis Organspende Bayern“ möchte das Thema Organspende in die Mitte der Gesellschaft tragen und erreichen, dass sich jeder zu Lebzeiten mit der Thematik auseinandersetzt und eine Entscheidung trifft, insbesondere um im Ernstfall von Angehörigen den Entscheidungsdruck zu nehmen. Aus diesem Bündnis heraus hat der Bayerische Fußball-Verband (BFV) einen Spieltag unter das Thema Organspende mit dem Motto „Bei Unentschieden gewinnt keiner“ gestellt. Insgesamt beteiligten sich fast 600 Vereine an der Aktion.Für diese Aktion wurde der BFV auf der Jahrestagung der Transplantationsbeauftragten in Bayern (siehe Foto) und der Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft 2017 ausgezeichnet. Stellvertretend für alle teilnehmenden Vereine nahmen Verbands-Spielleiter Josef Janker und der Präsident des BFV, Dr. Rainer Koch, die Ehrungen entgegen.


Auf der Jahrestagung der Transplantationsbeauftragten in Bayern wurde der Bayerische Fußball-Verband (BFV) für sein Engagement geehrt. Im Bild (v. li.): Dr. Dipl.-Biol. Thomas Breidenbach (Geschäftsführender Arzt der DSO Region Bayern), Tudor Chioar (Leiter Spielbetrieb BFV), Thomas Müther (ehemaliger Leiter Präsidialbüro, Pressesprecher BFV), Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml, Josef Janker (Verbands-Spielleiter BFV) und Dr. Rainer Koch (Präsident des BFV).

Ausblick

Auf regionaler Ebene werden wir die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern fortsetzen. Für die Klinikmitarbeiter sind wir für Fragen jederzeit erreichbar und helfen gerne weiter. Das gilt ebenso für unsere umfangreichen Unterstützungsangebote sowie Dienstleistungen im akuten Organspendeprozess.


Gleichzeitig sind auf Bundesebene grundlegende Änderungen im System der Transplantationsmedizin notwendig, um unsere Patienten dem internationalen Standard entsprechend versorgen zu können. Dazu fordert die DSO einen Initiativplan mit klar definierten Handlungsschritten. Hierzu ist die Unterstützung aller für die Transplantation wichtigen Fachgesellschaften und Institutionen notwendig. Entscheidend ist allerdings der politische Wille, dass sich die positive Einstellung der Bevölkerung, die übrigens seit Jahren unverändert hoch ist  (> 80 Prozent; BZGA 2017), auch in den Spender-zahlen niederschlägt.  Dabei wäre es allerdings illusorisch zu glauben, in Deutschland könnten ähnlich hohe Organspenderraten wie in anderen Ländern erzielt werden, ohne auch die Maßnahmen zu ergreifen, die sich international als entscheidend für ein hohes Organspendeaufkommen bewährt haben.  Allein mit Appellen und Schuldzuweisungen ist es nicht länger getan.

Autoren

 


Dr. Dipl.-Biol. Thomas Breidenbach
Geschäftsführender Arzt der DSO-Region Bayern

 


Dr. Dorothee Seidel
Ärztliche Koordinatorin der DSO-Region Bayern

beide Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), Region Bayern, Lena-Christ-Straße 44, 82152 Martinsried, Tel. 069 677328-4001, Fax 069 677328-4099, E-Mail: bayern(at)dso.de, Internet: www.dso.de

 

 

Top